Urheberrecht

LG Hamburg meint, DNS-Resolver Anbieter QUAD9 haftet als Störer

Der in Zürich ansässige DNS-Resolver-Betreiber Quad9 ist als Störer verpflichtet, die Auflösung bestimmter Domain-Namen einzustellen, die nach Ansicht der Sony Music Entertainment Germany GmbH an der Verletzung von Urheberrechten an Inhalten beteiligt sind. Das entschied das Landgericht Hamburg und bestätigte damit eine einstweilige Verfügung vom 12. Mai 2021 (Az. 310 O 99/21).

Bei Quad9 handelt es sich um eine gemeinnützige Stiftung, die kostenlose rekursive DNS-Auflösung mit optionaler zusätzlicher Malware-Filterung anbietet. Vereinfacht ausgedrückt, ist ein DNS-Resolver ein Softwaremodul, dass auf dem Rechner eines DNS-Teilnehmers installiert ist. Es hilft dem Internetnutzer dabei, Domains in numerische IP-Adressen aufzulösen. Die Systeme von Quad9 werden von schätzungsweise mehreren Millionen Endnutzern verwendet, darunter Einzelpersonen, Schulen, Internet-Provider und Regierungsbehörden. Im Juni 2021 wurde Quad9 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg zugestellt. Darin wird Quad9 verboten, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Musikalbum der US-Band Evanescence öffentlich zugänglich zu machen, indem Quad9 einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung stellt, der den Kunden eine Übersetzung von Domains in numerische IP-Adressen zur Verfügung stellt, so dass es mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich ist, eine bestimmte Domain zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrige Speicherungen des vorgenannten Albums aufzurufen. Nach Angaben von Quad9 ist die Website, deren Sperrung gefordert wird, nicht direkt der Ort, an dem die verletzenden Inhalte zu finden sind; sie ist lediglich eine Sammlung von Links, die auf andere Websites verweisen, unter denen die Inhalte zum Herunterladen angeboten werden. Gleichwohl: Das Gericht verneinte, dass sich Quad9 auf das Haftungsprivileg aus den §§ 7 bis 10 TMG berufen könne, obwohl zum Beispiel Internet Service Provider oder Domain-Registrare über diese Vorschriften von der Störerhaftung grundsätzlich ausgenommen sind.

Auf Widerspruch von Quad9 hat das Landgericht Hamburg zwar nun mündlich verhandelt, hält an seiner Auffassung jedoch fest und hat am 30. November 2021 den Widerspruch zurückgewiesen. Eine Begründung liegt öffentlich bisher nicht vor. Im Beschluss aus dem Mai 2021 hat das Landgericht eine Haftungsprivilegierungen für Diensteanbieter im Streitfall abgelehnt, da die Regelungen auf einen DNS-Resolver nicht anwendbar seien. Dabei stützt man sich auf ein Urteil des OLG Köln vom 09. Oktober 2020 (Az. 6 U 32/20), das sowohl eine unmittelbaren Anwendbarkeit des § 8 Absatz 1 TMG als auch eine erweiternde Auslegung ablehnt. Der Resolver übermittele weder die Informationen auf der gesuchten Webseite weiter, noch vermittele er selbst einen Zugang dazu; er stösst nur die IP-Adressen-Abfrage gegenüber den DNS-Servern an. Die Vorschrift des § 8 TMG regele gerade die Haftung für fremde übermittelte Informationen bzw. für fremde Informationen, zu denen der Zugang vermittelt wird; die Privilegierung beziehe nicht jedweden adäquat kausalen Beitrag im Zusammenhang mit der Übermittlung/Zugangsvermittlung ein. Eine Inanspruchnahme der unmittelbaren Täter und Teilnehmer der Rechtsverletzungen erscheine als für die Antragstellerin aussichtslos; insbesondere hätten sowohl der Sharehosting-Dienst als auch der Host-Provider, über den die Inhalte verbreitet werden, nicht reagiert. Ferner sei die Sperre verhältnismäßig, da eine strukturell rechtsverletzende Internetseite mit weit überwiegend illegalen Angeboten vorliege.

Quad9 hat bereits angekündigt, die Entscheidung nicht hinzunehmen und in Berufung zu gehen. Technisch neutrale Diensteanbieter dürften nicht die Kosten und Risiken für die Durchsetzung von Ansprüchen wegen Urheberrechtsverletzungen tragen, an denen sie weder beteiligt sind noch Kenntnis davon haben. Andernfalls würde die Störerhaftung beliebig auf unbeteiligte Dritte ausgeweitet. Dabei wird Quad9 von der Gesellschaft für Freiheitsrechte eV (GFF), dem eco Verband der Internetwirtschaft und der Stiftung Mercator Schweiz unterstützt. Zudem erlebte Quad9 seit Bekanntwerden des Verfahrens eine beachtliche Spendenwelle. Der Marktanteil von Quad9 am Resolvermarkt liegt bei etwa einem Prozent. Von gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Sony und dem Marktführer Google DNS ist hingegen noch nichts bekannt.

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