Im Streit um die Domain fordirect.com zwischen dem Autokonzern Ford und einem Tschechen kam es zu keiner ordentlichen Entscheidung wegen interner Querelen des mit drei Fachleuten besetzen WIPO-Panels.
Die US-amerikanische Ford Motor Company ging wegen der Domain fordirect.com gegen deren Inhaber, Radio plus, spol.s r.o., im Rahmen eines UDRP-Verfahrens vor der WIPO vor. Ford konnte dabei auf seine Gründung 1903 und zahlreiche Marken zurückgreifen, darunter »FORD«, »FORD PROTECT«, »FORDDIRECT« und die Domain forddirect.com. Die Domain fordirect.com wurde 2001 registriert und von einem autorisierten Autoverkäufer, Burd Ford, in Indiana (USA) genutzt, bis dieser 2012 pleite ging und die Domain nicht verlängert wurde. Der Gegner registrierte die Domain im März 2013. Über die Nutzung der Domain streiten die Parteien, jedenfalls aber steht sie zum Verkauf. Der Gegner kapriziert sich darauf, dass es sich nicht um eine Vertipper-Domain handelt, sondern sie für die millionenfach genutzte Phrase »For Direct« genutzt werde, und zwar noch bevor Ford seine Domain forddirect.com selbst seit März 2014 wirklich nutzt. Beide Parteien gaben weitere Stellungnahmen ein.
Das Dreier-Panel bestehend aus der spanischen Rechtsanwältin Reyes Campello Estebaranz als Vorsitzender sowie Sandra J. Franklin und The Hon Neil Anthony Brown KC konnte sich nicht einigen und wies die Beschwerde – ohne Präjudiz für die Beschwerdeführerin – zurück (WIPO Case No. D2022-0954). Die Mehrheit des Panels, bestehen aus Franklin und Brown KC, verfasste ihre Meinung zur Sache, sandte sie an die Vorsitzende und veröffentlichte sie als Teil der Entscheidung. Danach sahen sie keine vernünftige Möglichkeit, die Entscheidung aufgrund der von der Vorsitzenden vorgelegten Entwürfe der Entscheidung zu entscheiden. Die Vorsitzende hatte gleich zwei Entwürfe der Entscheidung vorgelegt, die »Final Version« vom 06.06.2022 und das »Final Draft« vom 09.06.2022. Für die »Final Version« habe die Vorsitzende reichlich Recherchen im Internet angestellt und diese so in den Entscheidungstext eingearbeitet, dass beides nicht mehr auseinanderdividiert werden könne. Das »Final Draft« baue auf die »Final Version« auf, sei quasi eine überarbeitete Fassung und eben deshalb auch unbrauchbar. Das eigentliche Problem sei dabei nicht, dass die Vorsitzende eigene Recherchen angestellt und eingearbeitet habe, das sei von Seiten der UDRP und des Overview 3.0 gedeckt. Vielmehr habe sie den Parteien keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu diesen Recherchen gewährt, was aber Voraussetzung gewesen wäre, um sie für die Entscheidungsgründe zu nutzen. Letztlich lief es darauf hinaus, dass die Vorsitzende bei ihrer Recherche parteiisch agierte, indem die so herangezogenen Nachweise sich gegen den Gegner richteten:
»all of it was directed at the Respondent alone and was used to deny the Response and enable the Complainant to prevail in the proceeding.«Die Mehrheit resümiert, da die »Final Version« aufgrund ihres mangelhaften Entstehungsprozesses nicht bestehen bleiben könne, und sie als Grundlage des »Final Draft« diene, wäre es nicht rechtens, das bereinigte »Final Draft« als Entscheidungsbegründung heranzuziehen. Damit werde man beiden Parteien gerecht und der Integrität des UDRP-Prozesses, der frei von jeglichem Makel eines mangelhaften Verfahrens oder eines Fehlers in einem ordentlichen Prozess bleiben müsse. Brown geht bei der Begründung für diesen Umgang mit dem Gegebenheiten ausführlich in die Tiefe. Franklin schloss sich seinen Ausführungen mit der Erklärung an:
»After the Presiding Panelist presented the Panel with several draft decisions containing her extensive research, the undersigned stated more than once the firm opinion that it was unnecessary and incorrect to conduct that level of private research, effectively adding to one party’s case for them.«
Estebaranz ihrerseits rechtfertigt ihr Vorgehen auf zwei weiteren Seiten und macht darin deutlich, dass sie für jede ihrer Recherchen Anknüpfungspunkte in den Vorträgen der Parteien vorweisen kann, die diese rechtfertigten. Das allerdings reichte nicht, da sie bereits durch die Mehrheit des Panels überstimmt war. So entschied diese, die Beschwerde werde abgewiesen, und die Domain fordirect.com verbleibt beim Gegner. Der Beschwerdeführerin wurde freigestellt, eine neue Beschwerde einzureichen und zuzustellen, so dass ein neues Panel gebildet werden könne, dem kein an diesem Verfahren beteiligter Prüfer angehört.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.