Am 22. Januar 2024 registrierte jemand die Domain fritz.box – und es war nicht die AVM Computersysteme Vertriebs GmbH, die die FRITZ!Box herstellt. Die Schlagzeilen schrieben sich im deutschsprachigen Raum von selbst. Nun konnte AVM die Domain in einem UDRP-Verfahren für sich gewinnen. Das WIPO-Panel machte in seiner Entscheidung keinen Unterschied zwischen Domain und NFT, aber dem Registrar schwere Vorwürfe, da der die Kundendaten nicht ordentlich überprüft hatte.
Die AVM Computersysteme Vertriebs GmbH musste Ende Januar 2024 feststellen, dass die Domain fritz.box durch einen Dritten registriert worden war. Die Domain-Endung .box will WEB2 und WEB3 miteinander verknüpfen, so dass eine .box-Domain im WEB2 durch ein NFT im WEB3 in eine Blockchain eingebunden ist. Am 15. Februar startete AVM ein UDRP-Verfahren vor der World Intellectual Property Organization (WIPO), um die Domain fritz.box zu erlangen. Als Beschwerdeführerin trug AVM unter anderem vor, Herstellerin der Internetrouter mit Namen Fritz!Box zu sein und entsprechende EU-Marken »FRITZ!Box« und »FRITZ!« zu halten. Mindestens seit 2004 sei der interne oder private Netzname für den Zugriff auf die Benutzer-/Konfigurationsschnittstelle von ihr hergestellter Internetrouter „fritz.box“. Dieser werde von den Kunden als lokale Netz-IP-Adresse verwendet. Die Netzgeräte seien in dem betreffenden lokalen Netz mit Domain Name System (DNS)-Namen im Feld „[Gerätename].fritz.box“ versehen. Mit Registrierung der Domain fritz.box würden ihre Markenrechte verletzt. Der Inhaber der Domain biete sie auf der NFT-Handelsplattform Opensea zum Preis von 420 ETH (ca. US$ 1 Mio.) an. Man habe die Crypto-Wallet des Gegners identifiziert und konnte so feststellen, dass er auch die Domain o2.box zum Preis von 69 ETH zum Verkauf anbiete. o2 nutze „o2.box“ ihrerseits für eigene interne Router. Bei Registrierung der Domain wurde der Inhaber aufgrund des Eintrags der Marken der Beschwerdeführerin im Trademark Clearinghouse über sie informiert. Der Gegner meldete sich in der Sache nicht. Eingetragen als Inhaber war der Privacy-Service 3DNS Privacy LLC, dessen Kunde sich als »John Doe« bezeichnet hat. Das WIPO-Panel bestand aus drei Fachleuten, dem schottischen Rechtsanwalt Andrew D. S. Lothian als Vorsitzendem und der deutschen Rechtsanwältin Andrea Jaeger-Lenz sowie dem amerikanischen Rechtsanwalt Phillip V. Marano als Beisitzern.
Das Panel bestätigte die Beschwerde und entschied auf Übertragung der Domain (WIPO Case No. D2024-0706). Bei Prüfung der Identität des Gegners kam das Gremium zu dem Ergebnis, dass sowohl der Privacy-Service wie auch der Domain-Inhaber Partei des Verfahrens seien. Die Ähnlichkeit von Marke und Domain wurde schnell bestätigt. Hinsichtlich des fehlenden Rechts oder berechtigten Interesses des Gegners an der Domain sah das Gremium den Anscheinsbeweis der Beschwerdeführerin bestätigt. Der Gegner hätte sich zwar damit einlassen können, dass er Domain-Investor sei und es sich bei »Fritz« um einen allgemeinen Begriff handele, doch das hätte das Panel nicht überzeugt. Die Beschwerdeführerin habe überwältigende Beweise vorgelegt, die mehr als ausreichend seien, um bei Abwägung aller Wahrscheinlichkeiten zu dem Schluss zu kommen, dass der Gegner mit der Domain speziell auf die Marken »FRITZ!« und »FRITZ!BOX« abzielte. Jeder Zweifel an den Absichten des Beschwerdegegners werde durch den Nachweis der Beschwerdeführerin, dass der Gegner auch die Domain o2.box registriert hat, umfassend ausgeräumt. So stellte das Panel das fehlende Recht bzw. rechtliche Interesse des Gegners fest. Die Frage der Bösgläubigkeit des Gegners bestätigte das Panel ebenfalls und verwies auf die weitere Domain wpad.box, die der Gegner ebenfalls registriert hat: alles spreche dafür, dass er mit böswilligen Absichten versucht, die Kunden der Beschwerdeführerin und anderer anzugreifen. Allein der Umstand, dass die Domain fritz.box unmittelbar nach Registrierung zu einem erheblichen Preis zum Verkauf stand, spreche schon für eine bösgläubige Nutzung. Die Höhe des Preises ziele nicht auf einen privaten Käufer, sondern auf die Beschwerdeführerin. Nicht von Belang sei, dass die Domain gleichsam als NFT in einer Blockchain angeboten wurde, denn um Inhaber des NFT zu werden, muss man Inhaber der Domain sein. Beides falle in den Rahmen der UDRP. Letztlich fand das Panel keine vernünftigen entlastenden Faktoren im Zusammenhang mit der Registrierung und Verwendung der strittigen Domain durch den Gegner und bestätigte das Vorliegen der Bösgläubigkeit. Es entschied auf Übertragung der Domain fritz.box auf die Beschwerdeführerin.
Neben der Einschätzung des Panels, dass das Anbieten des NFT zum Verkauf gleichbedeutend mit dem Anbieten der strittigen Domain zum Verkauf ist, und dass dies entweder unter den Wortlaut der UDRP oder unter die allgemeinere Bedeutung der Registrierung und bösgläubigen Verwendung im Sinne der UDRP fällt, waren dessen Ausführungen bei der Feststellung des Gegners von weitreichender Bedeutung. Als Inhaber eingetragen war ein Privacy-Service. Als dessen Auftraggeber und eigentlicher Inhaber war ein »John Doe« (zu Deutsch: »Max Mustermann«) benannt. Dies führte zu scharfer Kritik am verantwortlichen Domain-Registrar, der für das Panel offensichtlich nicht die sich aus dem Vertrag mit ICANN ergebenden Anforderungen an die Überprüfung des Domain-Inhabers erfüllte. Der offensichtlich falsche und fiktive Name war von einer ebenso falschen Adresse und Telefonnummer begleitet. Die angegebene eMail-Adresse sei der einzige Teil der Kontaktdaten des Gegners, der korrekt ist und zu der Person führen könnte, die die Domain registriert hat. Die vom Registrar vorgenommene Überprüfung der Kontaktdaten sei nicht einmal oberflächlich erfolgt. Das deutete für das Panel stark darauf hin, dass die Bemühungen des Registrars, die Einhaltung des entsprechenden Abschnitts des RAA (ICANN 2013 Registrar Accreditation Agreement, Abschnitt 3.7.7.1) sicherzustellen, unzureichend waren, unabhängig davon, ob sie wirtschaftlich angemessen waren oder nicht. Demgemäß bat das Panel die WIPO, diese Entscheidung ICANN vorzulegen, damit ICANN prüfen kann, welche Maßnahmen man im Zusammenhang mit der Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen durch die Registrierstelle oder anderweitig zu ergreifen gedenkt. Dies könnte Folgen für alle Registrare und letztlich auch die Endkunden haben. Je aufwändiger die Überprüfung der Domain-Inhaber wird, desto mehr Kosten sind damit verbunden, die ein Registrar gegebenenfalls an seine Kunden weitergeben muss.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.