Das Landgericht Hamburg hat am 04.12.2007 (Az.: 324 O 794/07) eine einstweilige Verfügung gegen den Blogger Stefan Niggemeier bestätigt, wonach diesem untersagt wird, einen bestimmten Kommentar zu veröffentlichen. Wir hatten Ende des letzten Jahres bereits darüber berichtet. Nun liegen die Entscheidungsgründe vor, und Stefan Niggemeier hat Auszüge daraus veröffentlicht.
Am Sonntag, 12. August 2007, hatte ein Leser um 3.37 Uhr morgens einen rechtswidrigen Kommentar zu einem Blogeintrag von Herrn Niggemeier zum Thema Call-TV-Moderatorinnen und Abmahnung gepostet; um 11.06 Uhr hatte Herr Niggemeier den Kommentar entfernt. Die Antragstellerin hatte ihn jedoch gelesen und die Unterlassung begehrt, nachdem der Kommentar bereits gelöscht war. Vor dem LG Hamburg erlangte sie eine einstweilige Verfügung, gegen die Herr Niggemeier Widerspruch einlegte. Verhandelt wurde am 04.12.2007. Das LG Hamburg bestätigte die einstweilige Verfügung. Es sieht den Blogbetreiber in der Verantwortung und machte differenzierte Ausführungen zur Haftung von Forenbetreibern.
Nach Ansicht des Landgerichts Hamburg besteht für Forenbetreiber ein „gleitender Sorgfaltsmaßstab“ mit einem Spektrum abgestufter Prüfungspflichten: Je wahrscheinlicher vorhersehbar ist, dass infolge eines Eintrages schwere Persönlichkeitsverletzungen zu erwarten sind, desto höher sind die Prüfpflichten des Betreibers, die bis hin zu einer Dauer- und Vorabkontrollpflicht anwachsen. Der gleitenden Sorgfaltsmaßstab ergibt sich nach Ansicht des Gerichts, weil Meinungs- und Medienfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht verfassungsrechtlich gleichwertig sind. Hier habe Herr Niggemeier den rechtsverletzenden Kommentar nach eigenem Vortrag selbständig nach sieben Stunden gelöscht, was ihm das Gericht zu Gute hält. Aber das rettet ihn nicht: Es war aus Sicht des Gerichts konkret vorhersagbar, dass es jederzeit zu schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen Dritter kommen konnte. Der Blogeintrag bei Herrn Niggemeier bewegt sich selbst im Grenzbereich des persönlichkeitsrechtlich Zulässigen, denn er nennt die Moderatorinnen von Call-TV-Sendungen beim Namen und schlug einen außerordentlich scharfen und polemischen Ton an. Aus diesem Grunde bestand ein so gravierender Anlass zu der Befürchtung, es komme durch Kommentare zu schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen Dritter, dass die (nachträgliche) Überprüfung der Kommentare durch Herrn Niggemeier nicht ausreichte. Er stand in der Pflicht, die eingehenden Kommentare fortdauernd zu überprüfen, einen geeigneten Moderator einzuschalten oder die Kommentare schubweise, nach dem er sie kontrolliert hatte, freizugeben.
Der Argumentation von Herrn Niggemeier, eine derartige Prüfungspflicht sei ihm aufgrund des großen Umfangs seines Weblogs (500 eigene Einträge mit 13.000 hierauf bezogenen Kommentaren allein im vergangenen Jahr) unzumutbar gewesen, verfing nicht. Das Gericht stellt sich auf den Standpunkt, wer „ein öffentliches Diskussionsforum eröffnet, kann sich seiner Pflicht zur angemessenen Überwachung dieses Forums nicht dadurch entziehen, dass er es auf ein für ihn nicht mehr angemessen kontrollierbares Maß anwachsen lässt.“
Stefan Niggemeier hat angekündigt, in Berufung zu gehen. Wir sind gespannt, wie das OLG Hamburg die Sache beurteilt. Immerhin pauschalisiert das LG Hamburg die Pflichten des Forenbetreibers nicht, sondern differenziert je nach Inhalt des jeweiligen Eintrages. Man darf das durchaus als kleinen Schritt in eine angenehmere Forenhaftung verstehen.
Wer einen Überblick über das Haftungsrecht der Forenbetreiber bekommen will, dem sei das Skript zum Thema von Dr. Stephan Ott empfohlen.