UDRP

linear.ink wird gradlinig im Streitbeilegungsverfahren entschieden

Der in Italien renommierte Online-Autoversicherer Linear sah seine Rechte durch die Domain linear.ink verletzt und erhob eine Beschwerde bei der WIPO. Der Gegner brachte vernünftige und unschuldige Gründe vor, warum er die Domain, die auf eine Pay-per-Click-Seite mit Links zu Konkurrenten des Versicherers leitete, registriert hatte.

Der italienische Online-Versicherer Compagnia Assicuratrice Linear S.p.A., gegründet 1995 in Bologna, firmiert von Anfang an unter der Marke »Linear«, unter der er telefonisch und via Internet Autoversicherungen vertreibt. Seit 1996 ist er Inhaber der Domain linear.it und seit 1999 der italienischen Marke »Linear«. 2005 und 2006 kamen die Domain-Namen linear.biz und linear.eu sowie 2015 die EU-Marke »Linear« hinzu. Der Versicherer sieht seine Markenrechte durch die Domain linear.ink verletzt, die ein US-Amerikaner im Januar 2019 registriert hatte. Die Domain zeigte zeitweise eine Pay-per-Click-Seite mit Links zu unmittelbaren Konkurrenten des Versicherers. Dieser startete ein UDRP-Verfahren vor der World Intellectual Property Organization (WIPO), wo er unter anderem vortrug, in Italien sei man berühmt und bekannt in der Versicherungsbranche. Der Gegner sei unter der Bezeichnung »Linear« nicht bekannt; ihm sei auch nicht gestattet, die Marke »Linear« zu nutzen. Der Gegner musste bei Registrierung und während der Nutzung der Domain von der Marke »Linear« und dem darunter betriebenen Versicherungsgeschäft gewusst haben, auch wenn der Versicherer seinen Sitz in Italien hat. Andernfalls hätte er die geparkte Domain nicht mit den Pay-per-Click-Links der Konkurrenten eingerichtet, aus denen er Einkünfte bezog. Der Gegner antwortete nicht offiziell auf die Beschwerde des Versicherers, sandte jedoch eine eMail, in der er unter anderem mitteilt, er habe diese Domain aus einem vernünftigen und unschuldigen Grunde registriert: er wolle darunter ein Kunst-Blog über Tuschezeichnungen einrichten. Dass sein Registrar die Domain dazu nutzen würde, Pay-per-Click-Seiten einzurichten, mit der dieser Geld verdient, obwohl er für die Domain bereits bezahlt hat, sei irritierend. Er habe die Parking-Seite sofort, nachdem er davon erfahren habe, abgeschaltet. Als Entscheider wurde der kanadische Rechtsanwalt Christopher J. Pibus eingesetzt.

Pibus prüfte die Sach- und Rechtslage effizient und wies die Beschwerde des Versicherers zurück, da er von den guten Absichten des Gegners überzeugt war (WIPO Case No. D2019-1397). Dass Marke und Domain, abgesehen von der Endung, identisch sind, stellte Pibus kurz fest. Interessant wurde es für ihn bei der Frage eines Rechts oder berechtigten Interesses auf Seiten des Gegners an der Domain. Dass dieser keine ordentliche Beschwerdeerwiderung eingereicht hatte, störte dabei nicht: Pibus akzeptierte die eMail vom 29. Juni 2019. Der entnahm er, dass der Gegner die Domain im Zusammenhang mit einer geplanten Webseite über Tuschezeichnungen und die Arbeit an Comics registriert habe, aber in den sechs Monaten seit der Registrierung noch nicht dazu gekommen sei, die Website einzurichten. Pibus stellte weiter fest, dass die Beschwerdeführerin keinen Nachweis dafür erbracht habe, dass der Gegner Kenntnis von ihr und ihrer Marke hatte oder hätte haben müssen. Die Endung .ink hingegen sei als digitales Zentrum für die Kunst der und das Kulturgut Tätowierung eingerichtet worden. Die Wahl der Top Level Domain korrespondiere mit der Erklärung des Gegners, die Domain für ein Kunst-Blog über Tuschezeichnungen nutzen zu wollen. Der Beschwerdeführer hätte, nachdem er erfahren hatte, wer der Inhaber von linear.ink ist, weitere Beweise ermitteln und vortragen müssen, um seine Schlussfolgerungen zu stützen, die er aus dem zeitweise Bestehen der Parking-Seite unter linear.ink zieht. Doch die einzige weitere Information dazu war, dass der Gegner die Pay-per-Click-Seite abgeschaltet habe, nachdem er vom Beschwerdeverfahren erfahren hatte. Aufgrund dessen sah Pibus das zweite Element der UDRP von Seiten des Beschwerdeführers nicht erfüllt. Bösgläubigkeit auf Seiten des Gegners sah Pribus nach Abwägung der Wahrscheinlichkeiten als nicht gegeben: Für ihn sprach, dass er seinen Sitz in den USA habe, wo der Beschwerdeführer nicht tätig ist, seine Erklärung hinsichtlich der vernünftigen und unschuldigen Nutzung der Domain, die Abwesenheit jedweden Nachweises, dass die Absicht, die Domain an den Beschwerdeführer verkaufen zu wollen, bestanden habe, die Abwesenheit jedweden Nachweises früheren schlechten Verhaltens des Gegners im Zusammenhang mit Domains und die unverzügliche Reaktion des Gegners, die vom Registrar eingerichtete Pay-per-Click-Seite abzuschalten, sobald er von der Beschwerde erfuhr. Dementsprechend wies Pribus die Beschwerde des italienischen Versicherers zurück.

Die Entscheidung zeigt wieder einmal, dass, auch wenn man als Markeninhaber auf der sichereren Seite zu stehen scheint, man eine differenzierte Prüfung durch ein versiertes Panel doch zur Zurückweisung einer UDRP-Beschwerde führen kann. Tatsächlich sah es hier für den Beschwerdeführer gut aus: die eigene alte Marke, die kürzlich registrierte markenidentische Domain, die Pay-per-Click-Seite mit Links zur Konkurrenz. Doch die kleinen Details, die Endung in Zusammenhang mit der geäußerten Nutzungsabsicht, die fehlende Anwesenheit des Beschwerdeführer auf dem Markt des Gegners und die nicht vorhandenen Nachweise zu Fehlverhalten der Person des Gegners führten zur Zurückweisung.

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