nanotemper.com

Entscheidung über die UDRP Verfahrenssprache

In einem UDRP-Verfahren vor dem tschechischen Streitbeilegungsgericht (CAC) verlor die NanoTemper Technologies GmbH, obgleich der Domain-Inhaber nicht reagierte. Das Schiedsgericht erkannte – auch aufgrund der Wahl der Verfahrenssprache – ausserdem auf Reverse Domain Name Hijacking.

Die Beschwerdeführerin wurde im Mai 2008 unter dem Namen NanoTemper Technologies GmbH mit Sitz in Deutschland gegründet. Sie ist Inhaberin der Marke NANOTEMPER mit Registrierungen als EU-Marke, angemeldet am 18. November 2009, und als US-Marke, angemeldet am 16. Oktober 2012. Die schon seit Juli 2007 registrierte deutsche Marke ist auf die Geschäftsführer der Gesellschaft eingetragen, die sie dem Unternehmen voll zur Verfügung stellen. Den Begriff NANOTEMPER nutzten die Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erstmals öffentlich im Februar 2007 in einer Pressemitteilung über den »Münchner Businessplan Wettbewerb«, an dem sie teilnahmen. Am 18. Juni 2007 registrierte der Beschwerdegegner, der seinerseits seinen Sitz in Deutschland hat, die Domain nanotemper.com bei einem deutschen Domain-Registrar. Er nutzte sie zeitweise für eine eigene Webseite. Derzeit findet sich eine Platzhalterseite des Providers unter der Domain. Die Beschwerdeführerin trägt vor, der Beschwerdegegner habe die Domain der Beschwerdeführerin zum Kauf angeboten, im Oktober 2010 für EUR 20.000,– und im Juli 2015 für EUR 50.000,–. Sie legte eine eMail vor, in der der Beschwerdegegner ihr gegenüber eine Gebühr dafür verlangte, dass er an sie gerichtete eMails, die ihn über die Domain erreichen, weiterreicht. Die Beschwerdeführerin stieß im November 2015 das UDRP-Verfahren in englischer Sprache an, da sie ihre Markenrechte, darunter auch die der deutschen Marke, verletzt sieht. Der Beschwerdegegner nahm dazu keine Stellung.

Der Einzelentscheider (Panelist) des UDRP-Verfahrens, Prof. Dr. Lambert Grosskopf, wies die Beschwerde zurück und stellte Reverse Domain Name Hijacking fest (ADR Case No.101109). Die Beschwerdeführerin wies zwar ihre EU- und US-Marke nach und belegte die Identität der Marken und der Domain. Allerdings vermochte die Beschwerdegegnerin nicht, eine rechtsmissbräuchliche Nutzung der Domain nachzuweisen. Grosskopf überzeugte sich via Way Back Maschine (archive.org) und konnte keine geschäftliche Nutzung der Domain, insbesondere unter Ausnutzung der Marken der Beschwerdeführerin und zu deren Schaden, feststellen. Vielmehr nutzte der Beschwerdegegner die Domain zeitweise für eine private Website und aktuell für eine Weiterleitung von an die Beschwerdeführerin gerichtete eMails. Aus Sicht von Grosskopf scheiterte damit die Beschwerdeführerin, dem Gegner fehlende Rechte oder rechtliche Interessen an der Domain nachzuweisen, zumal der zum Zeitpunkt der Domain-Registrierung im Juni 2007 die in 2008 gegründete Unternehmung sowie die 2009 und 2012 beantragten Marken der Beschwerdeführerin nicht kennen konnte. Auf die von den Geschäftsführern im Juli 2007 beantragte deutsche Marke kann sich die Beschwerdeführerin nicht berufen, da ein Lizenzübertrag zur Nutzung der Marke nicht vorgelegt wurde. Die Frage der Bösgläubigkeit stellte sich dann nicht mehr. Im Grunde unterstelle die Beschwerdeführerin, die Verkaufsangebote des Beschwerdegegners und die Weiterleitung der eMails führten irgendwie zum Tatbestand der bösgläubigen Registrierung und Nutzung der Domain. Doch das entspricht in diesem Fall nicht der Natur der UDRP. Der Beschwerdegegner konnte schlichtweg den Namen der Beschwerdeführerin und deren Marken vor Registrierung der Domain nicht kennen, da letztere noch nicht existierten.

Da aber die Domain vor Gründung der Unternehmung und der Anmeldung sowie der Eintragung der Marken registriert wurde, stellte sich für Grosskopf dann noch die Frage des Reverse Domain Name Hijackings. Nach seiner Auffassung war es unter diesen Umständen für die Beschwerdeführerin und ihre erfahrenen Rechtsvertreter vorhersehbar, dass das Verfahren an zwei der drei Voraussetzungen scheitern und somit keine Aussicht auf Erfolg haben würde. Das Verfahren wurde mithin unter Geltendmachung falscher Ansprüche gegen den rechtmäßigen Inhaber der Domain betrieben, was die Voraussetzengen für ein Reverse Domain Name Hijacking erfüllt. Dies festgestellt, beschäftigt sich Grosskopf schließlich mit einem formalen Argument, das die Beschwerde ebenfalls zu Fall bringt: die Wahl der Verfahrenssprache Englisch. Denn grundsätzlich übernimmt das UDRP-Verfahren die Sprache, unter der die strittige Domain registriert ist, da der Inhaber der Domain selbst sich der UDRP unterwirft. In diesem Falle registrierte der Domain-Inhaber die Domain bei einem Provider in Deutschland. Das Streitbeilegungsgericht hat den englischsprachigen Beschwerdeantrag akzeptiert, obgleich er nicht in der Sprache der Domain-Registrierung vorgelegt wurde. Ein Wechsel der Sprache zur vermeintlichen allgemeinen Sprache des Internets (Englisch) wird von Panels in unterschiedlichen Verfahren bei zahlreichen Entscheidungen akzeptiert, doch keiner dieser Fälle lässt sich auf den der Beschwerdeführerin übertragen. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum das Verfahren auf Englisch hat geführt werden müssen. Dieser Umstand spricht aus Sicht von Grosskopf aus formellen Gründen ebenfalls gegen die Beschwerdeführerin.

Diese Entscheidung ist nicht unumstritten. Für Domainer und Blogger Andrew Allemann ist zumindest das Reverse Domain Name Hijacking zweifelhaft, da der Beschwerdegegner immerhin Geld für die Domain und für die eMail-Weiterleitung einforderte. Interessant ist die von Lambert Grosskopf aufgeworfene Frage der Sprachwahl. Einige wenige deutschsprachige UDRP-Entscheidungen haben wir früher bereits besprochen. In einem Fall, bei dem ein deutsches Unternehmen gegen den deutschen Domain-Inhaber vorgeht, der die Domain bei einem deutschen Registrar registriert hat, sollte deutsch als Verfahrenssprache selbstverständlich sein.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

Disclaimer: Die in Streit stehende Domain ist über den Domain-Registrar united-domains.de registriert, deren Projekt domain-recht.de ist.

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