Aldi Deutschland und Großbritannien mussten sich in einem UDRP-Verfahren vor der WIPO gegen die Domain fuckaldi.com wehren. Das WIPO-Panel ging trotz vermeintlich klarer Rechtslage in die Tiefe, informierte sich über öffentlich zugängliche Quellen, um die Faktenlage zu verbessern, und kam zu einer wohlbegründeten Entscheidung.
Die Aldi GmbH & Co. KG und Aldi Stores Limited (Großbritannien) sahen ihre Rechte durch die Domain fuckaldi.com verletzt und starteten ein UDRP-Verfahren vor der WIPO. Diese Domain hatte der Gegner, der in Miami (Florida, USA) lebt, im Dezember 2018 registriert. Die Website, auf die die Domain auflöst, ist noch nicht aktiv. Aldi belegte umfänglich seine europäischen Marken und brachte das in solchen Fällen Übliche vor. Der Gegner, der einen kanadischen Privacy-Service nutzt, meldete sich nicht ordentlich zur Sache, schrieb aber vier eMails an WIPO, in denen er zunächst erklärte, er verstehe nicht, was hier passiere, er sei bereit, die Domain aufzugeben. In einer späteren eMail erklärte er, er wolle die Website nicht, und wieso habe er das Problem, wo er die Domain doch von Google gekauft habe; die Domain basiere auf der Abkürzung »All Demons Interforce« seines Game-Clans, aber er spiele da ja auch nicht mehr. Er beteuerte abschließend, all das habe nichts mit Lebensmittelgeschäften zu tun; wenn ALDI die Domain wolle, kein Problem, dann sollen sie die haben. Das Panel erwies sich als initiativ: der als Entscheider eingesetzte mexikanische Jurist Kiyoshi Tsuru schaute sich ersteinmal an, welche Marken ALDI in den USA registriert hat. Darüber hinaus schaute er, wo ALDI Geschäfte in Miami hat und was der Gegner berufsmäßig macht.
Tsuru gab der Beschwerde von Aldi statt und entschied auf Übertragung der Domain fuckaldi.com auf Aldi (WIPO Case No. D2019-2289). Er bestätigte, dass ALDI eine wohlbekannte Marke ist, auch in den USA, wo Aldi seit 1976 mittlerweile ca. 1.900 Ladengeschäfte in 36 US-Staaten betreibe. Die streitige Domain fuckaldi.com beinhalte die Marke, nebst dem Zusatz »fuck«. Damit sei die Domain zum Verwechseln mit der Marke ähnlich. Bei der Frage eines Rechts oder berechtigten Interesses des Gegners zitierte Tsuru dessen Erklärung, wonach die Domain fuckaldi.com nichts mit Lebensmittelläden zu tun habe. Tsuru ergriff die von Abschnitt 4.8 der WIPO-Overview 3.0 eröffnete Möglichkeit, wonach sich Panelists öffentlicher Informationen bedienen dürfen, um den Fall besser analysieren zu können. So deckte Tsuru auf, dass der Gegner seit 2014 selbst einen Lebensmittelladen namens »Holydays Market« betreibt, nur etwa zwei Meilen entfernt von der nächsten Aldi-Filiale. Im Hinblick darauf ging Tsuru davon aus, dass der Gegner Aldi und die Marken kannte, und erachtete seine Erklärung, es handele sich bei »ALDI« in der Domain nur um ein Akronym von »All Demons Interforce«, für einfach nicht glaubhaft. Und da der Gegner keinen entsprechenden Nachweis für seine Behauptung erbracht hatte, könne er, Tsuru, nicht darauf schließen, dass der Gegner ein Recht oder berechtigtes Interesse an der Domain habe. Da die Website unter der Domain zudem keine Inhalte aufweise, spreche nichts dafür, dass hier das Recht auf Meinungsfreiheit greife. Die Registrierung der bekannten Marke »ALDI« zusammen mit dem Wort »fuck« könne für sich selbst nicht als rechtens erachtet werden. Damit stellte Tsuru fest, Aldi habe den Anscheinsbeweis erbracht, demnach der Gegner kein Recht oder berechtigtes Interesse an fuckaldi.com hat. Der Gegner habe dem nichts Nachhaltiges entgegengesetzt, womit das zweite Element der UDRP erfüllt sei.
Auch bei der Frage der Bösgläubigkeit ging Tsuru in die Tiefe und verwies zugleich noch auf die vorangegangene Prüfung: Der Gegner habe sich als direkter Konkurrent zu den Beschwerdefüherinnen herausgestellt. Es sei klar, dass der Gegner in voller Kenntnis von Aldi samt Marke und Geschäft die streitige Domain registrierte. Es werde vertreten, dass eine Domain bestehend aus einem Markenbegriff und einem anstößigem Wort in gutem Glauben genutzt werden könne; dies setze aber auch immer eine wirkliche Nutzung der Domain voraus, was hier gerade nicht der Fall sei. Der Gegner habe nicht gezeigt, dass er die Domain je genutzt habe oder dass er Vorbereitungen zur Nutzung der Domain treffe. Schließlich aber könne immer noch ein Fall von passivem Halten der Domain vorliegen. Doch dagegen sprächen die Tatsachen: Die Domain enthalte die Marke der Beschwerdeführerinnen; der Gegner sei Konkurrent zu diesen; der Lebensmittelladen des Gegners befindet sich in Florida, im Abstand von etwa 2 Meilen zum nächsten Aldi-Laden, usw. Tsuru schloss damit, es sei klar, dass der Gegner die Domain nie und nimmer auf eine legale Weise würde nutzen können. Tsuru kam zu dem Schluss, dass auch die Nutzung der Domain fuckaldi.com bösgläubig erfolgte. Damit waren alle drei Elemente der UDRP erfüllt, und Tsuru entschied auf Übertragung der Domain fuckaldi.com auf Aldi.
Beispielhaft an dieser Entscheidung ist, wie ein Panelist dank der Freiheiten, die ihm die UDRP gewährt, sich, obgleich die Sach- und Rechtslage auf Anhieb klar scheint, selbst weitere Informationen verschafft und so zu einem besseren Ergebnis gelangt. Weiter wird deutlich, wie wichtig es in einem solchen Falle ist, eine umfassende und präzise Prüfung vorzunehmen, wie insbesondere bei der Frage der Bösgläubigkeit, um zu einer von der Rechtslage rundum gedeckten Entscheidung zu gelangen.
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