Eine der Kernfragen in Domain-Auseinandersetzungen ist nach wie vor, inwieweit der Inhaber eines jüngeren Rechtes gegen den Inhaber einer schon länger registrierten Domain vorgehen kann. Es ist dies die Frage nach der Priorität: Welches Recht war zuerst da und geht es dem älteren Recht vor? Diese Prioritätsfrage vermischt sich mit der Frage nach dem »first come, first served« bei Registrierungen von Internetdomains. Das Thema wurde an dieser Stelle schon öfter besprochen. Heute richten wir den Blick auf drei neuere UDRP-Entscheidungen, die sich mit dieser Rechtsfrage auseinandersetzen mussten.
Gleich in drei neuen UDRP-Entscheidungen, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen unabhängig voneinander gefällt wurden, machten Schiedsgerichte deutlich, dass das Prinzip »first comes, first served« gerade im Falle von erst nach Domain-Registrierung beantragten und eingetragenen Marken greift. Die Domain-Inhaber haben aufgrund dieser Rechtsprechung die bessere Position gegenüber Marken-Inhabern, die ihre Markenrechte erst später beantragt und eingetragen bekommen haben.
discounthydroponics.com
Kurios zeigt sich dabei der Fall Roberta Chiappetta dba Discount Hydroponics gegen C. J. Morales (WIPO Fall Nr. D2002-1103) um die Domain »discounthydroponics.com«. Die Antragstellerin hatte die Übertragung der Domain mit dem vorangegangenen Inhaber vereinbart und in die Wege geleitet. Vier Monate später, die Übertragung war noch immer nicht abgeschlossen, war die Domain frei registrierbar und wurde auch prombt vom Antragsgegner registriert. Erst drei Monte nach dieser Registrierung erfolgte die Anmeldung der Marke der Antragstellerin.
Für das WIPO-Panell, bestehend aus drei Richtern, stellte sich die Frage, ob sich aus Paragraf 4a (i) der UDRP (Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy) überhaupt die Frage nach der Prioriät ergibt. Denn davon steht in der Norm nichts:
a. Applicable Disputes. You are required to submit to a mandatory administrative proceeding in the event that a third party (a „complainant“) asserts to the applicable Provider, in compliance with the Rules of Procedure, that(i) your domain name is identical or confusingly similar to a trademark or service mark in which the complainant has rights; and
Was soviel heißt als, der Antragsgegner wird aufgefordert sich zu rechtfertigen, soweit der Antragsteller erklärt, dass die umstrittene Domain identisch oder ähnlich der Marke oder Servicemarke des Antragstellers ist. Dabei handelt es sich um eine mehrerer Voraussetzungen, die aber alle nichts über die Priorität der Rechtserlangung sagen.
Allerdings war das Panell der Auffassung, dass es weitreichende Unterstützung für die Ansicht gäbe, die Norm setze voraus, der Markeninhaber müsse ältere Rechte haben. Um dies zu belegen, zog man frühere Entscheidungen heran, bei denen gerade diese Meinung vertreten wurde. So verwies man auf den Fall Digital Enterprises gegen Intership Limited (WIPO Fall Nr. D2001-0074), bei dem das Panell erklärte, die Marke müsse prioritätsälter sein als der Domain-Name. In der zitierten Entscheidung nun wieder wird Bezug auf elf weitere Entscheidungen genommen, in denen die Ansicht vertreten wird, eine Marke, die nicht zur Zeit existiere, zu der der in Streit stehende Domain-Name registriert wurde, kann sich nicht auf die UDRP berufen.
Im Fall discounthydroponics.com räumte das Panell aber ein, dass die Registrierung der Marke nicht die einzige Voraussetzung ist, unter der der Antragsteller des UDRP-Verfahrens Rechte an seiner Marke haben könne. Es könnten auch Gewohnheitsrechte bestehen, die greifen. Jedoch waren im vorliegenden Falle solche nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin nahm auch Bezug auf den notariellen Vertrag mit dem ursprünglichen Domain-Inhaber und die darauf gründende, aber nicht gelungene, Übertragung der Domain. Hier trage der Registrar die Schuld. Der habe, so die Antragstellerin, zu langsam gearbeitet, was dazu führte, dass der Registrierungszeitraum ablief und die Domain frei wurde. Doch davon liess sich das Gericht nicht beeindrucken. Das WIPO-Panell erklärte, es wolle und könne nicht darüber spekulieren, warum die Domain-Übertragung schief gelaufen ist.
Aus Sicht des Panell war der umstrittene Domain-Name zwar identisch mit der Marke der Antragstellerin, aber letztere konnte kein Recht aus Paragraf 4a (i) UDRP herleiten. Der Antrag der Antragstellerin wurde zurückgewiesen.
Ähnlich Ansichten werden in den Fällen Transpark LLC gegen Network Administrator um die Domain »transpark.com« und Clear Channel Communications, Inc. gegen Emmis Communications um die Domain »power1051.com« vertreten, die beim National Arbitration Forum (The Forum) anhängig waren.
transpark.com
Im Streit um transpark.com vor dem National Arbitration Forum wurde das Zwei-Mann-Panell deutlicher, als die Richter der WIPO. Wie auch immer, erklärten sie in den Entscheidungsgründen, ohne bestehende Rechte an einer Marke, die vor Registrierung des umstrittenen Domain-Namen bestanden, würde die Bevorzugung der jüngeren Marke den Nutzern erlauben, jederzeit einen älteren Domain-Namen auszuhebeln. Solch eine Vorgehensweise widerspricht dem Sinn der UDRP, die eigentlich vor Verletzungen bestehender Markenrechte schützen soll, die durch die Registrierung identischer oder ähnlicher Domain-Namen hervorgerufen werden. Aufgrund dessen geht das Panell davon aus, dass das Recht des Antragstellers älter als die Registrierung des Domain-Namens durch den Antragsgegners sein müsse. Daraufhin verwies das Panell auf ältere, gleichgelagerte Entscheidungen, andere als das WIPO Panell bei seiner Entscheidung discounthydroponics.com.
Danach brach das Gericht die weitere Prüfung der Vorausetzungen ab und verkündete seine Entscheidung, wonach der Antrag der Antragstellerin abgewiesen wurde. Der Abbruch der weiteren Prüfung passiert anscheinden bei UDRP-Entscheidungen nicht oft. Das WIPO-Panell im Fall discounthydroponics.com prüfte auch die weiteren Voraussetzungen, obwohl nach Prüfen der ersten Voraussetzung klar war, dass kein Anspruch besteht.
power1051.com
Um den Domain-Namen power1051.com stritten zwei Radiosender, von denen der antragstellende Rechte am Begriff Power geltend macht, der seine sechs New Yorker Radiosender bezeichnet. Die »Marke« Power 105.1 benutzt er seit März 2002. Es ist aber keine eingetragene Marke, der Begriff wird lediglich geschäftlich genutzt. Der Antragsgegner seinerseits hat zwar keinen Sender, der auf 105.1 Herz läuft oder den Namen Power 105.1 trägt, wohl aber einen mit dem Namen Power 105.9; und er nennt zahlreiche Marken, die den Begriff Power beinhalten, sein eigen, darunter die eingetragene Marke Power 106 FM. Mit der Registrierung der und ählicher Domains verfolge er eine Marketingstrategie. Er spekuliert wohl darauf, früher oder später auf entsprechenden Frequenzen senden zu können.
Das war ein wenig zu vertrackt für das Forum-Panell: es konnte nicht klären, welche der streitenden Parteien ältere Rechte an dem Begriff Power 105.1 hat. Aus diesem Grunde ließ es die Frage offen und wandte sich anderen Voraussetzungen zu.
Nun prüfte das Gericht, ob der Domain-Inhaber den Domain-Namen in böser Absicht registriert habe. Die konnte das Gericht aber ausschließen, da der Domain-Inhaber (der Antragsgegner) den Begriff Power für seine Radiosender jedenfalls bereits über 15 Jahre nutzt. Und da der Domain-Inhaber eine Marketingstrategie verfolgt, bei der er zahlreiche Domains mit dem Begriff Power und einer Frequenz-Angabe registriert, konnte das Gericht für die Domain power1051.com keine bösen Absichten des Domain-Inhabers feststellen.
In seiner Entscheidung machte das Panell aber deutlich, dass bei vernünftiger Anwendung des geltenden Rechts die Rechte des Antragstellers grundsätzlich älter als die des Antragsgegners sein müssten, um vom böser Willen des Antragsgegners ausgehen zu können. Die Nutzung des Begriffs Power und das daran Anfügen einer Frequenz seien kein Ausdruck bösen Willens.
Damit wurde der Antrag abgewiesen.
Fazit
Die UDRP-Rechtsprechung geht demnach dahin, dem prioritätsälteren Recht den Vorrang zu geben; »first come, first served« heißt die Regel, auch über das Internet hinaus. Allerdings muss man vorsichtig sein. In allen drei hier vorgestellten Entscheidungen wurden die Domain-Namen geschäftlich genutzt und nicht einfach nur »freigehalten«.
In Deutschland und für .de-Domains ist die Situation nicht anders, wie die Entscheidungen warez.de, fnet.de, foris.de, alcon.de und literaturen.de zeigen. Zu diesen Entscheidungen in kürze mehr.
Weiter Informationen zum UDRP-Verfahren im Artikel WIPO hilf!.