KI

ChatGPT und Konsorten sind nicht hilfreich bei UDRP-Verfahren

Eine KI zur Erleichterung der anwaltlichen Arbeit bei UDRP-Verfahren ist eine lockende Vorstellung. Der US-amerikanische Domain-Rechtsanwalt Doug Isenberg (giga.law) machte die Probe aufs Exempel und stellte den gängigen »KI«-Systemen ChatGPT, Bard und BingAI einschlägige UDRP-Fragen.

Die schlechte Nachricht vorweg: Doug Isenberg kommt zu dem Ergebnis, dass

In my experiment, these services provided inaccurate information that might cause a trademark owner to lose a cybersquatting case.

In einem Blog-Post mit achtminütigen Video zeigt Isenberg, was ihn zu dem Experiment gebracht und wie er es durchgeführt hat, und wie er zu diesem Ergebnis kommt.

Isenberg fand in aktuellen Medien zahlreiche Hinweise darauf, dass KI-Systeme die Möglichkeit bieten, die juristische Arbeit – radikal – neu zu formen und zu erleichtern. Außerdem erhielt er jede Menge Werbe-eMails, in denen ihm KI-gestützte Rechtsdienstleistungen angeboten wurden. Also nahm er die drei gängigen KI-Dienste ChatGPT, Google Bard und BingAI in Anspruch und stellte ihnen sehr spezifische sowohl inhaltliche als auch prozedurale Recherchefragen, die beim Entwerfen einer UDRP-Beschwerde auftreten können. Ihn trug die Hoffnung, dass er im besten Falle die Ergebnisse per „copy and past“ in seinen Schriftsatz einfügen kann, oder aber zumindest wegweisende Informationen zu relevanten Entscheidungen, die er dann zitieren könnte, erhält, oder dass die KIs rechtliche Argumente aufdecken könnten, die ihm sonst nicht eingefallen wären.

Isenberg wurde von allen drei KIs enttäuscht. Auf die Bitte hin, eine Liste der fünf wichtigsten UDRP-Entscheidungen anzulegen, in denen erklärt wird, wann es zulässig ist, einen Domain-Namen zu einer bereits eingereichten Beschwerde hinzuzufügen, wenn die Frist für die Antwort bereits verstrichen ist, scheitert ChatGPT. Nach dem Hinweis, keinen Zugriff auf aktuelle Entscheidungen zu haben, listete ChatGPT fünf UDRP-Entscheidungen. Isenberg musste allerdings feststellen, dass nicht ein Fallname mit der jeweils angegebenen Fallnummer übereinstimmte. Anders gesagt: er erhielt fünf falsche Zitationen von ChatGPT. Und die von ChatGPT formulierten Zusammenfassungen hatten nichts mit den als Quelle angegebenen Entscheidungen zu tun. Zwei der erwähnten Fälle stellten sich als frühzeitig beendete Beschwerden heraus, zu denen es gar keine Entscheidungsgründe gibt. In den anderen drei Entscheidungen spielte eine nachträglich hinzugefügte Domain zur Beschwerde keine Rolle.

Vergleichbare Erfahrungen machte Isenberg mit Googles Bard, das eine Liste mit den drei wichtigsten Entscheidungen, in denen Bösgläubigkeit des Gegners festgestellt wurde, obwohl die Markenrechte der Beschwerdeführer erst später entstanden sind, erstellen sollte. In Bards Liste fand sich keine Entscheidung, bei der die zeitliche Komponente der Priorität der Domain berücksichtigt wurde. Auch hier passten Fallname und Fallnummer nicht zusammen. BingAI zeigte auf eine Frage, die Verfahrenssprache betreffend, lediglich eine Ergebnisliste mit allgemeinen Informationsseiten zu dem Thema, darunter auch zwei Einträge bei giga.law. Zudem wies ein Ergebnis auf eine veraltete Version des WIPO Overviews, der seit sechs Jahren in der überarbeiteten Fassung 3.0 abrufbar ist. Das Ergebnis bei BingAI war damit im Grunde schlechter als eine normale Suchabfrage.

Derzeit lassen sich demnach KI-Systeme bei der konkreten Fallbearbeitung noch nicht einsetzen. Isenberg konstatiert, dass zur Zeit KIs lediglich falsche UDRP-Fallzitate, ungenaue Fallzusammenfassungen und irreführende (wenn nicht sogar völlig falsche) Forschungsdarstellungen liefern. Einen vergleichbaren juristischen Arbeitsversuch fanden wir unter deutschen Juristen noch nicht. Diese versprechen sich in zahlreichen Artikeln auf jeden Fall Arbeitshilfe von KIs und rechnen ebenfalls mit dem Umbau juristischer Arbeitsabläufe. Aber wie Dr. Nadine Lilienthal, Dr. Stephan Bücker und Dr. Christian Herles in ihrem Artikel »Schafft Künst­liche Intel­li­genz die Anwalt­schaft ab?« bei LTO feststellen:

Veränderungen für den Berufsstand sind nicht mehr eine Frage des Ob, sondern nur des Wann.

Jetzt jedenfalls, ist es noch nicht soweit.

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