Netzsperren

LG Hamburg droht EUR 10.000,– Ordnungsgeld gegen Quad9 wegen Resolverzugriffen aus Deutschland an

Der Streit zwischen dem Schweizer DNS-Resolver-Betreiber Quad9 und der Sony Music Entertainment Germany GmbH spitzt sich zu: nach Androhung eines Bußgelds durch das Landgericht Hamburg hat Quad9 die streitige Domain canna.to weltweit gesperrt.

Die Vorgeschichte
Am 12. Mai 2021 hatte das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung erlassen, die es Quad9 verbietet, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Musikalbum der US-Band Evanescence öffentlich zugänglich zu machen, indem Quad9 einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung stellt, der den Kunden eine Übersetzung von Domains in numerische IP-Adressen zur Verfügung stellt, so dass es mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich ist, bestimmte Domains zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrige Speicherungen des vorgenannten Albums aufzurufen. Nach Angaben von Quad9 ist die Website, deren Sperrung gefordert wird, nicht direkt der Ort, an dem die verletzenden Inhalte zu finden sind; sie enthält lediglich eine Sammlung von Links, die auf andere Websites verweisen, unter denen die Inhalte zum Herunterladen angeboten werden. Gleichwohl: Auf Widerspruch von Quad9 hin bestätigte das Landgericht die einstweilige Verfügung und urteilte, dass sich Quad9 auf das Haftungsprivileg aus den §§ 7 bis 10 TMG nicht berufen könne, obwohl zum Beispiel Internet Service Provider oder Domain-Registrare über diese Vorschriften von der Störerhaftung grundsätzlich ausgenommen sind. Dabei stützt sich das Landgericht Hamburg auf ein Urteil des OLG Köln vom 09. Oktober 2020 (Az. 6 U 32/20), das sowohl eine unmittelbaren Anwendbarkeit des § 8 Absatz 1 TMG als auch eine erweiternde Auslegung ablehnt. Gegen dieses Urteil hat Quad9 Berufung eingelegt, über die bisher nicht entschieden ist. Parallel läuft das Hauptsacheverfahren, in dem Quad9 vor dem Landgericht Leipzig erstinstanzlich ebenfalls unterlegen war; aktuell ist hier vor dem Oberlandesgericht Dresden (Az. 14 U 503/23) ebenfalls ein Berufungsverfahren anhängig.

Die Ordnungsgeld-Entscheidung
Obwohl eine rechtskräftige Entscheidung bisher nicht vorliegt, hat das Landgericht Hamburg auf Grundlage der einstweiligen Verfügung Quad9 nun ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 10.000,– angedroht, weil Sony zwei Fälle nachgewiesen habe, in denen eine der streitigen Domains – es soll sich um die Domain canna.to handeln – von Deutschland aus aufgelöst werden konnte. Zwar hat Quad9 nach eigenen Angaben unmittelbar nach Erhalt der einstweiligen Verfügung eine GeoIP-Sperre auf den in Deutschland befindlichen Servern installiert; dabei habe man ein branchenübliches Produkt verwendet und viel in die Infrastruktur investiert, um die Leistungseinbußen aufgrund der Blockierungsanforderungen auszugleichen. Gleichwohl habe Sony dargelegt, dass die Sperre umgangen worden sei. In einem Fall sei der Zugang über ein VPN (Virtual Private Network), im anderen Fall über einen Mobilfunknetzbetreiber gelungen. Außerdem könnten nach Ansicht von Sony Anfragen deutschen Ursprungs über Landesgrenzen hinweg an nicht-deutsche Server übermittelt worden sein. Quad9 hingegen ist der Ansicht, dass man im Einklang mit den gerichtlichen Anforderungen gehandelt habe und dass die Übermittlung von Anfragen außerhalb der Gerichtsbarkeit (über Landesgrenzen hinweg) nicht in den Geltungsbereich der einstweiligen Verfügung fällt. Da das Gericht dennoch eine Geldbuße androhte, sei man gezwungen, die Sperre auf globaler Ebene umzusetzen. Es sei jedoch unangemessen und unverhältnismäßig, eine solche globale Sperre auf der Grundlage einer Gerichtsentscheidung in einem einzelnen Land einführen zu müssen.

Quad9 betonte, den Kampf um freien Zugang zu Informationen und die Souveränität im Internet fortsetzen zu wollen. Man spreche hier von einem Fall einer angeblichen Urheberrechtsverletzung, aber weitere Arten von mutmaßlichen Verstößen gegen geltendes Recht könnten schon morgen folgen. Aktuell warte man nun auf die Entscheidung aus Dresden; allerdings scheint der Weg durch die Instanzen bis zu einer grundsätzlichen Klärung vorgezeichnet, so dass der Rechtsstreit noch einige Jahre dauern könnte.

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