UDRP

Billige Tricks im Streit um cheapstuff.com

Das kalifornische Unternehmen Cheapstuff Inc. verlor seine Domain cheapstuff.com, die im Rahmen einer Drop-Auktion der indischen NG9 Communications für ein Gebot von US$ 3.687,– zugeschlagen wurde. Dadurch sah Cheapstuff seine Rechte verletzt, nicht zuletzt, nachdem die neue Inhaberin US$ 150.000,– für diese Domain haben wollte. Ein UDRP-Verfahren sorgte für Klarheit.

Die in Kalifornien (USA) sitzende Cheapstuff Inc. sah ihre Rechte durch die Domain cheapstuff.com verletzt. Deren Inhaberin war sie bis Januar 2020. Dann ging sie aus ihr unerklärlichen Gründen in die Hände der Gegnerin über, dem indischen Unternehmen NG9 Communications. Die Beschwerdeführerin wandte sich deshalb an die WIPO und beantragte die (Rück-)Übertragung der Domain cheapstuff.com. Sie trug vor, man sei ein 20 Jahre altes Unternehmen, das via Internet rabattierte Waren verkaufe und Markenrechte am Begriff »cheap stuff« erlangt habe. Ihr eigener Registrar habe nicht erklären können, wieso die Domain, deren Inhaberin man seit 1997 sei, verloren gehen konnte, aber man habe für die aktuelle Registrierungsperiode bezahlt. Als Beleg legte die Beschwerdeführerin eine Rechnung vor, die auf den 22. April 2020 datiert. Am selben Tag habe man die Gegnerin angemailt und ihr den Fehler des Registrars erklärt. Am 17. Mai 2020 habe diese geantwortet und erklärt, für US$ 150.000,- könne sie die Domain erwerben, was für die Bösgläubigkeit der Gegnerin spreche. Die Gegnerin, die sich vom Domainer-Anwalt John Berryhill vertreten ließ, hielt dem entgegen, dass die Beschwerdeführerin allenfalls 2008 gegründet worden sei, jedoch mittlerweile nicht mehr existiere, weil sie wegen versäumter Steuerzahlungen aus dem kalifornischen Unternehmensregister gestrichen wurde. Die Domain war vor 2008 auf verschiedene Dritte registriert, nicht aber auf die Beschwerdeführerin. Der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Screenshot, der ihr aktuelles Tätigsein wiedergeben solle, sei 10 Jahre alt: er verweise auf Rabattwaren wie Fernseher von 2009 auf buy.com, eine Domain, die 2010 der japanische Anbieter Rakuten gekauft hat. Die Domain cheapstuff.com habe man anlässlich einer Domain-Auktion am 08. März 2020 für US$ 3.687,– ersteigert. Die vermeintliche Marke »cheap stuff« sei nicht eingetragen und bestehe aus zwei allgemeinen Begriffen, die zusammen eine allgemeine Floskel bilden. Die Beschwerdeführerin sei als Cybersquatter bekannt, der Malware anbietet, und ihr Leiter sei an mehreren UDRP-Verfahren beteiligt gewesen. Eine eMail der Beschwerdeführerin habe man nie erhalten und demgemäß auch nicht mit einem Verkaufsangebot in Höhe von US$ 150.000,– geantwortet; die Antwort-eMail sei gefälscht. Die Beschwerdeführerin missbrauche daher das UDRP-Verfahren, es liege ein Fall von Reverse Domain Name Hijacking vor. Zum Entscheider wurde der australische Rechtsanwalt John Swinson bestimmt.

Swinson wies die Beschwerde der Cheapstuff Inc. zurück und gab dem Antrag auf Reverse Domain Name Hijacking statt (WIPO Case No. D2020-1354). Doch zunächst warf Swinson prozessuale Fragen auf. So, ob die Beschwerdeführerin überhaupt verfahrensfähig ist, da sie eigentlich nicht mehr existiere. Dem widmete er sich bei der Frage nach einem bestehenden Markenrecht. Weiter stellte sich die Frage, ob der Domain-Registrar im Rahmen des UDRP-Verfahrens als Gegner zu adressieren sei. Die Gegnerin hatte vorgetragen, dass sie alleine Inhaberin der Domain sei und nicht auch der Registrar. Dem stimmte Swinson zu: ob die Beschwerdeführerin einen Handelsstreit mit dem Registrar hat, sei nicht relevant für die Frage, wer der richtige Gegner des UDRP-Verfahrens ist. Der Beschwerdeführerin bleibe es unbenommen, den korrekten Rechtsweg gegen den Registrar zu beschreiten. Der Registrar sei jedenfalls nicht Partei des UDRP-Verfahrens. Die Beschwerdeführerin und die Gegnerin hatten zudem zahlreiche zusätzliche Einlassungen eingereicht, die Swinson nach Prüfung zuließ, von denen er jedoch erklärte, sie hätten kaum Einfluss auf das Verfahren gehabt.

In der Sache stellte Swinson alsdann fest, dass die Beschwerdeführerin keine Nachweise dafür erbracht habe, dass sie Markeninhaberin sei. Sie verlasse sich bei der Marke alleine auf ein Gewohnheitsrecht, doch für den Nachweis dieses Rechts gebe es keinen brauchbaren Vortrag, wie Angaben zum Umsatz und sonstige Zahlen, Marketingmaterial und so weiter. Die Domain bestehe aus zwei allgemeinen Begriffen, die zusammen keinen willkürlichen oder unterscheidbaren Begriff bilden. Swinson hatte sich zudem Ausdrucke der Website des »California Secretary of State« genau angeschaut und daraus entnommen, dass der Beschwerdeführerin jegliche Befugnisse, Rechte oder Privilegien, einschließlich des Rechts, den Namen der Entität zu verwenden, entzogen worden seien. Damit sei die Beschwerdeführerin auch nicht berechtigt, sich auf ein Gewohnheitsrecht aus dem Begriff „Cheap Stuff“ zu berufen. Daraus ergäbe sich auch, dass sie gar nicht berechtigt sei, dieses Verfahren zu führen, was er aber jetzt nicht heranziehen müsse, um zum eigentlichen Ergebnis des Verfahrens zu kommen. Jedenfalls läge schon kein Markenrecht vor, womit das erste Element der UDRP nicht erfüllt sei.

Swinson ging weiter und bestätigte, die Gegnerin habe belegt, als Internetentwicklerin die Domain im Rahmen einer Auktion zu einem Preis von US$ 3.687,– zu gutgläubiger Nutzung und nicht wegen der Beschwerdeführerin ersteigert zu haben, die ihrerseits keine Markenrechte für sich in Anspruch nehmen könne. Er schloss, dass die Gegnerin Rechte und ein berechtigtes Interesse an der Domain cheapstuff.com habe. Bei Prüfung der Bösgläubigkeit bescheinigte Swinson dem Vortrag der Beschwerdeführerin ernsthafte faktische Unstimmigkeiten. Sie beziehe sich auf zwei Punkte, die auf die Bösgläubigkeit der Gegnerin verweise: das passive Halten der Domain cheapstuff.com, und dass sie US$ 150.000,– für sie verlange. Da die Gegnerin die Domain aber erst kürzlich erworben hat, gäbe das erste Argument keinen Anhaltspunkt für die Bösgläubigkeit. Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Verkaufsangebot für US$ 150.000,– erfolgte nach eigenem Vortrag auf ihre eigene Anfrage. Allein das spreche schon gegen Bösgläubigkeit bei der Gegnerin. Hinzu komme aber, dass bei näherer Untersuchung der eMail klar werde, dass diese gar nicht von der Gegnerin stamme. Alles spreche dagegen, dass die Gegnerin die Domain ersteigert habe, um sie an die Beschwerdeführerin zu veräußern. Ein Fall von Bösgläubigkeit sei nicht gegeben. Abschließend bestätigte Swinson noch das Reverse Domain Name Hijacking seitens der Beschwerdeführerin, weil ihr Vortrag die Wahrheit missachte, und falsche Behauptungen und Beweise aufweise, die das Panel fehlleiten sollten. Als Beispiel bezog sich Swinson auf die Behauptung, wonach die Beschwerdeführerin die Registrierungsgebühr für die Domain gezahlt habe, aber die Domain wegen eines Fehlers des Registrars nicht verlängert worden sei. Die in diesem Zusammenhang vorgelegte Rechnung des Registrars sei auf einen Zeitpunkt ausgestellt, zu dem sich die Domain bereits in Händen der Gegnerin befand.

Die Schönheit dieser Entscheidung liegt im Irrsinn des Sachverhalts, in den kruden Behauptungen der Beschwerdeführerin und der Auflösung dieser durch Fakten und Belege durch die Gegnerin. Neu für uns war, dass der Panelist hier klar den Domain-Registrar aus dem Schussfeld nimmt. Üblicherweise steht der auch nie dort, sondern allenfalls ein – oft vom Registrar angebotener – Privacy-Service, der allerdings nur solange relevant ist, bis der eigentliche Domain-Inhaber offenbart ist. Zu guter Letzt winkte Swinson noch mit dem Scheunentor, indem er erklärte, dass mit diesem Verfahren die Zuständigkeit des UDRP-Panels ende, aber der Gegnerin die Möglichkeit offen stehe, die Vertreter der Beschwerdeführerin vor den zuständigen Behörden, sei es die Anwaltskammer oder andere, zu melden.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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