barcelona.com

Aus für WIPO-Entscheidungen?

Am 02.06.03 hat der 4. US-Appellationsgerichtshof im Fall barcelona.com die Entscheidung der Vorinstanz, die eine UDRP-Entscheidung der WIPO bestätig hatte, aufgehoben. Der Inhaber der Domain barcelona.com muss die Domain nicht an die Stadt Barcelona in Spanien übertragen. Das Gericht meint, es schenke WIPO-Entscheidungen keine Beachtung.

Der Kläger hatte die Domain bereits 1996 auf den Namen seiner Frau in Spanien registriert. Im Februar 1999 wandte er sich an die Stadt Barcelona, um die Domain an diese zu veräußern. Vergeblich, denn seine Preisvorstellung waren exorbitant. Im Mai 2000 forderte Barcelona den Kläger auf, die Domain herauszugeben. Daraufhin registrierte der die Domain von Spanien nach USA um auf eine eigene Briefkastenfirma. Im Mai 2001 verfolgte Barcelona ein WIPO-Verfahren, mit Erfolg.

Innerhalb der bestehenden 10-Tagefrist erhob der Domain-Inhaber Klage bei einem us-amerikanischen Zivilgericht. Das bestätigte aber die WIPO-Entscheidung. Das Gericht wandte spanisches Recht an, das den Markeninhaber in diesem Fall schützte. Die Stadt Barcelona hat rund 150 Marken eingetragen, in denen der Begriff Barcelona auftaucht; „Barcelona“ ist als Marke jedoch nicht geschützt, stellt aber den herausragenden und unterscheidungskräftigen Bestandteil zahlreicher Marken dar, die aus zwei oder drei Worten bestehen. Der Kläger berief sich darauf, er nutze lediglich eine geografische Bezeichnung.

Der 4. US-Appelationsgerichtshof sieht die Entscheidung der Vorinstanz als verfehlt an, weil spanisches Recht angewendet wurde. Dass keine ausländisches Recht zur Geltung komme, sei im Anticybersquatting Consumer Protection Act (ACPA) explizit formuliert, darum werde hier auch kein ausländisches (i.e. spanisches) Recht berücksichtigt.

Davon abgesehen erklärte das Gericht, man schenke der WIPO-Entscheidung keinerlei Beachtung, denn letztlich stelle sie lediglich eine Vereinbarung dar, die unter dem ACPA keine Wirkung entfaltet.

»Moreover, we give the decision of the WIPO panelist no deference in deciding this action under § 1114(2)(D)(v).«
Gerade weil die UDRP Entscheidungen unter Berücksichtigung anderer Rechtsordnungen zulässt, die dem us-amerikanisches Recht fremd oder feindlich sind, autorisiert der ACPA die Aufhebung solcher Entscheidungen.
»Moreover, any decision made by a panel under the UDRP is no more than an agreed-upon administration that is not given any deference under the ACPA. To the contrary, because a UDRP decision is susceptible of being grounded on principles foreign or hostile to American law, the ACPA authorizes reversing a panel decision if such a result is called for by application of the Lanham Act.«
Das heißt nichts anderes, als dass das US-Recht fremdes Recht (unter bestimmten Umständen) nicht duldet. Diese Einsicht der Richter des 4. Appelationsgerichtshofes dürfte allerdings neu sein. Auch die USA kennt Kollisionsrecht (staatliches Recht, das in Fällen mit Auslandsberührung regelt, welches Recht anzuwenden ist, eigenes oder ausländisches). Dass aber als Folge der Entscheidung alle WIPO-Entscheidungen, die auf den Registrierungsbedingungen der TLD-Verwaltungen zusammen mit ICANN-Verträgen und der UDRP beruhen, hinfällig würden, soweit nicht us-amerikanisches Recht durch die WIPO-Richter berücksichtigt wird, ist keine gute Aussicht für die Regulierungsabsicht, die gerade mit der Organisation von Domain-Auseinandersetzungen einhergeht.

Allerdings stellt die Entscheidung über barcelona.com eine Ausnahme dar, insoweit als sie einen der wenigen Rechtsstreite ist, der nach einer WIPO-Entscheidung bei den ordentlichen Zivilgerichten weitergeführt wurde. Auch vor deutschen Zivilgerichten würde man in vergleichbaren Fällen zu anderen Ergebnissen kommen, als die von ICANN akkreditierten UDRP-Gerichte wie die WIPO. Aber ein solcher Rechtsstreit hat seinen Preis. Da sind nicht nur die Gerichtskosten und die Anwaltsgebühren, da ist vor allem der Faktor Zeit. Die WIPO-Entscheidung über barcelona.com erging am 04.08.2000, gut zwei Monate, nachdem der Antrag bei der WIPO elektronisch eingereicht wurde. Drei Jahre später liegt nun die Entscheidung des zweitinstanzlichen Zivilgerichtes vor. In dieser Zeit hätten beide Parteien von einem Domain-Sharing profitieren können. Statt dessen liegt die Domain seit drei Jahren mehr oder weniger brach (zur Zeit wird sie lediglich zur Weiterleitung genutzt, lange Zeit war sie ganz ungenutzt).

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, oder weitergegeben.
Bitte füllen Sie die gekennzeichneten Felder aus.*

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Episerver GmbH, Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top