Der Bundesgerichtshof erweitert die Rechtsprechung zur Störerhaftung in einem Rechtsstreit, in dem der Verpächter einer Domain in Anspruch genommen wurde (Urteil vom 30.06.2009, BGH VI ZR 210/08). Für den Verpächter ging die Sache glimpflich aus.
Die Beklagte verlegt das Nachrichtenmagazin Focus und ist Inhaberin der Domain focus.de, welche die Tomorrow Focus AG gepachtet hat. Laut Impressum ist die Pächterin für Inhalte unter focus.de verantwortlich, während die Beklagte für die Veröffentlichungen unter dem Verzeichnis focus.de/magazin verantwortlich zeichnet. Mit Schreiben vom 24. und 27. August 2007 wurde die Beklagte wegen eines unter focus.de veröffentlichten Artikels und darin enthaltener unwahrer Äußerungen abgemahnt. Sie informierte die Pächterin, die den Artikel unverzüglich vom Netz nahm und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. Die Beklagte selbst gab keine Unterlassungserklärung ab. Der Kläger begehrte daraufhin die Unterlassung unwahrer Äußerungen von der Beklagten und war damit in erster Instanz (LG Hamburg) erfolgreich; das zweitinstanzliche Gericht (hOLG Hamburg) gab der Berufung der Beklagten statt und ließ die Revision zu.
Der Bundesgerichtshof bestätigte mit dem aktuellen Urteil die Berufungsinstanz, es konnte keine nach den allgemeinen Vorschriften mögliche Haftung entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG feststellen. Die Beklagte habe durch die Verpachtung der Domain zwar zur Verbreitung des Artikels und der darin gemachten Äusserungen beigetragen, doch hafte sie nicht als Störerin, denn aufgrund der Verpachtung der Domain, aber auch indem sie auf dem Titel des Magazins Focus auf die Domain focus.de verweist, mache sie sich die Inhalte nicht zu eigen. Darüber hinaus haftet die Beklagte auch nicht als mittelbare Störerin, denn sie hat keine zumutbaren Prüfpflichten verletzt. Der BGH führt aus: „der Beklagten ist als Domain-Verpächterin nicht zuzumuten, die Website ihres Pächters allgemein dahingehend zu prüfen, ob sie Äußerungen enthält, die das Persönlichkeitsrecht anderer verletzen. Demgemäß trifft den (bloßen) Inhaber der Domain grundsätzlich keine Haftung für Rechtsverletzungen, die durch den Inhalt der Website begangen werden.“
Die Beklagte hat auch keine zumutbaren Prüfpflichten verletzt. Aus dem Umstand, dass von Medien immer wieder Persönlichkeitsrechtsverletzungen ausgehen, ergeben sich keine zumutbaren Prüfpflichten, da die hohe Zahl von Artikeln, die zusätzlich ständig in Echtzeit aktualisiert werden, nicht ständig überprüft werden könne. Den Verleger treffen bereits Prüfpflichten, weil er die Verbreitung redaktioneller Beiträge mit sachlichen und persönlichen Mitteln ermöglicht. Doch bei von fremden erstellten Inhalten ist diese Pflicht reduziert. Die Beklagte war nicht Herr des Angebots; aus dem Impressum ging die klare Regelung hervor, wer für welche Inhalte verantwortlich ist. Der Beklagten war es zumutbar, die Website ihres Pächters zu prüfen, nachdem sie von den konkreten Äußerungen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzten, Kenntnis erlangt hatte, da hier keine aufwändigen Nachforschungen erforderlich waren. Die Beklagte hatte freilich nach Kenntniserlangung und Prüfung die Störung unverzüglich beseitigt. Darum lag auch keine vollendete Rechtsverletzung vor, womit schon keine Wiederholungsgefahr besteht.
Mit dieser Entscheidung fügt der Bundesgerichtshof ein weiteres Steinchen in das Mosaik der Haftung im Internet: Der Verpächter einer Domain haftet zunächst nicht. Doch muss er handeln, wenn er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt und die Rechtslage auch prüfen kann. Was dann zu tun ist, hängt gegebenenfalls deutlich davon ab, was im Pachtvertrag vereinbart ist. In seiner Entscheidung greift der BGH dies auf und geht davon aus, der Verpächter kann sich vertraglich Einfluss auf den Inhalt der Internetseite vorbehalten. Eine klare Regelung hinsichtlich der Eingriffsrechte seitens des Verpächters für den Fall, der Pächter reagiert nicht, gewährleistet da Sicherheit.