UDRP

Im Streit um veripro.com durfte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde wegen RDNH nicht zurücknehmen

Einen UDRP-Streit der besonderen Güte lieferten sich zwei französische Parteien um die Domain veripro.com. Wie sich herausstellte, hatte die Beschwerdeführerin nicht mit Gegenwehr gerechnet und versuchte, ihrer misslichen Lage durch die Rücknahme der Beschwerde zu entkommen, was allerdings misslang.

Die französische ITF, ein Franchise-Netzwerk, das Arbeitsvermittlungsdienste im Bereich der Renovierung, des Ausbaus und der Vergrößerung, der Innenraumgestaltung und der thermischen Sanierung anbietet, sah ihre Rechte durch die Domain veripro.com verletzt und startete ein UDRP-Verfahren vor der WIPO. Sie behauptete unter anderem, seit 2007 ihr Geschäft zu betreiben und so eine Nutzungsmarke erlangt zu haben, sowie im August 2017 Inhaberin der von der Geschäftsvorgängerin im April 2007 beim französischen Markenamt registrierten Marke „VERIPRO“ geworden zu sein. Sie behauptet auch, der Gegner habe die 1998 registrierte Domain veripro.com erst 2013 übernommen. Der Gegner, Sébastien Schmitt, der seinerseits in Frankreich sitzt, hält unter anderem entgegen, er habe die Domain veripro.com bereits im Juli 2007 anlässlich einer Auktion erworben. Von der Beschwerdeführerin habe er erst durch das WIPO-Verfahren erfahren. Er stellt den Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde und Feststellung eines Reverse Domain Name Hijacking (RDNH). Die Beschwerdeführerin beantragte in der Folge die Rücknahme der Beschwerde. Ein Dreier-Panel der WIPO bestehend aus dem schottischen Rechtsanwalt Andrew D. S. Lothian als Vorsitzendem sowie der französischen Rechtsanwältin Elise Dufour und dem britisch-walisischen Juristen Tony Willoughby als Beisitzer, hatte über die Sache zu entscheiden.

Das Panel wies die Beschwerde zurück und bestätigte ein Reverse Domain Name Hijacking seitens der Beschwerdeführerin (WIPO Case No. D2022-2196). Bevor das Panel allerdings die Prüfung der drei Elemente der UDRP in Angriff nahm, schaute es sich den Rücknahmeantrag der Beschwerdeführerin an und wies ihn zurück: Das Panel hielt es für notwendig, dass das Verfahren fortgeführt werde, da einerseits eine Abweisung der Beschwerde ohne Prüfung der Begründetheit der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eröffnen könnte, die Beschwerde zu einem späteren Zeitpunkt erneut einzureichen, und andererseits wäre die Abweisung der Beschwerde zu diesem Zeitpunkt unfair gegenüber dem Gegner, der bereits die Zeit und Mühe auf sich genommen hat, eine substanzielle Erwiderung einzureichen, und insbesondere, da er die Feststellung des Reverse Domain Name Hijacking beantragt hat.

Damit ging das Panel in medias res, bestätigte die Ähnlichkeit von Domain und Marke, übersprang die Frage eines Rechts oder berechtigten Interesses des Gegners an der Domain, um sich der Frage der Bösgläubigkeit und des RDNH zu widmen. Eine Bösgläubigkeit des Gegners vermochte das Panel nicht festzustellen, da es unter anderem sehr unwahrscheinlich sei, dass er zum Zeitpunkt, da er die Domain 2007 bei einer Auktion erwarb, von der Marke der Beschwerdeführerin wusste. Hier gab es einige Ungereimtheiten hinsichtlich des Vortrages der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Zeitpunkts der Inhaberschaft der Domain auf Seiten des Gegners. Dies wurden relevant bei der Frage des RDNH. Bei dieser Prüfung ging das Panel insbesondere auf den Rücknahmeantrag der Beschwerdeführerin ein, den es als Hinweis deutete, dass die professionellen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin diese beantragten, nachdem aufgrund der Erwiderungsschrift des Gegners klar wurde, dass die Sache keinen Erfolg haben würde. Das Panel räumte ein: „Had there been no Response, the Panel would not have known that the Complaint was based upon a false premise and might simply have accepted the Complainant’s submissions as reasonable, with inevitable consequences for the Respondent.“ Gegen die Beschwerdeführerin sprach auch, dass deren Rechtsvertreter sich offensichtlich mit der UDRP sehr gut auskennen: in ihrer Beschwerdeschrift gingen sie auf den WIPO Overview 3.0 ein und bezogen sich auf 24 frühere Entscheidungen der WIPO, wobei sie die, wie das Panel feststellte, nicht ordentlich einzuordnen und zu bewerten vermochten und eigentlich den Behauptungen der Beschwerdeführerin entgegenstünden. Das Panel schloss die Prüfung des RDNH mit der Feststellung, die Beschwerdeführerin führe zwar finanzielle Gründe für die Rücknahme der Beschwerde an, man selbst halte es jedoch für wahrscheinlicher, dass die Vertreter der Beschwerdeführerin die Stichhaltigkeit der Argumente des Gegners geprüft haben und hofften, mit der Rücknahme eine Feststellung von RDNH still und heimlich vermeiden zu können. Die Feststellung von RDNH sei in diesem besonderen Fall allerdings berechtigt. Damit wies das Panel die Beschwerde ab und stellte Reverse Domain Name Hijacking fest.

Die Entscheidung sticht hervor, da, wo sonst ein Panel wahrscheinlich wegen Kosten- und Zeitersparnis die Rücknahme der Beschwerde gerne bestätigt hätte, das Panel im Blick auf die Verfahrenstaktik der Beschwerdeführerin die Beschwerde zuende geprüft hat, um den Missbrauch des UDRP-Verfahrens nicht unter den Tisch fallen zu lassen.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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