UDRP

Ein toxisches Verfahren gegen die Internetdomain tox.com

Ein deutsches Unternehmen mit Marken aus dem letzten Jahrhundert ging gegen den Inhaber einer identischen .com-Domain vor, die erst 2001 registriert wurde. Den Verkauf der Drei-Zeichen-Domain für US$ 24.000,– hatte der Inhaber abgelehnt. Aber eine ältere Marke bietet in Streitbeilegungsverfahren nicht immer das Vorrecht auf die Domain.

Die deutsche Tox Pressotechnik GmbH & Co. KG sieht ihre Rechte durch die Domain tox.com verletzt. Das Unternehmen wurde 1978 gegründet; es ist Inhaberin dreier Wortmarken »TOX«, die in der Zeit zwischen 1988 und 1998 in den USA, Kanada und der EU registriert wurden. Sie wandte sich im Mai 2021 an die Domain-Inhaberin, die britische TFourth LLC, und fragte an, ob die Domain tox.com zum Verkauf stehe. TFourth, ein Domain-Invest-Unternehmen, das die Domain 2001 registriert hatte, erklärte unter anderem, man überlege, ob man die Domain verkaufe; man erwarte einen Preis, der Drei-Zeichen-Domains angemessen sei und zwischen US$ 140.000,– und US$ 1,5 Mio. liege, wie auf dem Markt üblich seit 2019. Tox bot US$ 24.000,– an; eine Einigung erzielten die Parteien nicht und stellten die Kommunikation Anfang 2022 ein. Dann startete Tox ein UDRP-Verfahren vor der WIPO. Als Entscheider wurde ein Dreier-Gremium einberufen, bestehend aus dem US-amerikanischen Juristen W. Scott Blackmer als Vorsitzendem sowie Rechtsanwalt Stefan Abel und Domain-Anwalt Gerald E. Levine als Beisitzer. Die Beschwerdeführerin trägt unter anderem vor, die Gegnerin habe die Domain mit Wissen um die Marken registriert; eine Erlaubnis hatte sie nicht, sie nutze sie auch nicht ordentlich und verlange für sie einen überzogenen Preis. Die Gegnerin hält entgegen, sie kannte weder das Unternehmen noch dessen Marken, als sie die Domain registrierte. Eine Mitarbeiterin bekundet in einer eidesstattlichen Erklärung, man habe als Domain-Investor 2001 zahlreiche vielversprechende Drei-Zeichen-Domains erworben, darunter auch die streitige Domain. »Tox« sei zudem ein gebräuchlicher Begriff, der als Vor- und Nachsilbe in vielen Bereichen auftrete, die mit Giften zu tun haben. Die Pay-Per-Click Werbung, die man gelegentlich unter der Domain geschaltet habe, habe nie etwas mit der Beschwerdeführerin oder deren Mitbewerbern zu tun gehabt, sondern es wurde immer die der Domain innenwohnenden beschreibenden Aspekte beworben. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin käme etwas spät, nachdem die Domain bereits seit 21 Jahren in Händen der Gegnerin sei. Schließlich beantragt die Gegnerin, Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) festzustellen.

Das Dreier-Gremium wies die Beschwerde der Tox Pressotechnik GmbH & Co. KG ab und stellte RDNH fest (WIPO Case No. D2022-3270). Die Identität von Marke und Domain bestätigte das Gremium. Auch sah es, dass die Beschwerdeführerin den Anscheinsbeweis erbracht habe, dass die Gegnerin nicht berechtigt sei, die Domain zu nutzen. Doch diese habe valide Argumente für ihre Berechtigung vorgetragen und belegt. Angefangen damit, dass es sich bei „Tox“ um einen gängigen Begriff handele und die Domain eine wertvolle Drei-Zeichen-Domain ist. Die eidesstattliche Erklärung hinsichtlich des Geschäftsmodells der Gegnerin und der verschiedenen, 2001 registrierten Drei-Zeichen-Domains hatte für das Gremium Hand und Fuß. Die Beschwerdeführerin hingegen habe keine Nachweise dafür vorgelegt, dass die Gegnerin sie und ihre Marken seinerzeit bereits kannte. Damit habe die Beschwerdeführerin die Voraussetzung des 2. Elements des UDRP-Verfahrens nicht erfüllt und die Sache sei eigentlich an dieser Stelle beendet. Da aber die Gegnerin die Feststellung von RDNH beantragt habe, prüfe man auch die Bösgläubigkeit. Hier stelle man fest, dass kein Nachweis für das Wissen um die Marken der Beschwerdeführerin bei der Gegnerin vorliege. Die Marken der Beschwerdeführerin seien 2001 auch nicht bekannt gewesen, und sie seien nicht unterscheidungskräftig. Der Verlauf der Pay-Per-Click Werbung gebe keinen Hinweis darauf, dass die Gegnerin von der Beschwerdeführerin gewusst habe und diese ausnutzte. Die Werbung bezog sich immer auf Werbung, die die wörtliche Bedeutung des Begriffs »Tox« in Anschlag brachte. Letztlich vermochte das Gremium keine Bösgläubigkeit auf Seiten der Gegnerin festzustellen und wies die Beschwerde ab.

Alsdann prüfte es das Vorliegen eines RDNH und bejahte das. Es handele sich bei »Tox« eben um einen Wörterbuchbegriff, den die Gegnerin in der Domain tox.com vor über 21 Jahren registriert habe. Die Beschwerdeführerin konnte nicht nachweisen, dass ihre Marken seinerzeit bekannt waren und so die Gegnerin sie hätte kennen müssen. In ihrer Beschwerde bezog sie sich auf eine frühere UDRP-Entscheidung, brachte aber nicht den notwendigen Vortrag, wie er sich aus dieser Entscheidung ergibt. Letztlich konzentriere sich die Beschwerdeführerin auf den Umstand, dass der Gegner ihr Kaufangebot von US$ 24.000,– nicht akzeptierte, was allerdings bei einer Drei-Zeichen-Domain auch nicht überrasche. So stellte das Gremium fest, dass die Beschwerdeführerin das UDRP-Verfahren in böser Absicht nutzte und bestätigte das RDNH.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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