Ein dickes Lob fuhr das Dreier-Panel ein, welches in einem UDRP-Verfahren über die Domain zydus.com entschied. Es legte die Regeln der UDRP und des WIPO-Overview 3.0 rechtskonform und sinnvoll aus, was zur Abweisung der Beschwerde und der Feststellung von Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) führte.
Das indische Pharmaunternehmen Zydus Lifesciences Ltd. sieht seine Markenrechte durch die Domain zydus.com verletzt. Das Unternehmen wurde 1952 als Cadila Laboratories Ltd. in Indien gegründet. 1995, nach Aufspaltung des Unternehmens, nutzte die Cadila Healthcare Limited erstmals den Begriff »Zydus« für Pharmaprodukte. Eine erste Marke wurde 1996 in Indien eingetragen; mittlerweile gibt es über 140 Zydus-Marken. Eine US-Marke existiert allerdings nicht. Seit 1999 nutzt das Unternehmen die Domain zyduscadila.com. Zu irgendeinem Zeitpunkt nach 1995 begann das Unternehmen, sich als »Zydus Group« zu bezeichnen. Im Februar 2022 änderte die Cadila Healthcare Ltd. ihren Namen und firmiert nun unter Zydus Lifesciences Ltd. Sie operiert in etwa 50 Ländern; es existiert seit 2003 auch eine Zydus Pharmaceuticals (USA) Inc., die 2005 erstmals auf dem US-Markt tätig wurde. Die Domain zydus.com registrierte ihr Inhaber im November 2004; die Domain löst über zahlreiche Weiterleitungen zu Webseiten Dritter auf, wobei die letzte Seite variiert. Der Gegner, ein Privacy-Dienstleister, der den tatsächlichen Domain-Inhaber nicht bekannt gegeben hat, empfing zwischen Januar und März 2022 per eMail ungefähr 20 Kaufangebote, die zwischen US$ 750,– und US$ 4.000,– für die Domain lagen. Auf diese eMails reagierte der Gegner nicht. In der Folge leitete die Zydus Lifesciences Ltd. ein UDRP-Verfahren vor der WIPO ein, wo sie unter anderem vorträgt, zydus.com löse zu Webseiten auf, die konkurrierende Geschäfte und Dienstleistungen anbieten. Einen Screenshot fügte die Beschwerdeführerin allerdings nicht bei. Der Gegner trägt vor, er habe keine Kenntnis von der Beschwerdeführerin und deren Marken gehabt. Man registriere generische Domain-Namen und betreibe darüber ein Werbegeschäft. Auf den generischen Begriff Zydus sei man gekommen, da er auf litauisch »Jude« oder »jüdisch« meint. Er beantragte, RDNH festzustellen. Das mit der Sache betraute Dreier-Panel bestand aus Nick J. Gardner als Vorsitzendem, und Pablo A. Palazzi und Alan L. Limbury als Beisitzer.
Das WIPO-Panel wies die Beschwerde der Zydus Lifesciences Ltd. ab und bestätigte das Vorliegen des RDNH (WIPO Case No. D2022-0880). Zunächst klärte das Panel allerdings, wer hier Gegner ist. Dass sich lediglich der Privacy-Dienstleister meldete, stellte letztlich kein Problem dar, da der WIPO-Overview unter Ziffer 4.4.5 auch einen solchen Dienstleister als Gegner akzeptiert. Das Panel bestätigte kurz, dass Domain und Marke identisch sind. Bei der Frage nach einem Recht oder berechtigten Interesse des Gegners, die Domain zu nutzen, war für das Panel klar, dass anerkanntermaßen Domain-Sammler und -Wiederverkäufer berechtigt sind, Wörterbuchbegriffe, Akronyme und bekannte Phrasen als Domain zu registrieren. Das gelte auch für längere Buchstabenkombinationen, die dem Registranten gefallen und einen eigenen Wert besitzen. Unter diesem Gesichtspunkt entschied das Panel, dass der Gegner eine Domain bestehend aus einer längeren Buchstabenkombination registriert habe, die er für attraktiv und werthaltig hält, ohne von der Marke »ZYDUS« der Beschwerdeführerin gewusst zu haben. Damit war das Verfahren an diesem Punkt für die Beschwerdeführerin gescheitert.
Das Panel stellte auch keine Bösgläubigkeit seitens des Gegners fest, der die Domain 2004 registrierte. Für diesen Zeitpunkt habe die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen, dass sie außerhalb Indiens bereits mit dem Kennzeichen »zydus« bekannt war. Deren Website unter zyduscadila.com wies 2003 das Statement auf:
we aim to be leading Asian player by 2010 and a global player by 2020.
»zydus« sei ein Kunstwort ohne eine Bedeutung auf Englisch. Es seien aber fünf zusammen aussprechbare Buchstaben, die wahrscheinlich einen Wert an sich aufweisen – und somit auch als Domain-Name. Das Panel zweifelte die Behauptung des Gegners an, er habe sich bei der Wahl des Domain-Namens an der litauischen Bedeutung des Wortes orientiert. Nichtsdestotrotz akzeptierte das Panel, dass der Gegner die Domain wegen des ihr innewohnenden Wertes registriert habe. Es bestünden keine Hinweise darauf, dass er die Domain in Kenntnis der „ZYDUS“-Marken der Beschwerdeführerin registriert habe, weshalb man seine Angabe, er habe die Beschwerdeführerin und deren Marken damals nicht gekannt, nicht anzweifele. Außerdem spreche es für den Gegner, dass er die Kaufangebote ignorierte. Bezüglich einer bösgläubigen Nutzung der Domains kam das Panel auf das gleiche Ergebnis: Die Beschwerdeführerin legte zum Beleg ihrer Behauptung, die Website unter der Domain weise Links in Verbindung mit »Zydus Pharma«, »Indian Pharma« und »Job Vacancies« auf, keinen Screenshot vor, sondern beschrieb die Inhalte lediglich. Das Panel sah darin keine zielgerichtete Werbung, sondern ging davon aus, dass die Abfrage vermutlich aus Indien erfolgte, weshalb die Ergebnisse bei der Beschwerdeführerin Links anzeige, die mit ihr in Verbindung stehen könnten. Das Panel meinte schließlich, das Vorhandensein von »Clickthrough«-Links in geeigneten Fällen könne eine Grundlage für den Nachweis einer gezielten Ansprache bilden; die in der Beschwerde beschriebenen Tatsachen unter den besonderen Umständen dieses Falles und insbesondere ohne zusätzliche Beweise belegten aber keine gezielte Ansprache der Beschwerdeführerin durch den Gegner. Damit lag auch keine bösgläubige Nutzung der Domain vor, und die Beschwerde war damit abzuweisen.
Abschließend prüfte das Panel noch RDNH, was es bestätigte, da die Beschwerdeführerin, vertreten von Rechtsprofis, wusste oder hätte wissen müssen, dass der Versuch, in einem UDRP-Verfahren hier zu obsiegen, zum Scheitern verurteilt war. Die Beschwerdeführerin berücksichtigte in großem Maße den Umstand nicht, dass die Domain bereits 2004 registriert wurde, als sie in USA noch unbekannt war. Statt im Einzelnen ihre Sache ordentlich vorzutragen und zu belegen, habe sie lediglich ein sehr großes Konvolut von Informationen über die Zeit nach der Domain-Registrierung vorgelegt. Einige der Behauptungen der Beschwerdeführerin erwiesen sich zudem als nicht ganz korrekt. Weiter erwähnte sie im Rahmen der Beschwerde nicht, dass sie dem Gegner Kaufangebote unterbreitet hatte. Die Kaufangebote sprechen dafür, dass sie sich im Klaren darüber war, keine vorgehenden Rechte gegenüber dem Gegner innezuhaben. Schließlich sah die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Unmenge an Informationen für das Panel danach aus, als wolle sie diesen Umstand verschleiern. Darin sah das Panel einen Missbrauch der UDRP durch die Beschwerdeführerin und bestätigte das Vorliegen eines Reverse Domain Name Hijacking.
Zak Muscovitch unterstreicht im Newsletter von internetcommerce.org die drei wesentlichen Punkte, in denen sich das Panel bei dieser Entscheidung hervortut: es sah in dem Begriff »Zydus« keine Bedeutung, hielt den Verweis auf die litauische Bedeutung für eine Ausrede, blieb aber dabei, dass eine Berechtigung zur Registrierung dieser Fünf-Zeichen-Domain für Domain-Sammler – in Erweiterung der Vorgaben im WIPO-Overview 3.0 – bestehe. Dieser Umstand führte auch zur Einschätzung, dass der Domain-Inhaber ein Recht oder berechtigtes Interesse an der Domain habe. Schließlich ließ sich das Panel auch nicht durch die von der Beschwerdeführerin behauptete zielgerichtete Werbung aus der Bahn werfen. Das Panel ging bei seiner Einschätzung dieser Behauptung von modernen Algorithmen aus, die Daten aus dem Browser und dem Ort der Abfrage heranziehen und entsprechend unterschiedliche Ergebnisse auf der Zielseite liefern, wobei dies allein eben nicht für vom Gegner veranlasste zielgerichtete Werbung hinsichtlich der Beschwerdeführerin spreche.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.