OLG München

Sharehoster haften für die gleiche Urheberrechtsverletzung unter anderem Link

Das Oberlandesgericht in München hat sich in einer aufwändigen und langen Entscheidung mit der Frage der Haftung eines Sharehosting-Anbieters für die von Nutzern rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachten Daten beschäftigt. Wenn danach ein Sharehoster von einem konkreten Link auf seiner Plattform erfährt, über den ein urheberrechtlich geschütztes Werk rechtswidrig heruntergeladen werden kann, muss er in der Folge Linksammlungen, die auf seinen Dienst verweisen, regelmäßig überprüfen.

Die Klägerinnen sind zwei Verlage, von denen einige digitale Werke über den Sharehosting-Service der Beklagten herunterladbar waren. Mit Schreiben vom 10. Januar 2014 wiesen die Klägerinnen die Beklagte auf bestimmte Buchtitel hin, die über bestimmte, in jeweils angegebenen Linksammlungen veröffentlichte Links auf den Servern der Beklagten öffentlich zugänglich seien. Auch später seien diese Werke, wenn auch unter anderen Links, auf den Servern der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden. Darüber setzten die Klägerinnen die Beklagten erst mit der Klageschrift in Kenntnis. Sie meinen, die Beklagte haftet aufgrund ihrer Stellung unabhängig von einer vorherigen Inkenntnissetzung als Täterin der über ihre Plattform begangenen Urheberrechtsverletzungen, weil ihre Plattform massenhafte Urheberrechtsverletzungen ermögliche. Die Klägerinnen machten gegen die Beklagte urheberrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche geltend.

Die Beklagte trug vor, sie stelle lediglich Speicherplatz zur Verfügung. Das sei ein von der Rechtsordnung ausdrücklich gebilligtes Geschäftsmodell. In ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen untersage sie ihren Nutzern, Urheberrechtsverstöße über ihre Plattform zu begehen. Sie bietet für die bei ihr abgespeicherten Dateien weder ein Inhaltsverzeichnis an, noch eine entsprechende Suchfunktion. Sie machte geltend, sie habe bereits umfangreiche proaktive und reaktive Maßnahmen getroffen; weitergehende Prüfpflichten seien ihr nicht zumutbar. Das Landgericht München I kam zum Ergebnis, dass die Beklagte teilweise hafte; zwar sei sie nicht Täterin, aber ab Zugang der Schreiben der Klägerinnen vom 10. Januar 2014 sei sie als Überwachergarantin Gehilfin hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen der Nutzer bezüglich der in den Schreiben vom 10. Januar 2014 aufgeführten Werke (LG München I, Urteil vom 18.03.2016, Az.: 37 O 6200/14). Hinsichtlich der später eingestellten Werke hafte sie nicht. Gegen die Entscheidung ging die Beklagte in Berufung zum Oberlandesgericht München. Die Klägerinnen gingen ihrerseits in Berufung.

Das OLG München sah hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und der Feststellung zur Verpflichtung zur Schadensersatzleistung die Berufung als begründet an (Urteil vom 02.03.2017, Az.: 29 U 1799/16). Die Anschlussberufungen der Klägerinnen waren aus Sicht des OLG München nur begründet, soweit der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der nicht in den Schreiben vom 10. Januar 2014 enthaltenen Werke abgewiesen wurde. Die Ansprüche auf Auskunft und Feststellung von Schadensersatzansprüchen wies das OLG München zurück. Zunächst schloss das OLG München die Haftung als Täterin oder Teilnehmerin der Urheberrechtsverletzungen aus: Der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsantrag sei im Hinblick auf die Stellung der Beklagten als Täterin nicht begründet, weil die Beklagte die streitigen Werke nicht selbst öffentlich zugänglich (§ 19a UrhG) gemacht habe. Die Tat erfolgte nicht durch die Beklagte, sondern durch die Nutzer ihrer Plattform. Der Beitrag der Beklagten beschränke sich darauf, die technischen Mittel für die öffentliche Zugänglichmachung bereit zu stellen; sie mache diese aber nicht selbst öffentlich zugänglich und biete die Daten nicht im eigenen Namen an. Die Beklagte mache sich die Inhalte auch nicht zu eigen. Sie selbst gäbe keine Informationen zu den Inhalten auf ihrer Plattform heraus, sie betreibe keine Linksammlungen. Die Linksammlungen, in denen Werke mit den entsprechenden Links zu den Dateien genannt würden, böten Dritte an. Das OLG stellte weiter fest, dass die Beklagte auch nicht Mittäterin ist, da sie nicht bewusst und gewollt mit Dritten zusammen wirke, denn sie wisse nicht, wer wann welche Daten auf der Plattform öffenlicht mache und ob damit Rechtsverletzungen einhergehen. Sie sei auch keine mittelbare Täterin, da sie keine Tatherrschaft habe, oder Gehilfin, da sie keine Kenntnis von der konkreten Urheberrechtsverletzung habe. Eine Haftung ergebe sich auch nicht aufgrund der Gefahrengeneigtheit ihrer Dienstleistung, über die in erheblichem Maße Urheberrechtsverletzungen begangen werden. Die Haftungsprivilegierung des § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG schütze sie, da die Beklagte weder Kenntnis noch Kontrolle über die bei ihr gespeicherten Informationen habe. Ihr Verhalten bei der Speicherung sei technischer, automatischer und passiver Art. Solange sie keine Kenntnis von einer konkreten rechtswidrigen Handlung habe, sei sie für diese nicht verantwortlich. Weiter begründe die allgemeine Kenntnis der Beklagten, dass über ihre Plattform massenhaft Urheberrechtsverletzungen begangen werden, keine Kenntnis hinsichtlich der einzelnen Haupttaten. Nur die jeweils konkrete Kenntnis von einem Link, über den eine Urheberrechtsverletzung erfolgt, führe zur Haftung.

Die Beklagte hafte allerdings als Störerin (§ 97 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a UrhG) hinsichtlich der Werke auf Unterlassung, nachdem sie nach dem Zugang der Schreiben vom 10. Januar 2014 auf die über die Plattform öffentlich zugänglich gemachten Werke hingewiesen worden war. Die Beklagte sei zwar nicht zu einer anlasslosen Überwachung verpflichtet, aber nachdem sie Kenntnis von den Urheberrechtsverletzungen erlangt hatte, hätte sie alles ihr technisch und wirtschaftlich Zumutbare tun müssen, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Sie hätte, genauso wie die Klägerinnen, in den Linksammlungen überprüfen können und müssen, ob eines der Werke dort mit einem Link zu ihrer Plattform aufgeführt werde. Dieser Pflicht kam die Beklagte nicht nach. Ihr sei es zuzumuten, eine umfassende regelmäßige Kontrolle der Linksammlungen, die auf ihren Dienst verweisen, vorzunehmen. Aus diesem Grunde hafte sie nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Da die Beklagte allerdings nur Störerin, nicht aber Täterin oder Teilnehmerin einer Urheberrechtsverletzungen sei, hafte sie nicht auf Schadensersatz, so dass die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Schadensersatzfeststellungsanspruchs und dem der Bezifferung des Schadensersatzes dienenden Auskunftsanspruch unbegründet und die Klage insoweit abzuweisen war.

Unsere Darstellung der Entscheidung des OLG München ist stark verkürzt und vereinfacht. Ein Blick in die lange Entscheidung, die derzeit nur bei Juris abrufbar zu sein scheint, lohnt sich für den Fachmann. Der Gedanke des OLG München, der Sharehoster sei nach Kenntnis verpflichtet, Linksammlungen regelmäßig zu überprüfen, ist bei einem (!) Rechtsstreit wie diesem mit einer guten Handvoll urheberrechtlich geschützter Werke nachvollziehbar. Doch scheint das OLG München nicht bedacht zu haben, was es bedeutet, regelmäßig nach allen urheberrechtlich geschützen Werken, die auf der eigenen Plattform einmal abrufbar waren und über die man in Kenntnis gesetzt wurde, auf Linksammlungen zu schauen, um etwaige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Ob dann noch von einer zumutbaren Pflicht die Rede sein kann, ist die Frage. Das OLG München beantwortete sie nicht, ließ aber übrigens auch die Revision in dieser Sache nicht zu.

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