Providerhaftung

BGH legt Urteilsgründe vor

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom Oktober 2011, dessen Entscheidungsgründe erst jetzt veröffentlicht wurden, Regeln für die Prüfpflichten von Blogprovidern aufgestellt. Den Rechtsstreit selbst verwies der BGH an die Vorinstanz zurück, um den Sachverhalt weiter aufzuklären (BGH, Urteil vom 25.10.2011, Az.: VI ZR 93/10)

Auf einem bei der Beklagten gehosteten Webblog unter der Domain blogspot.com hatte ein Blogger in Blog-Einträgen über den Kläger geschrieben, der sich durch die Inhalte in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sah. Der Kläger mahnte daraufhin unter anderem die Beklagte ab und forderte sie auf, das gesamte Webblog und auch die Inhalte in Suchergebnissen bei Google zu entfernen. Die Beklagte konnte keine rechtswidrigen Inhalte entdecken und bot an, die Abmahnung an den Betreiber des Webblogs weiterzuleiten. Dem widersprach der Kläger zunächst, willigte später, nach Klageerhebung, aber doch ein. Schließlich nahm der Kläger die Beklagte wegen Unterlassung und Schadensersatz vor dem Landgericht Hamburg in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage überwiegend ab (Urteil vom 22. Mai 2009, Az.: 325 0 145/08). Beide Parteien legten gegen das Urteil jeweils Berufung ein. Das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg bestätigte als Berufungsgericht weitestgehend die Berufung der Beklagten; die Berufung der Kläger wies es zurück. Die Beklagte ging nun aber weiter in die Revision zum Bundesgerichtshof. Die Klägerseite erschien dort nicht zum Termin. Es erging ein Versäumnisurteil, aber nicht wegen Fehlens des Klägers, sondern in der Sache, weil der Sachverhalt noch nicht ausreichend aufgeklärt ist.

Hintergrund für die Entscheidung und die Rückverweisung sind die vom Bundesgerichtshof im Rahmen seiner Entscheidung aufgestellte Regeln für die Hostproviderhaftung. Um diese anwenden zu können, muss der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden, was Aufgabe des Berufungsgerichts ist. In der Sache selbst meint der BGH, der vom hOLG Hamburg bestätigte Unterlassungsanspruch (§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) des Klägers kann bisher nicht bejaht werden. Als Hostprovider könnte die Beklagte zwar wegen Unterlassungsansprüchen haften, denn für diesen Anspruch gilt die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 Telemediengesetz (TMG) nicht. Da die Beklagte aber die Inhalte im Webblog nicht erstellt und sich auch nicht zu Eigen gemacht hat, ist sie auch nur eingeschränkt verantwortlich: nämlich als Störerin ab dem Zeitpunkt, da sie Kenntnis von der Rechtsverletzung hat. Das Problem liegt allerdings darin, dass bei behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht leicht feststellbar ist, ob diese tatsächlich vorliegen. Zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung des Bloggers muss abgewogen werden. Für den Bloghoster gilt in einem solchen Fall: er muss nur tätig werden, wenn der Hinweis auf eine Rechtsverletzung so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – also ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Wie aufwändig die Prüfung dabei sein muss, hängt vom Einzelfall ab und da vom Gewicht der Rechtsverletzungen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers. Er muss die Beanstandung zunächst an den Blogbetreiber zur Stellungnahme weiterleiten. Antwortet der nicht in angemessenem Zeitraum, muss der Hostprovider davon ausgehen, dass die Beanstandung berechtigt ist und er muss die Inhalte löschen. Wenn hingegen der Verursacher substantiiert gegen die Beanstandung argumentiert und berechtigte Zweifel an den Beanstandungen bestehen, hat der Hostprovider das dem Beanstandenden mitzuteilen. Kommt dann nichts mehr vom Beanstander oder vermag er die Zweifel nicht auszuräumen, braucht der Hostprovider nicht weiter zu prüfen.

In diesem Fall widersprach der Kläger dem Angebot der Beklagten, die Abmahnung an den Blogger weiterzuleiten, also seiner Pflicht nachzukommen. Erst nach Klageerhebung erlaubte die Klägerseite die Weitergabe der Abmahnung, was die Beklagte auch unverzüglich umsetzte. Der weitere Sachverhalt ist aber unklar, das hOLG hatte nur noch festgestellt, dass die Seiten weiterhin abrufbar blieben. Da der BGH es nun nicht für ausgeschlossen hält, dass die Parteien weiter hätten vortragen können und vorgetragen hätten, wenn sie die oben dargestellten Maßstäbe zu der der Beklagten obliegenden Prüfung in den Blick genommen hätten, verwies der BGH die Sache zurück, damit die Parteien rechtliches Gehör erhalten. In jedem Falle gibt der BGH mit diesem Pflichten für Hostprovider bei behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen einen gangbaren und fairen Weg vor, wie man in solchen Fällen zu handeln hat. Auch wenn man dann wahrscheinlich über die Frage streiten wird, ob zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit korrekt abgewogen wurde.

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