George Kirikos, Präsident des US-Unternehmens „Leap of Faith Financial Services Inc.“, hat eine peinliche Panne in UDRP-Verfahren des NAF aufgedeckt: nach seinen Recherchen haben in mindestens 41 Fällen sowohl das Gericht als auch die jeweiligen Kläger aus eigenen Unterlagen abgeschrieben – auch wenn das völlig unsinnig war.
Auslöser der Recherchen von Kirikos war eine kleine Meldung im Blog von Elliot Silver, die sich mit der Entscheidung des National Arbitration Forums zur Domain wooot.com befasst. Darin kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger obsiegt hatte; doch statt ihm die Domain wie beantragt zu übertragen, entschied Richter Hon Nelson A Diaz auf Löschung der Adresse. Damit nicht genug; in den Ausführungen im Urteil zum Vortrag der Parteien hiess es, dass der Kläger Inhaber einer Marke „AOL“ sei und der Beklagte die Domain iaol.com registriert habe; streitgegenständlich war jedoch die Domain wooot.com, wobei der Kläger seinen Anspruch auf die Marke „woot“ stützte. Und in den zusätzlichen Ausführungen brach die Urteilsbegründung schließlich mitten im Text ab.
Vor Schreibfehlern, Rechnungsfehlern oder ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten ist kein Gericht gefeit. Stutzig machen müssen jedoch die Recherchen, die Kirikos nun anstellte. Er fand heraus, dass Richter Diaz im März 2008 im Verfahren um die Domain tamarind.com ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen war, dass der dortige Kläger sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für eine Übertragung der Domain dargelegt hatte; gleichwohl wies er die Klage ab. Wörtlich führt das Schiedsgericht in seinem Urteil aus: „Having established all three elements required under the ICANN Policy, the Panel concludes that relief shall be DENIED.“ In 41 weiteren UDRP-Verfahren vor dem NAF wurde dieser in sich widersprüchliche Tenor von verschiedenen Richtern verwandt, zurückzuführen offenbar auf den „kopieren & einfügen“-Befehl von Textverarbeitungsprogrammen.
Doch nicht nur Gerichte, auch Klägervertreter scheinen die Vorzüge moderner Technik zu schätzen. Dem US-Unternehmen CitizenHawk, nach eigenem Bekunden „Leader in Digital Brand Protection“, wurde das Kopieren als Vertreter der Klägerin im Verfahren um die Domain letztalk.com jedoch zum Verhängnis. Nach Ansicht von Schiedsrichter David E. Sorkin habe CitizenHawk seinen Vortrag in einer Art automatisiertem Verfahren ohne oder mit geringer menschlicher Beteiligung zusammengestellt; anders sei es nicht erklärbar, weshalb sich die Klägerin auf mehrere Marken und Domains bezog, obwohl nur eine Marke und eine Domain in Streit standen. Auch das Registrierungsdatum sei offensichtlich falsch; zudem stütze man sich auf Urteile, die im Streitfall nicht einschlägig waren. Die zusätzlichen Ausführungen der Klägerin blieben daher unbeachtet, weshalb CitizenHawk die Klage verlor. Damit waren alle Vorteile des UDRP-Verfahrens verspielt, denn von einer Klage vor dem Zivilgericht nahm die Klägerin Abstand – die beklagte Domain-Inhaberin sitzt im fernen Russland.