UDRP

Im Streit um airy.com erweist sich die markeninhabende Beschwerdeführerin als Domain-Hijacker

Ein deutsches Unternehmen kaufte die deutsche Marke »AIRY« und wollte die Domain airy.com. Die war ihr aber mit US$ 80.000,– zu teuer, weshalb sie es mit einem UDRP-Verfahren versuchte.

Die deutsche AIRY GreenTech GmbH mit Sitz in Hamburg sieht ihre Rechte an der deutschen Marke »AIRY« durch die Domain airy.com verletzt. Das deutsche Unternehmen, das 2015 die 1998 eingetragene Marke »AIRY« vom vorangegangenen Inhaber übernommen hat, versuchte 2015 und 2017, die Domain airy.com über Domain-Broker zu kaufen, wurde sich aber mit dem damaligen Inhaber, der US$ 80.000,– für die Domain wollte, nicht einig. Er konnte die Domain 2017 erfolgreich für US$ 150.000,– an den aktuellen Inhaber, einen Indonesen, verkaufen. Der erwarb die Domain im Auftrag seines Arbeitgebers, der PT Airy Nest Indonesia, an der die Traveloka Technology Pte. Ltd. Anteile hält. Letztere ist auch Inhaberin zahlreicher indonesischer „AIRY“-Marken, die sie an die Airy Nest seit 2017 lizensiert. Die Domain airy.com leitete von da an auf die Website airyrooms.com der Airy Nest weiter, die unter der Seite Ferienwohnungen und Hotelzimmer vermittelte. Die AIRY GreenTech schrieb im Oktober 2019 eine »cease and desist notice« (eine Unterlassungsaufforderung) an den Privacy-Service, unter dem die Domain für den indonesischen Mitarbeiter der Airy Nest registriert ist. Darauf folgte keine Reaktion, weshalb die AIRY GreenTech bei der WIPO ein UDRP-Verfahren startete. Der Gegner beantragte die Abweisung der Beschwerde und Feststellung von Reverse Domain Name Hijacking. Zum UDRP-Entscheider wurde der schottische Rechtsanwalt Andrew D. S. Lothian bestimmt.

Lothian wies die Beschwerde zurück und stellte ein Reverse Domain Name Hijacking seitens der Beschwerdeführerin fest (WIPO Case No. D2020-1119). Er stellte zunächst fest, dass Marke und Domain identisch sind. Der Einwand des Gegners, die Marke der Beschwerdeführerin sei in ganz anderen Klassen registriert als die, für die die Domain genutzt werde, war für Lothian an der Stelle nicht relevant, aber er wolle darauf später zurückkommen. Die Beschwerde scheiterte bei der Frage nach einem Recht oder berechtigtem Interesse seitens des Gegners, der gerade ein solches bestens belegt habe. Die Aktivitäten der Unternehmensgruppe der Gegenseite ab 2015 stünden völlig im Einklang mit dem Aufbau eines legitimen Geschäfts unter der Marke »AIRY«, das sich auf Reisen und insbesondere auf die Verwaltung von Unterkünften konzentriere. Der Gegner habe gezeigt, dass das Geschäft der Unternehmensgruppe unter den Begriffen »Airy«, »Airy Rooms« und »Airy Indonesia« insbesondere in Social-Media-Kanälen bestens bekannt ist. Es gäbe keine Hinweise darauf, dass der Gegner die Domain nur kaufte, um sie teuer an die Beschwerdeführerin zu verkaufen und dazu den selben Broker nutzte, den beide früher unabhängig voneinander beauftragt hatten. Der Broker hatte von sich aus 2019 die Domain der Beschwerdeführerin nochmals angeboten. Auf die für das UDRP-Verfahren um Klärung bittende Nachfrage des Gegners gab der Broker keine Antwort. Auf die Frage einer Bösgläubigkeit ging Lothian nicht weiter ein, weil bereits durch die vorangegangenen Ausführungen klar war, dass dieses Element der UDRP hier nicht in Betracht komme.

So widmete sich Lothian ausführlich der Frage eines Reverse Domain Name Hijackings. Dabei orientierte er sich daran, was die Beschwerdeführerin wusste, hätte wissen müssen und vernünftigerweise glaubte. Sie konnte nicht wissen, dass der Gegner die Domain für US$ 150.000,– gekauft hatte, dass der Broker später ohne Wissen und Wollen des Gegners handelte und ihr die Domain nochmals anbot. Allerdings musste die Beschwerdeführerin wissen, dass es sich bei dem Wort »airy« um einen allgemeinen und gängigen Begriff handelt, mit zahlreichen unterschiedlichen Bedeutungen. Damit sei die Domain airy.com für viele sehr interessant und die Nachfrage nach ihr groß, was Einfluss auf ihren Preis habe. Die Beschwerdeführerin wusste, dass die Domain 2003 registriert worden war, aber habe sich nicht über ihren Werdegang informiert. Sie scheine angenommen zu haben, dass die Domain sich noch immer in den Händen des ursprünglichen Inhabers befände. Darüber hinaus wusste sie, dass die Marke, die sie 2015 übernommen hatte, bereits 1998 registriert worden war. Die Umstände des Kaufs der Rechte an der Marke und deren Nutzung vor dem Kauf klärte sie aber nicht auf und brachte auch nicht zur Sprache, dass die Domain erst viel später registriert worden war. Unter all diesen Umständen war es Lothian nicht möglich, sich vorzustellen, wie die Beschwerdeführerin vernünftigerweise glauben konnte, nachzuweisen, die Domain ziele auf sie und sei bösgläubig registriert worden. Der Ganze sehe wie ein typisches Beispiel für einen »Plan B-Fall« aus, wenn ein Beschwerdeführer die Domain nicht nach eigenen Preisvorstellungen erwerben kann und sodann auf ein UDRP-Verfahren ausweicht. Das weise direkt auf Reverse Domain Name Hijacking. In der Folge zeigte Lothian auf, dass die Beschwerdeführerin keinerlei Anstalten unternommen hat, die Angelegenheit im Vorfeld des Verfahrens (und währenddessen) für sich aufzuklären. Sie ignorierte den Umstand, dass der Gegner, nachdem der bekannt wurde, über eine eMail-Adresse »@airerooms.com« zu erreichen war. Sie hielt an dem Privacy-Service als Gegner fest. Sie hätte aufgrund der Domain-Weiterleitung auch erkennen können, dass zahlreiche Marken auf die Traveloka Technology Pte. Ltd. registriert sind, und dass diese mit der Betreiberin von airyrooms.com geschäftlich verbunden ist. Die Beschwerdeführerin habe keine ordentliche Recherche betrieben. Und all das wiege schlimmer, da sie sich von einer Anwaltskanzlei habe vertreten lassen. Aus unter anderem diesen Gründen bestätigte sich für Lothian daher das Reverse Domain Name Hijacking der Beschwerdeführerin. In der Folge wies er auch deren Beschwerde ab.

Womöglich hat der gesamte Bohei mit dem UDRP-Verfahren der Beschwerdeführerin nichts gebracht, außer einer wenig rühmlichen Schlappe. Denn die PT Airy Nest Indonesia hat ihr Geschäft inzwischen aufgegeben – wahrscheinlich coronabedingt. Die Domain airy.com ist nicht mehr konnektiert, und auf airyrooms.com stehen Abschiedsworte an die Nutzer und Kunden. Die Domain airy.com dürfte jetzt wieder auf den Markt kommen und möglicherweise zu einem für die Beschwerdeführerin akzeptablen Preis zu haben sein. Vor einigen Jahren war sie noch bereit, US$ 40.000,– für airy.com zu zahlen.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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