Die Position von Domain-Investoren in UDRP-Verfahren ist nach wie vor nicht optimal. Nat Cohan, ein erfahrener Domain-Investor, hatte Gelegenheit bei einem WIPO-Workshop Panelisten die Position von Investoren zu verdeutlichen, um diese besser von Cybersquattern unterscheiden zu können.
Cohan ist nicht nur Domain-Investor, sondern auch Vorstandsmitglied bei der Internet Commerce Association (ICA) und Mitglied von ICANNs Business Constituency. Er hat bereits über 20 UDRP-Verfahren über sich ergehen lassen und blickt so auf eine gewisse Erfahrung zurück. Die nutzte er, um im Rahmen eines Vortrags bei einem WIPO-Workshop am 12. Oktober 2022 Panelisten Hilfestellung bei der Beurteilung von Domain-Streitigkeiten zu geben. Den Vortrag hat er nun bei circleid.com veröffentlicht. Darin geht es darum, den »Spürsinn« der UDRP-Panelisten zu verbessern, wenn es darum geht, zwischen Domain-Investoren und Cybersquattern zu unterscheiden. Das Recht eines Registranten auf seinen Domain-Namen hängt oft nur davon ab, ob ein bestimmter Panelist an den Beweisen schnuppert und den Geruch nicht mag. Die Unterscheidung zwischen Domain-Investor und Cybersquatter stelle für Panelisten eine Herausforderung dar. Manchmal versuchen beide, Domains, die bestehenden Marken ähneln, mit Gewinn zu verkaufen. Die UDRP gibt wenig Hilfestellung, zwischen Cybersquattern und Domain-Investoren zu unterscheiden. In § 4 (b)(i) verbietet die UDRP, eine Domain in erster Linie zu dem Zweck zu registrieren, um sie an einen Markeninhaber mit Gewinn zu verkaufen. Dieses Kriterium ist allerdings recht vage und unterliegt einer subjektiven Beurteilung. WIPOs Overview 3.0 bietet bei der Beurteilung ebenfalls wenig Hilfe, wenn dort Sektion 2.1 festhält, dass für Investoren attraktive Domains Akronymen, Wörterbuchbegriffen oder gängige Phrasen entsprechen. Das fasst das Feld attraktiver Domain-Namen viel zu eng.
Cohan macht deutlich, dass Domain-Investoren mit Domain-Namen, die unabhängig von der Verwendung einer Marke eine eigene Anziehungskraft und damit einen eigenen Wert haben, handeln. Ein Cybersquatter hingegen registriert eine Domain nur deshalb, weil der Domain-Name einer bestimmten Marke ähnlich ist, um einen Teil des vom Markeninhaber geschaffenen Wertes abzuschöpfen. Ein Kollege habe zum Beispiel die nicht in die „Definition“ des Overview 3.0 passenden, für ihn aber attraktiven Domains manvy.com und qeido.com registriert, die er Jahre später sehr erfolgreich an Start-Ups verkaufen konnte. Wenn man bedenkt, dass etwa 10 Mio. Domains als Investment registriert gehalten werden, deren Mehrheit irgendwelche erfundene Silbenzusammensetzungen sind und eben gerade nicht Akronyme oder normale Wörter, wird deutlich, dass die Idee im Overview 3.0 davon, wie Investorendomains aussehen, nur in seltenen Fällen greift. Weiter klärt Cohan über die Preiskalkulation von Investoren auf, die oft für Panelisten nicht nachvollziehbar ist. So kalkuliere ein Investor beim Kauf einer Domain für US$ 1.000,– einen Wiederverkaufswert von zwischen US$ 5.000,– bis zu US$ 20.000,–. Mitberücksichtigt ist dabei, dass ein Domain-Portfolio von einigen tausend Domains im besten Falle zwei Prozent Domains jährlich umsetzt. Ein solches Portfolio muss verwaltet, die Domain-Registrierungsgebühren müssen gezahlt werden, es müssen neue, lukrativ erscheinende Domains registriert, gekauft oder ersteigert werden, für Einkünfte müssen Steuern entrichtet werden und der Investor muss davon auch noch leben können.
Panelisten verlangen zudem von Domain-Investoren, alle möglichen Markendatenbanken abzurufen und zu prüfen, ob Markenrechtsverletzungen vorliegen. Statt dieser geforderten Anstrengungen konstatieren sie allerdings, dass Investoren Domains in »vorsätzlicher Blindheit« registrieren, die einen bequemen Ersatz für klares Denken darstelle. Damit übergehen sie allerdings die Komplexität des ihnen eigentlich wohlbekannten Markenrechts: Markenrechte sind begrenzt, einerseits in ihrem Schutzbereich, den Klassen, und aber auch geographisch. Nur weil ein kleines Unternehmen irgendwo einen Landesmarkeneintrag für einen nicht unterscheidungskräftigen und herkunftsorientierten Begriff hat, bedeutet nicht, dass es Inhaber eines weltweiten Monopols auf den geschützten Begriff ist. Cohan führt seine Erfahrungen und Gedanken weiter und stellt unter anderem Fest:
»The Policy was not developed with domain name investors in mind, the guidance applicable to domain name investors is vague and subjective, and the factually intensive disputes between two parties claiming a legitimate interest in the domain name are not well suited to such an abbreviated procedure.«
Die Aufgabe für Panelisten sei deshalb schwierig. Um gerechte Entscheidungen zu erzielen, müssen sie besonnen und mit Umsicht vorgehen.