UDRP

anydoc.com – WIPO-Sieg trotz fehlender Nutzung

Ein Panel der World Intellectual Property Organization (WIPO) ging in der UDRP-Entscheidung über die Domain anydoc.com der Frage nach, inwieweit ein Markeninhaber die Übertragung einer markenidentischen, aber nicht genutzten Domain verlangen kann. Wie so oft: es kommt drauf an.

Antragstellerin ist die Microsystems Technology Inc. d/b/a ANYDOC of Tampa, Florida (USA), die seit 2003 Inhaberin der Marke ANYDOC ist und unter den Namen »OCR for ANYDOC«, »ANYDOC Invoice« und »ANYDOC Claim« Dokumentationssoftware vertreibt. Sie wandte sich gegen den Inhaber der Domain anydoc.com. Die Domain ist seit 2001 registriert, er ist seit 2006 Inhaber. Sein Projekt, eine Arztsuche unter anydoc.com und anderen Domains zu etablieren, scheiterte bisher am fehlenden Geld. Die Domain ist seit einiger Zeit nicht mehr konnektiert. Die Antragstellerin kontaktierte 2010 den Domain-Inhaber, der die Domain aber nicht verkaufen wollte. Dass sie Markeninhaberin sei, erwähnte sie damals nicht. Sie sieht ihre Markenrechte verletzt und wandte sich in einem UDRP-Verfahren an WIPO. Der Domain-Inhaber hält entgegen, er kannte die Marke nicht, die ja letztlich aus generischen Begriffen zusammengesetzt sei; zudem nutze die Antragstellerin die Marke immer nur in Verbindung mit weiteren Begriffen. Sein Ziel sei weiterhin, ein Arztsuchesystem zu etablieren. Die Antragstellerin betreibe mit dem Verfahren ein Reverse Domain Hijacking.

Das mit drei Panelisten besetzte WIPO-Panel wies im Ergebnis den Anspruch der Antragstellerin zurück, sah aber auch keinen Hinweis auf Reverse Domain Hijacking (WIPO Entscheidung vom 07.02.2013, Case No. D2012-2193). Das Panel prüfte die drei Kriterien der UDRP und stellte zunächst fest, dass Domain und Marke, abgesehen von der Endung .com, identisch sind. Der Einwand, die Antragstellerin nutze die Marke immer nur mit anderen Begriffen, ist aus Sicht des Panels nicht von Bedeutung. Der Domain-Inhaber zeigte sich nicht in der Lage, seine eigenen Rechte oder berechtigte Interessen nachzuweisen. Die von ihm lediglich nachgewiesenen zwei weiteren thematischen Domains für das Arztsuchesystem vermochten das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass der Domain-Inhaber wirklich an einem solchen Service arbeitet. So stellte sich zuletzt die Frage nach der Bösgläubigkeit (bad faith) des Domain-Inhabers bei Registrierung und Nutzung der Domain. Maßgebender Zeitpunkt für den Domain-Inhaber war nicht der, zu dem die Domain in 2001 registriert wurde, sondern als er sie 2006 auf sich registrierte. Das Panel ließ sich vom Vortrag des Domain-Inhabers überzeugen, dass er seinerzeit von der Marke nichts wusste und die Domain wegen ihres generischen Charakters gekauft habe. Das zeige sich auch darin, dass er nie versucht habe, mit der Antragstellerin in Wettbewerb zu treten. Letztlich habe der Domain-Inhaber von der Domain praktisch nie Gebrauch gemacht. Schließlich sei die Marke der Antragstellerin nicht bekannt genug, als dass entsprechend der üblichen UDRP-Praxis der Tatbestand des »bad faith« allein durch passives Halten der Domain erfüllt werde. Was den Vorwurf des Reverse Domain Hijacking betreffe, so spreche der gesamte Vortrag der Antragstellerin für ihr berechtigtes, aber nicht durchsetzbares Anliegen und dagegen, dass sie das Verfahren böswillig betrieben habe, um an die Domain zu gelangen.

Die WIPO-Entscheidung zeigt: so einfach die Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy (UDRP) formuliert ist, so differenziert gehen die Fachleute mit den Sachverhalten und den Parteienvorträgen um. Essenz der Entscheidung ist: nur weil eine ungenutzte Domain mit einer Marke identisch ist, ergibt sich nicht zwingend ein Übertragungsanspruch zugunsten des Markeninhabers. Und maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem der Inhaber die Domain erlangte und nicht, wann die Domain erstmals registriert wurde. In den Entscheidungsgründen verwiesen die Panelisten zudem mehrmals auf den »WIPO Overview 2.0«, eine Art Kommentar und Entscheidungshilfekompendium, welches WIPO in 2011 aufgrund der bis dato entstandenen Entscheidungspraxis erstellt hat. Auf diese Lektüre sollte man nicht verzichten, wenn man ein UDRP-Verfahren anstrengt.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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