LG Köln

Suchmaschine haftet unter Umständen als Störer

Wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Internetforen wandten sich die Kläger an einen Suchmaschinenbetreiber und verlangten die Entfernung von Links aus der Ergebnisliste, die Einrichtung eines Filters und die Erstattung von Kosten. Mit ihrer Klage vor dem Landgericht Köln waren sie damit nur sehr begrenzt, aber in einem wichtigen Punkt doch erfolgreich.

Die Kläger bieten Internetdienstleistungen an und sind zugleich als selbstständige Handelsvertreter eines Unternehmens tätig. In Foren wurden sie unter anderem als »Stalker«, »Krimineller«, »Terrorist«, »Bande«, »Schwerstkriminialität« und »kriminieller Stalkerhaushalt« bezeichnet. Dabei wurden Adressen, Bilder und Namen veröffentlicht. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2012 wandten sich die Kläger an die Beklagten zu 1) und 2), von denen erstere eine Internet-Suchmaschine betreibt, und letztere, als Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), unter anderem Online-Werbung vermittelt. In ihrem Schreiben monierten die Kläger die Persönlichkeitsrechtsverletzungen aufgrund der Inhalte in Foren und auf anderen Seiten, die über die Suchmaschine der Beklagten auffindbar gemacht würden. Die Kläger verlangten die dauerhafte Sperrung der Inhalte im Suchindex, die Löschung der Seite im Cache und einen Suchfilter für bestimmte Begriffsinformationen einzurichten. Beigefügt waren dem Schreiben eine Darstellung der Hintergründe sowie eidesstattliche Versicherungen der Kläger. Zwischen den Parteien entspann sich ein längerer Dialog. Die Beklagten löschten einige der Links, die Kläger lieferten ständig neue Linklisten. Die Kläger mahnte die Beklagten zu 1) mehrfach ab. Die Beklagte zu 1) gab jedoch keine Unterlassungsoder Verpflichtungserklärung ab, und erstattete auch keine Kosten. Schließlich erhoben die Kläger Klage vor dem Landgericht Köln, in der sie neben den genannten Forderungen auch Schadensersatz und Ersatz der außergerichtlichen Kosten verlangten.

Das Landgericht Köln gab der Klage teilweise statt: bezüglich der Beklagten zu 2) sah das Gericht die Klage als unbegründet, weil diese lediglich Werbung vermittelt und somit keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Suchergebnisse hat. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) sah das Gericht die Klage nur als teilweise begründet an (Urteil vom 16.09.2015, Az.: 28 O 14/14). Den Klägern billigte das Gericht einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der angezeigten Suchergebnisse gegen die Beklagte zu 1) als Störerin zu (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 GG). Die Beklagte zu 1) hat mit dem Betrieb der Suchmaschine an der Aufrechterhaltung und passiven Verbreitung durch Dritte getätigter Persönlichkeitsrechtsverletzungen mitgewirkt. Mit der Aufnahme der Diffamierungen und Beleidigungen in den Suchindex der Suchmaschine und die Zuordnung zu den betreffenden Personen und Schlagworten ermöglichte sie zudem die Kenntnisnahme einer Vielzahl von Personen, auch solchen, die nur vage Informationen über den Ort der Internetseite und den Inhalt der Aussagen hatten. Allerdings ist die Beklagte nicht verpflichtet, die nach Eingabe eines Suchbegriffs angezeigten Suchergebnisse generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde den Betrieb der Suchmaschine mit dem Ziel einer schnellen Recherchemöglichkeit der Nutzer unzumutbar erschweren. Doch trifft sie eine Verantwortung ab der Kenntnis um die Rechtsverletzung, die sie mit dem ausführlichen ersten Schreiben der Kläger und späteren Hinweisen auf Links erlangt hatte. Da aber ein Suchmaschinenbetreiber – anders als zum Beispiel ein Blogger – keine Stellungnahme beim Verantwortlichen einholen kann, sind die Anforderungen an den Betroffenen in Bezug auf seine Behauptungen zu der Rechtsverletzung höher. Zugleich sind an den Betroffenen keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Letztlich komme es bei der wechselseitigen Inkenntnissetzungs- bzw. Prüfungslast auf die Umstände des Einzelfalls an. Aus Sicht des Landgerichts Köln, das von hinreichender Inkenntnissetzung auf Seiten des Betroffenen spricht, haben die Kläger die höheren Anforderungen mit ihrem ersten Anschreiben erfüllt. Die Beklagte zu 1) hingegen habe daraufhin nicht angemessen reagiert und ihre Prüfungspflicht verletzt, weshalb sie es zu unterlassen hat, die von den Klägern vorgelegten Links im Suchergebnis anzuzeigen.

Das Gericht prüfte auch die weiteren Ansprüche. Es wies den Anspruch auf Einrichtung eines Suchfilters zurück, da die Vorsorgepflicht eines Suchmaschinenanbieters nicht so weit geht, bei Kenntnis einer bestimmten inhaltlichen Wortfolge eine kostspielige Filtersoftware zu entwickeln und zu installieren, die vor Ausgabe der Daten auf dem Bildschirm des Nutzers die aufgerufenen Internetlinks auf rechtswidrige Inhalte überprüft. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegt ebenfalls nicht vor, da die Beklagte zu 1) nachgeschaltet wegen der Verletzung ihrer Prüfpflichten haftet, nicht aber als unmittelbare Störerin und so als Täter oder Teilnehmer der Persönlichkeitsrechtsverletzung. Den Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) muss die Beklagte zu 1) teilweise allerdings ersetzen.

Das Landgericht Köln tastet sich vorsichtig an die Haftung von Suchmaschinenbetreibern heran und führt dabei vertretbare Argumente an. Damit rüttelt das LG Köln allerdings am Suchmaschinenbetreiberprivileg, meint Rechtsanwalt Beckmann (beckmannundnorda.de). Problematisch wird es in vergleichbaren Fällen, sollte die Haftungskonstellation Schule machen, die Abwägung der wechselseitigen Inkenntnissetzungs- bzw. Prüfungslast sein. Die Umstände des Einzelfalles sind dann, wie so oft, der Schlüssel einer vertretbaren Entscheidung.

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