UDRP

Im Streit um morrisonsfresh.com hielten sich die Argumente der Parteien die Waage

Im UDRP-Streit einer Supermarktkette und eines Importeurs um die Domain morrisonsfresh.com fiel dem Schiedsgericht die Entscheidungsfindung schwer: Die Argumente und Beweise der Parteien hielten sich die Waage, weshalb der Beschwerdeführerin die Wiederholung des Verfahrens eingeräumt wurde.

»Wm Morrison Supermarkets PLC« sitzt im Vereinigten Königreich und betreibt eine Supermarktkette mit nahezu 500 Filialen und ist auch im Großhandel aktiv. Allgemein ist das seit 1961 tätige Unternehmen als »Morrisons« bekannt. Mittlerweile hat es über 110.000 Angestellte und macht jährliche Gewinne in Milliardenhöhe. Morrison Supermarkets ist Inhaberin zahlreicher »Morrisons«-Marken, unter anderem einer britischen von 1997 und einer EU-Marke, die 2000 eingetragen wurde. Diese Marken sieht sie durch die Domain morrisonsfresh.com verletzt, welche die Morrisons Fresh Ltd. mit Sitz in Edinburg (UK) im Dezember 2018 registriert hat. Unter der Domain findet man eine Website, auf der Bilder von Früchten und Gemüse zu sehen sind, mit Hinweisen auf Dienstleistungen, die mit Import, Vertrieb und Beschaffung zu tun haben. Morrison Supermarkets glaubt, dass Morrisons Fresh nicht wirklich Waren anbietet: Lieferanten hatten eMails weitergeleitet, in denen Morrisons Fruit nach dem Kauf von Limetten fragt, wobei die angefragten Mengen unrealistisch seien. Morrison Supermarkets beauftragte einen Privatdetektiv, der Bestellungen via eMail und Telefon bei Morrisons Fresh aufgab, auf die diese nicht antwortete. Sie legte schließlich eine Beschwerde bei der City of London Police Intellectual Property Unit ein; der Firmenname von Morrisons Fresh ist zudem Gegenstand einer Beschwerde, die sie beim Company Names Tribunal des zuständigen britischen Amtes eingereicht hat. In einem Brief vom 20. März 2018 forderte Morrison Supermarkets Morrisons Fresh unter anderem auf, die Domain zu übertragen. Morrisons Fresh wies dies zurück.

Schließlich startete Morrison Supermarkets ein UDRP-Verfahren wegen morrisonsfresh.com und beantragte die Übertragung der Domain. Die Gegnerin Morrisons Fresh hielt entgegen, dass mehr als 120 Unternehmen im Vereinigten Königreich den Namen »Morrisons« tragen. Da sie selbst den Namen Morrisons Fresh Ltd. trage, sei der gewählte Domain-Name die logische Konsequenz. Aufgrund dessen sei sie berechtigt, die Domain morrisonsfresh.com zu registrieren und zu nutzen. Sie legte Einfuhrgenehmigungsunterlagen für einen Limettenimport als Nachweis für ein gutgläubiges Warenangebot vor und erklärte, es gäbe keinen Hinweis darauf, dass es wegen der Domain zu irgendwelchen Verwechslungen mit der Beschwerdeführerin gekommen sei. Auch die eMail an den Lieferanten habe keine Verwechslung verursacht. Die Beschwerdeführerin wolle lediglich Kontrolle über die Domain erlangen.

Zum Entscheider in dieser Sache wurde der neuseeländische Biochemiker und Mediator Dr. Clive N.A. Trotman benannt. Der wies in letzter Konsequenz die Beschwerde der Morrison Supermarkets auf Übertragung der Domain morrisonsfresh.com zurück (WIPO Case No. D2019-0645). Die verwirrende Ähnlichkeit von Marke und Domain bestätigte er kurz und knapp, wobei aus seiner Sicht der Zusatz »fresh« in diesem Zusammenhang diese nicht beeinträchtige und die Endung ».com« sowieso außen vor bleibe. Den Schwerpunkt der Prüfung legte er auf die Frage nach einem Recht oder berechtigten Interesse der Gegnerin an der Domain. Für den Nachweis, ein ordentliches Geschäft unter der Domain zu führen, habe die Gegnerin ein Zertifikat des »Companies House« (welches in Großbritannien das Handelsregister führt), eine Zusammenfassung der eigenen Website sowie die Importbestätigung über die Einfuhr von 23.760 kg Limetten aus Brasilien im Dezember 2018 vorgelegt. Die Beschwerdeführerin hingegen habe die eMail der Gegnerin an einen Lieferanten vorgelegt, in dem sie ein Angebot zur Lieferung von wöchentlich zwei ZwölfMeter-Containern Limetten anfragte. Diese eMail habe die Beschwerdeführerin von einem Geschäftspartner weitergereicht bekommen, der erklärte, die angefragte Menge an Limetten sei abwegig groß; schon ein Container wöchentlich sei viel zu viel. Er meine, es sei der Versuch, die Limetten-Anbauer zu betrügen.

Die Selbsteinschätzung der Gegnerin und ihr tatsächliches Geschäft wiesen für Trotman Unstimmigkeiten auf. Schon die Website wirke unprofessionell im Hinblick auf die eigene Selbstdarstellung auf ihr. Wegen schwerer Lesbarkeit der Kopfzeile, zahlreicher toter Links und unpassender Bilder wirkt die Website unvollständig. Die eMail an den Lieferanten strotze vor Tippfehlern. Doch trotz alle dem legte die Gegnerin einen Importbeleg für 23.760 kg Limetten (Citrus latifolia) im Wert von GBP 26.716,– vor, womit sie die Anforderung eines gutgläubigen Angebots von Waren oder Dienstleistungen der UDRP erfülle. Bei seiner Abwägung könne das Panel nur berücksichtigen, was ihm vorliege, und in diesem Fall beruhten die Vorwürfe der Beschwerdeführerin gegen die Gegnerin lediglich auf Vermutungen und Meinungen von einem nicht näher benannten Geschäftspartner. Das reiche nicht aus. Es gäbe keinerlei tatsächlichen Nachweis dafür, dass die Gegnerin irgendetwas Unrechtes gemacht habe. Er könne auch die gegenwärtige Zustimmung des Companies House zum Firmennamen der Gegnerin nicht ignorieren: Der Einwand der Beschwerdeführerin vor dem Schiedsgericht für Unternehmensnamen sei zum jetzigen Zeitpunkt eine Behauptung und erlaube keine Zweifel am Bestand des Firmennamens. Auch sei die Gegnerin letztlich nicht unerreichbar, da sie ja auf die Unterlassungs- und Übertragungsforderung der Beschwerdeführerin reagiert habe. Nach alle dem habe die Beschwerdeführerin die Anforderungen an das zweite Element der UDRP nicht erfüllt, weshalb die Sache hier abgebrochen werden könne, doch wolle er noch auf die Bösgläubigkeit eingehen.

Es sei kein Nachweis erbracht worden, dass die Domain morrisonsfresh.com zum Verkauf gestanden habe, oder dass die Gegnerin die Registrierung der streitigen Domain für die Beschwerdeführerin blockieren oder deren Geschäft zerstören wolle. Auch gäbe es keine Anzeichen dafür, dass Kunden der Parteien die eine mit der anderen verwechseln würden. Demnach deute nichts auf Bösgläubigkeit auf Seiten der Gegnerin hin. Doch wies Trotman abschließend darauf hin, dass der »WIPO Overview 3.0« (Ziffer 4.18) unter bestimmten, sehr begrenzten Umständen vorsieht – etwa wenn ein Gremium festgestellt hat, dass die Beweise in einem Fall fein ausbalanciert sind, und der Ansicht ist, dass es möglich sein könnte, zukünftiges Verhalten der Parteien werfe ein anderes Licht auf die Beurteilung der Böswilligkeit –, dass in einem solchen Falle ein Gremium in seiner Entscheidung festhalten könne, dass bei Erfüllung bestimmter Bedingungen die Annahme einer erneut eingereichten Beschwerde gerechtfertigt sein kann. Dies führte Trotman denn auch aus und erklärte, dass in diesem Falle zukünftige Entwicklungen, wie etwa eine Entscheidung des Schiedsgericht für Unternehmensnamen, neue Beweise oder zukünftige Auseinandersetzungen der Parteien, es rechtfertigten, die Beschwerde erneut zu beantragen. Doch aufgrund der jetzt festgestellten Umstände wies er die Beschwerde zurück.

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