LG Hamburg

(noch) keine Haftung des ISP

In der heißen Diskussion über die Einführung eines neuen § 8a TMG (Sperrung von kinderpornographischen Internetseiten) wird eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg über die Frage, inwieweit Zugangsprovider von privater Hand zur Sperrung von Internetangeboten gezwungen werden können, veröffentlicht. Das Urteil setzt positive Signale, aber im Detail stehen Zensur Tür und Tor offen.

Fünf Filmindustrieunternehmen beantragten eine einstweilige Verfügung gegen einen deutschen Internetzugangsprovider, der den Zugang zu einer Downloadseite unter indischer Domain-Endung sperren sollte, da über das dortige Webangebot urheberrechtlich geschützte Filme abgerufen werden können. Die Domain ist über einen Anonymisierungsservice registriert, auf der Webseite findet man kein Impressum und der Hosterserverbetreiber reagierte auf eine Abmahnung der Fünf nicht. Also beschloss man, einen hiesigen Zugangsprovider abzumahnen und, nachdem dieser nicht wunschgemäß reagierte, per einstweiliger Verfügung gefügig zu machen.

Das Landgericht Hamburg wies den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurück (Urteil vom 12.11.2008, Az.: 308 O 548/08). Das Gericht geht davon aus, dass auch ein Zugangsprovider als Störer in Fällen von Urheberrechtsverletzungen im Internet in Betracht kommt. Er leitet zwar nur Daten durch (§ 8 TMG) und muss diese nicht überwachen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 TMG), weshalb er privilegiert ist; doch das greift nicht bei einem Unterlassungsanspruch, der sich gegen die Verletzung von Immaterialschutzgütern richtet. Hierbei bezieht sich das Gericht überwiegend auf die ausführliche BGH-Rechtsprechung zu Internetversteigerungen, bei der zwar von Zugangsprovidern nicht die Rede war, aber ausgeschlossen wurden sie auch nicht.

Aus Sicht des Landgerichts kommt in diesem Falle eine Haftung jedenfalls nur nach Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung in Betracht, die hier gegeben war. Zudem muss die Sperrung der Domain dem Störer technisch möglich und auch zumutbar sein. Das LG Hamburg sieht hier den Zugangsprovider als Verursacher, der mit seiner Dienstleistung adäquat kausal die Rechtsverletzung herbeiführt. Die Frage nach dem Schutzzweck der Störerhaftung stelle sich an dieser Stelle nicht, sondern bei der Frage der Zumutbarkeit: die Adäquanz sei eine wertfrei Voraussetzung, die hier vorliege.

Dem Antragsgegner sei es möglich, die Sperrung der Domain herbeizuführen. Das Gericht erkennt zwar, dass die Sperrung die Erreichbarkeit nicht endgültig verhindert; aber sie führe eine Erschwerung der Erreichbarkeit her, was ausreiche. Auch müsse sich die Sperrung nicht auf genau dieses Angebot beschränken. Die damit einhergehenden Probleme flössen ebenfalls in die Zumutbarkeitsprüfung ein. Und an diesem Punkt lässt das Gericht den Antrag scheitern: Das Gericht wägt das Für und Wider ab und erkennt, dass der Aufwand für die Antragsgegnerin viel zu groß sei. Es bedürfe einer zeitlich aufwändigen juristischen Prüfung; die geforderte DNS-Sperre müsse eingerichtet und kontrolliert werden, und für die Erfüllung dieser Aufgaben sei eine neue Infrastruktur erforderlich. Die Antragsgegner würden damit Aufgaben zugemutet, die abseits ihres Kerngeschäftes liegen. Demgegenüber sei die Sperre sehr leicht zu umgehen und die Sperrung eigne sich daher kaum, die Rechtsverletzung zu unterbinden.

Soweit, so schön. Doch die Erwägungen des Landgerichts Hamburg wiegen mit Blick auf die vom Gesetzgeber angestrebte Einführung des § 8a TMG, über den Zugangsprovider verpflichtet werden, Sperrseiten gegen kinderpornographische Internetangebote einzurichten, weit schwerer. § 8a TMG zwänge den Zugangsprovidern genau die Infrastrukturen auf, die aus Sicht des LG Hamburg im Moment zu schaffen unzumutbar sind. Doch sind sie ersteinmal über den Gesetzgeber etabliert, fällt dieser Punkt bei der Zumutbarkeitsprüfung nicht mehr in die Waagschale der Zugangsprovider, sondern in die der Anspruchsteller. Damit bestünde dann gegebenenfalls die Möglichkeit, über § 8a TMG hinaus auch andere Rechtsgüter durch Internetsperren zu schützen. Bei all dem fragt man sich, wann die Musik- und Filmindustrie endlich Vint Cerf in Anspruch nimmt.

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