UDRP

Beschwerdeverfahren ohne markenrechtliche Bodenhaftung beim Streit um terravita.shop

Im Streit um die Domain terravita.shop konnte der WIPO-Entscheider Jeremy Speres kurzen Prozess zugunsten des Domain-Inhabers machen, da der Beschwerdeführer keine überzeugenden Argumente auf seiner Seite hatte.

Die Laboratoire Terravita aus Frankreich produziert und verkauft seit fünfzehn Jahren Nahrungsmittelergänzungen, die sie unter anderem über ihre Website terravita.fr vertreibt. Sie ist Inhaber einer Marke »TERRAVITA« und sieht ihre Rechte durch die Domain terravita.shop verletzt. Deren Inhaber ist Sasha Antanasov, Terra Vita aus der Schweiz, der die Domain terravita.shop am 20. Juni 2023 registrierte. Sie leitet derzeit auf eine Parkingsite bei Shopify. Laboratoire Terravita startete ein UDRP-Verfahren vor der WIPO und macht geltend, dass deren Marke und die Domain identisch sind, der Gegner keine Rechte oder ein berechtigtes Interesse an der Domain und die Absicht hat, mit der Domain Laboratoire Terravita um ihre Kunden zu bringen. Außerdem sei er bösgläubig, da er die Domain passiv halte. Der Gegner meldete sich nicht zum Verfahren. Als Entscheider wurde der südafrikanische Rechtsanwalt Jeremy Speres berufen.

Speres machte hier kurzen Prozess (die Entscheidung ist lediglich drei Seiten lang) und wies die Beschwerde der Laboratoire Terravita ab, da sie ihn nicht überzeugen konnte, dass der Gegner es bei der Domain-Registrierung auf sie abgesehen hatte (WIPO Case No. D2023-313). Die Identität von Domain und Marke stellt Speres in einem Satz fest. Die Frage von der Berechtigung des Gegners an der Domain ließ er kurzerhand bei Seite. Speres widmete sich dann der Frage, ob hier Bösgläubigkeit Seitens des Gegners vorliege, weil er die Domain nicht für eine aktive Website nutzt. Geregelt ist dieser Fall im WIPO Overview 3.0 unter Ziffer 3.3. Danach hängt ein solcher Fall davon ab, (i) welchen Grad der Unterscheidungskraft oder der Bekanntheit die Marke des Beschwerdeführers hat, (ii) das Versäumnis des Gegners, eine Antwort einzureichen oder Beweise für eine tatsächliche oder beabsichtigte gutgläubige Benutzung vorzulegen, (iii) die Verschleierung der Identität des Gegners oder die Verwendung falscher Kontaktdaten (was als Verstoß gegen seine Registrierungsvereinbarung angesehen wird) und (iv) die Unwahrscheinlichkeit einer gutgläubigen Nutzung der Domain. Für Speres war klar, dass lediglich (ii) zugunsten des Beschwerdeführers vorliege. Alle anderen Voraussetzungen stünden nicht zu seinen Gunsten, und Voraussetzung (iii) sei nicht erfüllt.

Speres stellte in einer Internetsuche fest, dass viele den Begriff »terravita« nutzen und als Marke registriert haben, inklusive Unternehmen, die ihre eigenen Nahrungsergänzungsmittel und Ähnliches darunter vertreiben. Das gilt weltweit, aber gerade auch für die Schweiz, in der der Gegner seinen Sitz hat. So findet man unter anderem einen indischen Anbieter unter terravita.in, einen US-amerikanischen Anbieter von Gesundheitstees und Nahrungsmittelergänzung, einen Golfclub in Arizona (USA) unter terravita.com, einen spanischen Landschaftsgestalter unter terravita.eu. Bei der Internetsuche stellte Speres auch fest, dass die Beschwerdeführerin auf den ersten Ergebnisseiten gar nicht zu finden ist. Führte man eine solche Internetsuche in der Schweiz aus, so fände man auf den ersten Seiten nichts, was in Verbindung mit dem Beschwerdeführer stehe. Speres zeigte sich aufgrund dessen nicht davon überzeugt, dass die vorliegenden Beweise bei Abwägung aller Wahrscheinlichkeiten die gezielte Ansprache des Beschwerdeführers durch den Gegner belegen. Auf der Parkingsite bei Shopify deute nichts darauf hin, dass gezielt der Beschwerdeführer angesprochen werde. Die Site adressiere weder die Branche, in der der Beschwerdeführer sich bewegt, noch sonst irgendeine Branche. Außerdem seien für die Domain keine Mail-Server (MX) eingetragen, womit auch ein eMail-basierter Betrug auszuschließen sei. Die Voraussetzungen (i) und (iv) der Regeln für passives Halten einer Domain sprächen gegen den Beschwerdeführer. In Anbetracht der Tatsache, dass es dem Beschwerdeführer obliege, seinen Fall unabhängig von der Säumnis des Gegners zu beweisen, so Speres, stelle er fest, dass es keine ausreichenden Beweise für eine böswillige Nutzung zuungunsten des Beschwerdeführers gibt. Damit lag eine Bösgläubigkeit auf Seiten des Gegners nicht vor und Speres wies die Beschwerde ab.

Speres zeigt in dieser Entscheidung, dass die selbständige Informationsbeschaffung zu einer besseren Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen kann. Die selbständige Informationsbeschaffung im UDRP-Verfahren durch das Panel ist umstritten. Doch ist es zugleich gängige Praxis. Teilweise wird sie Entscheidern empfohlen und diese machen davon Gebrauch. Eine eigene Recherche empfiehlt sich, wenn die Parteien nicht genügend vortragen. Der Beschwerdeführer hat hier keine näheren Angaben zum Stand seiner Marke gemacht. Da der Gegner sich nicht gemeldet hat, um den Sachverhalt zu klären, war es angemessen, sich selbst zu informieren, um die Sache angemessen würdigen zu können. Für Speres wurde deutlich, dass die Marke des Beschwerdeführers kein besonderes Gewicht hat und nichts dafür sprach, das der Gegner den Beschwerdeführer im Blick hatte, als er die Domain registrierte. Daraus ergab sich für Speres die Abweisung der Beschwerde. Man kann nur begrüßen, dass Entscheider immer wieder die Initiative ergreifen, sich über den Parteienvortrag hinaus zu informieren, wenn der Vortrag der Parteien zu wünschen übrig lässt.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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