UDRP

Im Streit um securus.com gibt Panelist Tony Willoughby eine UDRP-Lehrstunde

Ein anwaltlich vertretenes US-Unternehmen startete ein UDRP-Verfahren um die Domain securus.com. Es war schlecht beraten, was Panelist Tony Willoughby zum Anlass nimmt, eine kleine Lehrstunde zum Umgang mit der Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy zu halten.

Die Securus Technologies LLC aus den USA sah ihre Markenrechte durch die Domain securus.com verletzt. Sie ist ein technischer Dienstleister, dessen Schwerpunkt auf der Erleichterung der Kommunikation zwischen Inhaftierten und ihren Familien liegt. Sie startete ein UDRP-Verfahren vor der WIPO und trug unter anderem vor, sie sei Inhaberin der Domain securustechnologies.com. Seit August 2004 sei sie mit ihrer Marke »SECURUS« aktiv, die im November 2006 beim US-Markenamt eingetragen wurde. Der Gegner habe die Domain securus.com geparkt, und unter der Website fänden sich Links zu Kommunikationsanbietern für Inhaftierte. Der Gegner, mit Sitz in China, meldete sich nicht zur Sache. Als Entscheider fungierte der britisch-walisische Jurist Tony Willoughby.

Willoughby erwies sich wieder einmal als präziser und ausführlicher Panelist. Er wies die Beschwerde der Securus Technologies LLC ab und sah sich gezwungen, zudem ein Reverse Domain Name Hijacking zu bestätigen (WIPO-Case No. D2021-3383). Dabei hatte Willoughby kein Problem, die Identität von Marke und Domain festzustellen. Doch übersprang er die Frage eines Rechts oder berechtigten Interesses auf Seiten des Gegners, da die Frage der Bösgläubigkeit eindeutig ausfiel: Die Domain securus.com hatte der Gegner bereits im September 1995 registriert. Dafür ging Willoughby sowohl bei der Prüfung der Bösgläubigkeit und auch bei der des Reverse Domain Name Hijacking ins Detail. Das wollen wir uns anschauen, allen Beschwerdeführern zur Mahnung.

Die Beschwerdeführerin trage unter anderem vor, der Gegner versuche absichtsvoll aus kommerziellen Gründen durch die Verwendung der markenidentischen Domain, Internetnutzer auf sich aufmerksam zu machen und an Dritte weiterzuleiten, die vergleichbare Dienstleistungen wie die Beschwerdeführerin anbieten. Im Hinblick auf diesen Vortrag und weil der Gegner sich nicht dagegen wendet, sieht Willoughby die Behauptung der Beschwerdeführerin wohlbegründet. Für ihn sieht die aktuelle Nutzung der Domain securus.com genau nach einer Ausnutzung der Marke und des Goodwill der Beschwerdeführerin aus. Doch verlange die UDRP, dass die angegriffene Domain bösgläubig genutzt und registriert werden müsse. Letzteres komme hier allerdings nicht in Betracht, da die Domain bereits knapp neun Jahre vor der von der Beschwerdeführerin behaupteten ersten Nutzung der Marke registriert wurde. Es sei kaum vorstellbar, dass die Domain mit der Marke der Beschwerdeführerin im Sinn registriert wurde. Die Beschwerdeführerin habe nichts dazu vorgetragen, bereits 1995 erwogen zu haben, die Marke „SECURUS“ zu nutzen. Nur in wenigen Ausnahmetatbeständen kommt in Betracht, dass eine bösgläubige Domain-Registrierung vor einer Marke angenommen wird. Der WIPO-Overview 3.0 geht darauf in Sektion 3.8.1 und 3.8.2 ein. So könne Bösgläubigkeit angenommen werden, wenn eine Domain kurz vor oder nach der Ankündigung einer Firmenverschmelzung registriert wird, oder wenn der Gegner Insiderinformationen besitzt, etwa als ehemaliger Angestellter, oder wenn eine besondere Aufmerksamkeit der Medien auf ein neues Produkt gerichtet wird, oder kurz nach einer Markenbeantragung des Beschwerdeführers. Nichts spreche allerdings hier dafür, dass der Gegner 1995 die Domain im Hinblick auf die Marke der Beschwerdeführerin registriert habe. Auch aufgrund der Weiterregistrierung (renewal) der Domain ergibt sich keine Bösgläubigkeit auf Seiten des Gegners; dies sei gefestigte Rechtssprechung und finde sich auch im WIPO-Overview 3.0, Sektion 3.9 wieder. Damit konnte Willoughby keine Bösgläubigkeit seitens des Gegners feststellen, und die Beschwerde war damit für die Beschwerdeführerin verloren.

Doch Willoughby sah sich nicht in der Lage, damit die Prüfung zu beenden. Die UDRP-Regeln sehen in § 15 (e) vor, dass nach Prüfung des Parteivortrags, soweit der Entscheider meint, die Beschwerde sei bösgläubig vorgebracht worden, er dies prüfen und entsprechend entscheiden müsse. Ein Reverse Domain Name Hijacking liegt danach vor, wenn die UDRP bösgläubig genutzt werde, um den Domain-Inhaber um seine Domain zu bringen. Die Rechtsprechung gehe mittlerweile dahin, dass es nicht eines Antrags des Verfahrensgegners bedarf, um das Vorliegen von Reverse Domain Name Hijacking zu prüfen. Zu den Fällen, die als Reverse Domain Name Hijacking eingeschätzt werden, gehören unter anderem solche, bei denen Fakten vorliegen, die zeigen, dass der Beschwerdeführer wußte oder hätte wissen müssen, dass er mit der Beschwerde nicht würde erfolgreich sein können, etwa bei Fehlen von Markenrechten oder wenn die Domain deutlich vor der Erlangung von Markenrechten registriert wurde. Dabei werden höhere Anforderungen an Beschwerden gestellt, bei denen die Beschwerdeführer anwaltlich vertreten sind. Willoughby stellt alsdann fest, dass der Gegner sich nicht im Verfahren gemeldet und einen Antrag auf Reverse Domain Name Hijacking gestellt hat. Weiter spreche alles dafür, dass der Gegner die Domain offensichtlich missbräuchlich nutzt. Nichtsdestotrotz gäbe die UDRP keinen Raum: jeder, der sich den öffentlich abrufbaren WIPO-Overview 3.0 angeschaut habe, wisse, dass eine missbräuchliche Nutzung allein nicht den Tatbestand der Bösgläubigkeit erfülle. In der Beschwerde werden sowohl das Datum der Registrierung der Domain im Jahr 1995 als auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe ihre Marke 2004 zum ersten Mal benutzt, eindeutig dargelegt und kein Argument angeführt, um dieses offensichtliche Hindernis für ein erfolgreiches Verfahren aus der Welt zu räumen. Wenn die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin sich die UDRP und die Hilfsmaterialien genau angeschaut hätten, wäre die Beschwerde kaum eingereicht worden, oder jedenfalls nicht in dieser Form, ohne jedes Argument hinsichtlich des genannten Erfolgshindernisses. Die Rechtsberater hätten der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Angelegenheit vor einem ordentlichen Gericht geklärt werden müsse. Willoughby sei klar, dass andere Panels das üble Verhalten des Gegners als Ausgleich für das Fehlverhalten der Beschwerdeführer in Rechnung stellten, doch könne er einen solche Ausgleich aus § 15 (e) der UDRP nicht herauslesen. Aus diesem Grunde sah Willoughby sich gezwungen, auf Seiten der Beschwerdeführerin einen Missbrauch der UDRP und somit ein Reverse Domain Name Hijacking festzustellen. Entsprechend wies er ihre Beschwerde zurück und stellte einen Missbrauch des UDRP-Verfahrens fest.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

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