Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Australian Broadcasting Corporation (ABC) ging gegen den kanadischen Inhaber der Domain abc.net vor, nachdem der sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er an sie gerichtete eMails erhalte. Ihren Vorwurf, sie sei seit dem Jahr 1995 in Kanada unter dem Kürzel »ABC« bekannt und der Gegner habe die Domain gezielt deswegen registriert, vermochte sie aber mit Belegen aus Zeitungen und Zeitschriften aus der Zeit nicht genug zu stützen.
Die Australian Broadcasting Corporation (ABC) sah ihre Markenrechte durch die Domain abc.net verletzt und reichte eine Beschwerde nach der UDRP bei der World Intellectual Property Organization (WIPO) ein. ABC sendet seit 1932 via Radio, seit 1956 via Fernsehen und seit August 1995 online über die Adresse abc.net.au. »ABC« habe sie von Anbeginn als Marke für ihre Sendedienstleistung genutzt; im August 1994 erfolgte die Eintragung der Marken »ABC SHOP« und »ABC CENTRE«, im Juni 2013 die der Marke »ABC« in das australische Markenregister. 1995, als ABC die australische Domain registrierte, hatte man 26 der eigenen Fernsehsendungen nach Kanada lizensiert. Über einzelne Fernsehserien wurde seinerzeit in den Zeitungen und Zeitschriften Kanadas berichtet, dabei wurde die Beschwerdeführerin aber nie als »ABC« tituliert, sondern immer als »Australian Broadcasting Corporation«; als »ABC« wurde dort immer nur die »American Broadcast Company« bezeichnet.
Gegner ist der Kanadier Hussein Elburai, der von 1994 bis 1998 bei einem Internetservice-Provider arbeitete und alleine für die Registrierung von Domains zuständig war. Er registrierte die Domain abc.net im Juni 1995 und plante, darunter eine Netzwerk-Dienstleistung anzubieten, die er 1999 an den Start brachte. Für abc.net hatte er sich entschieden, da der Domain-Name generisch, kurz und leicht merkbar sei und auf „leicht wie ABC“ hinweist. Für die Endung .net habe er sich entschieden, da diese Endung für Internet und Netzwerk stehe. Während seiner Tätigkeit für den Internetservice-Provider habe er sich fortbilden lassen zu einem Netzwerk-System-Ingenieur. 1998 wurde die Unternehmung, für die er arbeitete, aufgekauft; er gründete daraufhin die Unternehmung »ABC Computer Networks Inc« (»ABCCN«) und startete 1999 sein Angebot unter abc.net. Im Juni 2017 stellte er fest, dass einige an die Beschwerdeführerin gerichtete eMails an ihn gingen. Er informierte die Beschwerdeführerin darüber, die sich dafür bedankte. Im Dezember 2017 wies er die Beschwerdeführerin nochmals darauf hin. Im Rahmen der Korrespondenz wies er zudem darauf hin, dass die Domain zum Verkauf stehe und ein Käufer mit demselben Problem fehlgeleiteter eMails konfrontiert wäre. Im September 2018 erhielt er ein Kaufangebot der Beschwerdeführerin für die Domain abc.net über US$ 8.000,–, welches er zurückwies. Im Mai 2019 schließlich startete die Beschwerdeführerin das UDRP-Verfahren. Zur Entscheidung wurde der Chicagoer Rechtsanwalt und Politikwissenschaftler Robert A. Badgley berufen.
Badgley arbeitete den Sachverhalt gründlich auf, um sich dann bei der Begründung seiner abweisenden Entscheidung kurz zu fassen (WIPO-Case No. D2019-1181). Identität von Marke und Domain stellte Badgley in zwei Sätzen fest. Für die Frage von Rechten oder berechtigten Interessen auf Seiten des Gegners reichte Badgley ein Satz, indem er auf die Prüfung der Bösgläubigkeit verwies. Bei der sah er wenig bis gar nichts, was eine Grundlage für die Schlußfolgerung bot, der Gegner habe die Marke »ABC« der Beschwerdeführerin im Sinn gehabt, als er seine Domain registrierte. Es sei bekannt, dass die Welt voll von Unternehmen sei, die den Namen oder die Marke »ABC« nutzen. Und es bedürfe mehr als den Umstand, Inhaber der Marke auf einem Kontinent zu sein, um zu belegen, dass auf diese Marke gezielt worden sei. Hier habe der Gegner geradeheraus verneint, die Beschwerdeführerin oder ihre Marke gekannt zu haben, und angesichts des Vortrags des Gegners sei das plausibel. Damit scheiterte die Frage der Bösgläubigkeit bereits im Hinblick auf deren Vorhandensein zum Zeitpunkt der Domain-Registrierung.
Dies geklärt, prüfte Badgley von sich aus noch die Frage eines Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) von Seiten der Beschwerdeführerin. Dies liege hier sehr nahe, aber er stellte es letztlich nicht fest. Einige Faktoren deuteten darauf hin, dass die Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht ganz hoffnungslos war, wie etwa das Medienecho in den 90ern in Kanada. Auch gab es gewisse Überschneidungen der Dienstleistungen zwischen den Parteien. Zudem kontaktierte der Gegner die Beschwerdeführerin, nachdem er sich dazu entschieden hatte, die Domain zu verkaufen. Diese Punkte könnten falsch ausgelegt werden. Tatsächlich kontaktierte der Gegner die Beschwerdeführerin wegen eines Sicherheitproblems auf ihrer Seite. Badgley fasste zusammen, es handele sich eher um einen Fall fehlerhafter Einschätzung der Nuancen dieser Angelegenheit als den gezielten Versuch, einem unschuldigen und kleineren Beteiligten rechtswidrig seinen Domain-Namen zu entreißen. Schließlich sei die sachliche Darstellung der Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht falsch. Sie sei – wie zu erwarten – in ihrem Licht erzählt, offensichtliche Auslassungen seien ihr jedenfalls nicht vorzuwerfen. Falsche Angaben oder fehlleitende Auslassungen sind nicht notwendige Voraussetzungen für eine RDNH-Entscheidung, doch könne deren Abwesenheit das ihre in die Waagschale bringen, wenn ein Reverse Domain Name Hijacking naheliegt. Hier wogen sie zugunsten der Beschwerdeführerin. Badgley wies somit die Beschwerde zurück, entschied aber auch nicht auf ein Reverse Domain Name Hijacking.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.