WIPO hat seinen Jahresbericht zur Entwicklung der UDRP-Verfahren 2023 veröffentlicht und verzeichnet ein neues Rekordhoch an Domain-Streitigkeiten. Domain-Anwalt John Berryhill weist auf einen neuen prozentualen Rekord von Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) hin.
In einem aktuellen Report berichtet WIPO, dass im vergangenen Jahr 2023 insgesamt 6.192 UDRP-Verfahren und nationale Varianten des Streitbeilegungsverfahrens in Genf anhängig waren. Insgesamt summieren sich so die bei WIPO seit Ende 1999 anhängigen Verfahren auf 67.625. Waren in den früheren Jahren immer auch wieder Rückgänge gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen, so zeigt sich seit zehn Jahren ein konsequenter Anstieg der UDRP-Verfahren bei der WIPO. 2013 waren es noch 2.585, nun sind es 6.192 Fälle. Die meisten Beschwerden kamen aus den USA, Frankreich und dem Vereinigten Königreich, wobei insgesamt 40 Prozent aller Beschwerden in Europa und 33 Prozent in Nordamerika eingereicht wurden. WIPO sieht in den Zahlen unter anderem einen Erfolg des UDRP-Verfahrens, weil es eine Alternative zu zivilgerichtlichen Verfahren darstellt. Weiter sieht man einen Zusammenhang des Anstiegs von UDRP-Verfahren von 5.764 in 2022 auf jetzt knapp 6.200 mit dem Anstieg von Domain-Registrierungen allgemein, den wir nicht nachvollziehen können. Insbesondere sind die Registrierungen unter .com im Jahr 2023 um rund 900.000 netto gegenüber dem Vorjahr 2022 zurückgegangen. Allerdings führt WIPO den Anstieg der Verfahren auch auf die verstärkte Wahrnehmung der UDRP bei Unternehmen jeder Größe und auf mehr Internetkriminalität zurück.
Mit 82 Prozent führten UDRP-Verfahren ganz überwiegend zum Transfer der streitbefangenen Domain-Namen. In 3 Prozent der Fälle wurde die Beschwerde abgewiesen, in 14 Prozent einigten sich die Parteien und in 1 Prozent wurde das Verfahren beendet. Verfahren wurden 2023 in 17 verschiedenen Sprachen geführt, wobei Englisch, Chinesisch und Französisch auf den ersten Plätzen liegen; die Anzahl von Verfahren auf Deutsch liegen an 8. Stelle. Überwiegend stritten Unternehmen aus dem Bereich Banken und Finanzen (13 Prozent) und aus Biotechnologie und Pharmazie (11 Prozent); Mode und Retail kamen jeweils auf 10 Prozent. Die Endung .com kommt auf 80 Prozent der Verfahren; WIPO gibt in seinem Report keine präzisen Zahlen für andere Endungen, stellt aber verstärkte Beteiligung von Domains unter Länderendungen heraus, bei denen .co-Domains (knapp 120 Verfahren) an erster Stelle stehen, gefolgt von Chinas .cn (ca. 70) und Mexikos .mx (keine 60). WIPO beendet den Report mit sechs Beispielsentscheidungen, um die Diversität der Fallkonstellationen darzustellen.
Auf eine andere Entwicklung bei UDRP-Verfahren weist Andrew Allemann (domainnamewire.com) hin, der in einem kurzen Artikel auf eine Zählung von Domain-Anwalt John Berryhill verweist. Berryhill hatte sich angeschaut, wie sich die Anzahl von Reverse Domain Name Hijacking-Entscheidungen bei WIPO und The Forum (National Arbitration Forum – NAF) im Lauf der Jahre entwickelt hat. Hier zeigt sich, dass der Anteil von RDNH-Bestätigungen bei Abweisung einer UDRP-Beschwerde prozentual rapide gestiegen ist. 2023 wurden bei WIPO und NAF insgesamt 49 RDNH-Fälle festgestellt. Beinahe jede 5. Beschwerdeabweisung (knapp 20 Prozent) ging mit einem bestätigten RDNH einher, während der Wert in früheren Jahren teilweise unter 4 Prozent lag. Für Allemann lässt sich den Zahlen entnehmen, dass der Anteil von Abweisungen sinkt, was im Sinne der UDRP ist, die für klare Markenrechtsverletzungen entwickelt wurde. Zugleich nehme der Anteil der Entscheide gegen missbräuchliches Nutzen der UDRP zu, was für die Panelist*innen und deren Verständnis hinsichtlich der den Domain-Inhabern entstehenden unnötigen Kosten spricht.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.