Domain-Anwalt Doug Isenberg hat sich in einem Artikel auf circleid.com das UDRP-Problem, gegen mehrere Domain-Namen gleichzeitig vorzugehen, vorgeknöpft. Ein UDRP-Verfahren des O2-Konzerns gegen 77 Domains wird zum Paradebeispiel, wie es nicht geht.
Markeninhaber sehen sich nicht nur einzelnen, Markenrechte verletzenden Domain-Registrierungen gegenübergestellt. Cybersquatter registrieren oft innerhalb kürzester Zeiträume massenhaft Domain-Namen, die die Rechte einzelner Markeninhaber verletzen. Statt gegen jede Domain einzeln vorzugehen, erscheint es effizienter und günstiger, gleichzeitig ein UDRP-Verfahren gegen mehrere Domains zu starten. Dies sieht die Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy (UDRP) grundsätzlich vor. Dort heißt es: »complaint may relate to more than one domain name, provided that the domain names are registered by the same domainname holder.« Doch Cybersquatter sind nicht dumm, sie registrieren massenhaft Domains auch unter verschiedenen Namen und Registraren. Dann wird es schwieriger für Markeninhaber, ihre Rechte in einem Verfahren durchzusetzen. Doch bietet die UDRP die Möglichkeit der Zusammenlegung (consolidation) auch in jenen Fällen, wenn die Domains, gegen die es geht, sich in unterschiedlichen Händen befinden. UDRP-Panels verfahren dann oft nach der Devise: unterliegen die Domains oder die entsprechenden Webseiten der gemeinsamen Kontrolle und ist die Zusammenlegung fair und gerecht, kann das in einem Verfahren verhandelt werden. Die »WIPO Overview of WIPO Panel Views on Selected UDRP Questions« sieht zudem vor, dass die Verfahrenseffizienz eine solche Zusammenlegung unterstützt:
Procedural efficiency would also underpin panel consideration of such a consolidation scenario.
Der O2-Konzern scheiterte im Juni 2017 in einem UDRP-Verfahren jedoch kläglich, als er versuchte, 77 Domain-Namen von 25 unterschiedlichen Inhabern, registriert über vier Domain-Registrare, auf sich übertragen zu lassen (WIPO-Case No. D2017–0658). Der Alleinentscheider Andrew F. Christie ließ das Verfahren an der ersten möglichen Hürde scheitern, der Frage der Zusammenlegung. Dies, so Christie, sei in diesem Falle nicht oportun, da es das Verfahren nicht vereinfache und gegenüber den unterschiedlichen Parteien des Verfahrens nicht fair wäre. Wie sich nämlich zeigte, stand hinter den Registrierungen nicht eine einzige Person, sondern tatsächlich ganz unterschiedliche, die zum Teil auf das UDRP-Verfahren reagierten. In der Folge hätten zahllose Schriftwechsel mit vier verschiedenen Registraren geführt werden müssen; die Zurückweisung von elf Verfahrensteilen, bei denen die Domains bereits gelöscht waren, hätte erfolgen müssen; die Verfolgung von 20 unterschiedlichen Schriftwechseln mit unabhängigen Individuen, deren Positionen sich jeweils unterscheiden, müsste geführt und jede Partei einzeln in der Entscheidung berücksichtigt werden. Die verwalterische Aufgabe für das Verfahren wäre unangemessen hoch und sicherlich verfahrenstechnisch ineffizient, erklärte Christie und wies die Beschwerde deshalb zurück. Nicht ohne mitzuteilen, dass es O2 offen stehe, gegen die Domains jeweils einzeln vorzugehen. Das aber hat O2 bisher, fünf Monate später, wohl nicht getan.
Es gibt auch Gegenbeispiele, bei denen es zu einer »consolidation« kam und das UDRP-Verfahren für den Markeninhaber erfolgreich abgeschlossen wurde. Isenberg nennt als Beispiel ein Verfahren von UPS gegen 122 Domains, die zahlreichen verschiedenen Inhabern gehörten (NAF-Claim Number: FA1709001748088). Da war für das Panel allerdings klar, dass sich die Domains wirklich in einer Hand befanden, die verschiedene Aliase nutzte. Die Domains waren alle im selben Monat und beim selben Domain-Registrar registriert worden, nutzten denselben Privacy Service und die Kontakt-eMail-Adressen waren nach demselben Schema konstruiert. Andere Beispiele haben wir an dieser Stelle bereits besprochen; interessant ist dabei ein Verfahren der schweizer Vorwerk International AG (WIPO-Case No. D2016-2438). In diesem Falle lagen die Registrierungen der fraglichen Domains mehrere Monate auseinander, und die Domains lagen bei fünf unterschiedlichen Domain-Registraren. Gleichwohl stand für Entscheider Pablo A. Palazzi einer Zusammenlegung nichts entgegen: Die Ausführungen der Beschwerdeführerin dazu und der Umstand, dass sich keiner der Domain-Inhaber in der Sache meldete, überzeugten Palazzi davon, dass die streitigen Domain-Namen unter der Kontrolle einer Person mit unterschiedlichen Aliasen standen.
Die Entscheidung, ob eine Zusammenlegung oportun ist oder nicht, hängt demnach von den Umständen des Einzelfalles ab. In jedem Fall sollten Markeninhaber eher auf Nummer sicher gehen und lieber ein kleines Verfahren mehr führen, als ein großes zu verlieren. Sinnvollerweise achtet man dabei auf die Einheit des Registrars, die zeitliche Nähe der Registrierungen oder identische Webinhalte, also auf Muster, die es sehr nahe legen, dass die Domains unter einen Hut gehören. Dann klappts auch mit der Zusammenlegung in ein Verfahren.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.