Nachdem beim von ICANN als UDRP-Streitbeilegungsstelle akkreditierten National Arbitration Forum (NAF) „copy and paste“-Fehler bei der Entscheidungsfindung offengelegt wurden, rücken andere Erkenntnisse in den Blickpunkt. Eine bereits vor einem Monat veröffentlichte kleine Studie gibt Aufschluss über eine Schieflage bei der Verteilung der UDRP-Fälle auf die einzelnen NAF-Schiedsrichter. Ganz anders sieht das nach einer Beobachtung von Andrew Alleman bei der WIPO aus.
Die Studie von Rechtsanwalt Zak Muscovitch zeigt eine Ungleichverteilung bei der Fallbearbeitung. So zeigt sich, dass über zehn Prozent aller bisher bei der NAF verhandelten knapp 10.000 UDRP-Verfahren von einem der 141 Panelists bearbeitet wurden, nämlich von Carolyn Marks Johnson. Weitere 9,4 Prozent wurden von Panelist James A. Carmody bearbeitet. Zehn der 141 Panelisten von NAF haben insgesamt 55,2 Prozent aller Fälle bearbeitet. Muscovitchs Studie macht darüber hinaus deutlich, welche Panelisten eher zugunsten des Antragstellers und welche eher dagegen entscheiden. So weist David Bernstein, der jedoch nicht in der Liste der zehn aktivsten Panelisten auftaucht, 73,7 Prozent aller Transferanträge zurück, während die fünf Panelists, die in hohem Maße Domain-Transfere bestätigen, sich in der Liste der zehn aktivsten Panelisten finden, darunter Carolyn Marks Johnson, die 92,7 Prozent ihrer Entscheidungen zugunsten des Antragstellers fällt und sich damit an lediglich dritter Position befindet.
Andrew Alleman schaute sich nach Sichtung der Muscovitch-Studie die WIPO-Daten an und stellt in seinem Blog domainnamewire.com eine genau gegenläufige Situation dar. Die fünf WIPO-Panelisten, die die meisten Verfahren geleitet haben, gaben den Anträgen der Beschwerdeführer seltener statt als andere WIPO-Panelisten. Acht der am meisten beschäftigten zehn WIPO-Panelisten gehören zu dem Viertel von WIPO-Panelisten, das am wenigsten auf Transfer entscheidet, wobei Alleman nur Panelisten mit in sein Kalkül zieht, die mehr als 50 Fälle bearbeitet haben. Zugleich stellt er fest, dass der aktivste WIPO-Panelist nur ein Drittel der Zahl von Fälle bearbeitet hat, wie die Nummer Eins des NAF. Alleman bat die WIPO um eine Stellungnahme, eine Gelegenheit, die David Roache-Turner, Leiter der Domain-Dispute Abteilung, wahrnahm.
In seiner Stellungnahme erklärt Roache-Turner, WIPO wähle seine Schiedsrichter nach sehr konservativen, rechtlich und ethisch verantwortlichen Kriterien aus, wie Sprachfähigkeit, Staatszugehörigkeit, geographische Vielfalt, Verfügbarkeit, Erfahrung und einschlägige Fachkenntnisse. In der Folge seien 90 Prozent der rund 450 WIPO-Panelisten, die aus 56 Ländern kommen, regelmäßig aktiv. Die Unterschiede bei den Entscheidungsquoten sind gering; die WIPO-Panelist bewegen sich mehr oder wenig auf gleichem prozentualem Niveau, was Transfer-Entscheidungen betrifft. Das hänge auch damit zusammen, dass die WIPO-Panelisten, denen am häufigsten Fälle zugewiesen werden, die schwierigeren, weil streitigen Fälle erhalten.
Nachdem das NAF durch zahlreiche „copy and paste“-Fehler von sich Reden macht, stellt sich auch die Verteilung der Entscheidungen als nicht überzeugend dar: einige wenige Schiedsrichter, die antragstellerfreundlich entscheiden, treffen die weit überwiegende Zahl von Entscheidungen. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei WIPO ein homogeneres Bild. Die Wahl des Schiedsgerichts für UDRP-Verfahren bleibt aber damit nicht eine Frage der Erfolgstendenz, denn es kommt auch auf Sprach- und Fachkompetenz sowie „geographisches“ Einfühlungsvermögen an. Gegnern eines UDRP-Verfahrens lässt sich anraten, gegebenenfalls ein Panel von drei Schiedsrichtern zu berufen. Das kostet zwar Geld, sichert aber damit wahrscheinlicher die Domain.