Die Teilhaber eines frisch gegründeten, schwedischen Unternehmens kamen in Streit. Der CTO sah sich ausgebootet und übertrug die für das Unternehmen registrierten Domains nicht auf dieses. Es startete zwei UDRP-Verfahren, einerseits über zwei .com-Domains und eines über eine .se-Domain. Das Ergebnis war divers.
Die am 08. August 2018 gegründete schwedische Adgrabber AB steht im Zwist mit ihrem ehemaligen CTO (Chief Technical Officer) und Teilhaber Robin Kochauf. Die Adgrabber AB hatte Kochauf im August 2018 beauftragt, die Marke »ADGRABBER« und die Domain adgrabber.com zu registrieren. Die Marke sollte nach Angaben von Adgrabber AB in ihrem Namen angemeldet werden, die Domain sollte der CTO aber auf seinen Namen registrieren und später auf sie übertragen. Kochauf registrierte sowohl die Marke zu Gunsten der Adgrabber AB als auch die Domain adgrabber.com auf sich. Darüber hinaus registrierte er noch die Domains addgrabber.com und adgrabber.se. Über letztere stritten die Parteien in einem gesonderten Verfahren nach der Streitbeilegungsordnung für .se-Domains. Mitte September 2019, so Adgrabber AB, habe man eine Vereinbarung getroffen, dernach klar sei, dass sie Rechteinhaberin an der Marke und der Domain adgrabber.com sei und die Domain auf sie übertragen werde. Gegen Ende September stellte man allerdings fest, dass der CTO nach wie vor die Domain nicht auf das Unternehmen übertragen hatte. Der CTO übertrug die Domain auch weiterhin nicht, und deaktivierte sowohl die Domain selbst als auch die über sie laufenden eMail-Accounts. Darüber hinaus änderte der CTO auch noch die Login-Daten der Social-Media-Accounts der Adgrabber AB. Daraufhin startete die Adgrabber AB ein UDRP-Verfahren bei der WIPO hinsichtlich der Domains adgrabber.com und addgrabber.com. Der Gegner und CTO Kochauf hielt entgegen, die Beschwerdeführerin schulde ihm einen Betrag in Höhe von SEK 2,5 Mio. (ca. EUR 236.770,–), wobei der Betrag nicht den Preis für die Domain addgrabber.com enthalte. Er geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin seinen Unternehmensanteil veruntreut habe. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sei er weiterhin Teilhaber des Unternehmens. In der Vereinbarung der Parteien sei zudem klar geregelt, dass Streitereien der Teilhaber vor den schwedischen Zivilgerichten ausgetragen werden müssen, weshalb ein UDRP-Verfahren gar nicht in Betracht komme. Als Entscheider wurde der schwedische Rechtsanwalt Johan Sjöbeck ausgewählt.
Sjöbeck wies die Beschwerde der Adgrabber AB letztlich zurück, da sie nicht nachweisen konnte, dass der Gegner die Domains bösgläubig registriert hatte (WIPO Case No. D2019-2753). Doch zuvor schaute sich Sjöbeck an, ob hier ein UDRP-Verfahren überhaupt einschlägig ist. Er würdigte das Argument des Gegners, wonach im Vertrag der Teilhaber der Rechtsweg vor den schwedischen Zivilgerichten vorgesehen ist, war aber der Ansicht, indem der Gegner die .com-Domains registriert habe, sei er dem Registrierungsvertrag verpflichtet, der ein UDRP-Verfahren vorsieht. So fuhr Sjöbeck in seiner Prüfung fort und stellte das Vorliegen der Marke und die Identität mit dieser bei der Domain adgrabber.com und die Ähnlichkeit bei der Domain addgrabber.com fest. Weiter zeigte sich, dass die Domains auf Veranlassung der Beschwerdeführerin und deren Geschäfte registriert worden waren und sie ihr nach einer gewissen Zeit übertragen werden sollten. Der Gegner habe nichts vorgetragen, woraus sich ergibt, dass er ein Recht oder berechtigtes Interesse an den Domains hat. Er habe auch deren Nutzung nicht weiter geplant und sei unter den Domain-Namen nicht bekannt. Zudem habe er für die Übertragung der Domain adgrabber.com den Betrag von SEK 2,5 Mio. verlangt. Das spreche dagegen, dass er die Absicht habe, die Domains in Verbindung mit einem gutgläubigen Waren- oder Dienstleistungsangebot oder in einer legitimen, nichtgewerblichen oder fairen Weise ohne Absicht zur Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils, zur Irreleitung von Konsumenten oder zur Beeinträchtigung der Marke zu nutzen. Damit war für Sjöbeck das 2. Element der UDRP bestätigt, so dass er mit der Prüfung der Bösgläubigkeit auf Seiten des Gegners fortfahren konnte. Hier nun stellte er allerdings fest, dass die Registrierung der Domains im Auftrag und im Einverständnis der Beschwerdeführerin erfolgte. Zudem zeige sich kein klarer Beweis dafür, dass zum Zeitpunkt der Registrierung zwischen den Parteien vereinbart war, dass die Domains später auf die Beschwerdeführerin übertragen werden sollten. Erst im Teilhabervertrag vom Juni 2019 sei die Rede von Domain-Übertragung. Damit war nach Sjöbecks Ansicht die Beschwerdeführerin den Nachweis schuldig geblieben, dass die Registrierung bösgläubig erfolgte. In der Folge spreche das Verhalten des Gegners aber dafür, dass die Nutzung der Domains bösgläubig sei. Nichtsdestotrotz konnte die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des 3. Elements der UDRP nicht voll erfüllen, und Sjöbeck musste die Beschwerde zurückweisen.
Parallel dazu führten die Parteien auch ein „UDRP“-Verfahren nach den Regeln für die schwedische Endung .se (Internetstiftelsens alternativa tvistlösningsförfarande, ATF) über die Domain adgrabber.se (WIPO Ärendenummer: DSE2019-0044), bei dem Sjöbeck ebenfalls Entscheider war. Hier war die Beschwerde erfolgreich, und Sjöbeck entschied auf Übertragung der Domain auf die Beschwerdeführerin. Hintergrund dafür ist der feine kleine Unterschied, dass bei der Frage nach der Bösgläubigkeit unter der ATF diese nicht, wie bei der UDRP, bei Registrierung »und« Nutzung gegeben sein muss, sondern lediglich bei Registrierung »oder« Nutzung. Dass die Nutzung der .com-Domains bösgläubig war, hatte Sjöbeck im UDRP-Verfahren festgestellt. Soweit wir die schwedisch gehaltene Entscheidung über die Domain adgrabber.se verstehen und nachvollziehen können, bestätigte sich das böswillige Nutzen auch bei der schwedischen Domain adgrabber.se.
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