Die Haftung von Domain-Vergabestellen

Rechtsprechung in Österreich

Nicht nur die DENIC eG hat so ihre Probleme mit dem Status bei der Domain-Namen-Vergabe und -Verwaltung (siehe kurt-biedenkopf.de, foris.de und ambiente.de). Wie eine Entscheidung des Handelsgericht Wien zeigt, hat auch die NIC.at, das österreichische Pendant zur DENIC, Schwierigkeiten.

Zwei Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung ergingen vor kurzem in Österreich. Bei beiden geht es um dieselbe Domain: fpo.at. Grund für den Rechtsstreit ist die seit Anfang 2000 unter der Adresse fpo.at betriebene Persiflage der FPÖ-Web-Site (fpoe.at), die reaktionäre und rechtsradikale Tendenzen in der Partei darstellen will. Lange bemühte sich die FPÖ um ein Löschung der Domain. Da die Website offiziell auf einen US-Bürger registriert ist, hätte es größerer Anstrengungen der FPÖ-Juristen bedurft, diesen direkt zu verklagen. Da lag es nahe, sich gleich an die österreichische Vergabestelle NIC.at zu wenden bzw. diese zu verklagen.

Zunächst gab es ein einstweiliges Verfügungsverfahren, das beim Obersten Gerichtshof (OGH) landete, der am 13.09.2000 dem Antrag der FPÖ nicht stattgab. Aber die getroffene Entscheidung enthielt Sprengstoff.

Der OGH (Entscheidung vom 13.09.2000, GZ 4Ob166/00s) sprach der FPÖ zunächst grundsätzlich einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zu. Der Namensschutz des § 43 ABGB komme auch politischen Parteien, bloßen Handelsnamen und sogar Firmenschlagworten zu, wenn sie unterscheidungskräftig sind oder – wie FPÖ – Verkehrsgeltung erlangt haben. Geringfügige Abweichungen des gebrauchten von geschützten Namen schließen den Namensschutz nicht aus, denn es könne auch durch das Schriftbild, Klang und Sinngehalt die Gefahr einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung bewirkt werden.

Alsdann war der OGH der Ansicht, dass NIC.at tatsächlich als Gegner in Betracht komme – als mittelbarer Störer. Zwar bestehe keine allgemeine Prüfungspflicht der Vergabestelle vor oder im Zusammenhang mit der Registrierung von Second Level Domain-Namen, was aufgrund der Anzahl täglicher Registrierungen auch nicht zumutbar wäre. Das entspricht dem, was man von der deutschen Rechtsprechung zu dieser Frage kennt (siehe kurt-biedenkopf.de). Aber, so der OGH, die Vergabestelle hafte nach den Grundsätzen für Fälle mittelbarer Beteiligung an Störungshandlungen, wenn der Verletzte unter Darlegung des entsprechenden Sachverhalts ihr Einschreiten verlangt und die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist.

Der aus dem Namensrecht abgeleitete Unterlassungsanspruch richtet sich somit auch gegen Mittäter und Gehilfen des eigentlichen Störers, die den Verstoß gegen das Namensrecht durch eigenes Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht haben.

Auch hier gibt es Parallelen zur deutschen Rechtsprechung. In dem Rechtsstreit über die Domain kurt-biedenkopf.de hatte das OLG Dresden entschieden:

„Die Beklagte zu 2. [DENIC e.G., DD] haftet, wenn ein Dritter für sie erkennbar in grober Weise die Rechte des Klägers verletzt. Eine Handlungspflicht besteht nur bei offensichtlichen Rechtsverstößen und wenn ein rechtskräftiges vorläufig vollstreckbares Urteil vorliegt. Die Blockierung eines Domain Namens ist damit nur gerechtfertigt, wenn jede Eintragung eines Dritten einen für die Beklagte zu 2. [DENIC e.G., DD] erkennbar offensichtlichen Rechtsverstoß darstellt; anders ausgedrückt, eine Sperrung hat zu unterbleiben, wenn ein Dritter seine Eintragung begehren könnte und diese keinen offensichtlichen Rechtsverstoß darstellen würde.“

Allerdings sah das OLG Dresden weder eine Haftung der DENIC als Mittäter oder Gehilfe des Störers, noch als Störer selbst. Das ist spätestens aufgrund der Entscheidung des BGH zu ambiente.de mittlerweile gefestigte Rechtsprechung. Wie ein offensichtlicher Rechtsverstoß aussieht, wurde aber bisher nicht näher erläutert. Das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung hingegen ist auch für die DENIC eine klare Sache.

In Österreich wurde der Antrag der FPÖ vom OGH allerdings abgewiesen, obwohl eine Mittäterschaft der NIC.at festgestellt wurde. Das Gericht berief sich darauf, dass durch eine einstweilige Verfügung keine Sachlage geschaffen werden dürfe, die im Falle eines diese Verfügung nicht rechtfertigenden Urteils im Hauptverfahren nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Löschung einer registrierten Domain aufgrund einer einstweiligen Verfügung birgt aber das Risiko, dass Dritte die frei gewordene Domain für sich registrieren und der ursprüngliche Inhaber nicht mehr an die Domain herankommt.

Also mußte die FPÖ ein Hauptverfahren anstrengen. In diesem Verfahren nun hat das Handelsgericht Wien entschieden und der Klage der FPÖ stattgegeben. Dabei ließ sich das Handelsgericht Wien von den im einstweiligen Verfügungsverfahren vom OGH dargelegten Erwägungen leiten.

OGH und Handelsgericht Wien sehen die Möglichkeiten und Pflichten der NIC.at zunächst wie der BGH sie bei der DENIC in seiner Entscheidung ambiente.de formuliert hat: im Zuge der automatisierten Domain-Vergabe ist keinerlei Prüfung etwaiger namensrechtlicher Verletzungen Dritter möglich. Aber – und da haben die österreichischen Gerichte eine etwas andere Sicht der Dinge – NIC.at ist verpflichtet, bei Rechtsverletzungen in Folge der Vergabe dieser Domain, die einem juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind, sofort einzuschreiten.

Wann eine Rechtsverletzung für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschung offenkundig ist, bleibt unklar.

Auch die deutsche Rechtsprechung ist in diesem Bereich mit seinen Formulierungen nicht gerade wegweisend – wie oben gesehen. Aber die Anforderungen an den juristischen Laien sind nicht ganz so hoch gestellt. In seiner Entscheidung ambiente.de wies der BGH darauf hin, es sei der DENIC „nicht zuzumuten, umfangreiche rechtliche Überprüfungen anzustellen und die Rechtsbeziehungen zwischen dem Anmelder und einem Dritten […] im einzelnen zu überprüfen und zu beurteilen“.

Das scheint nur vernünftig, da auch Gerichte (berechtigterweise) so ihre Probleme haben, Rechtsverletzungen dingfest zu machen. Wo dieses Know-how juristischen Laien abverlangt wird, scheinen die Gerichte eine hohe Meinung von den Laien zu haben – oder ist es eine Fehleinschätzung? Für einen juristischen Laien ist eine Rechtsverletzung beispielsweise nicht offenkundig, wenn beide Streitparteien ein Namens- bzw. Kennzeichenrecht haben. Wie soll der Laie erkennen, ob Namens- oder Markenrecht bestehen oder nicht? Was ist überhaupt ein Namens- oder Markenrecht?

Fälle wie shell.de und krupp.de, in denen Namensberechtigte von Firmen auf Herausgabe der Domains erfolgreich verklagt wurden und die eine Herausforderung für deutsche Gerichte waren, sind beim besten Willen von keinem Laien zu beurteilen. Und zu recht stellt NIC.at im nachhinein die Frage, wann man von einem juristischen Laien sprechen kann. Weiter läßt sich fragen, welche Anforderungen an Menschen zu stellen sind, die keine juristischen Laien sind aber auch keine Kenntnisse vom Namens- und Markenrecht haben.

Es stellt sich aber auch beim Vergleich der österreichischen zu den deutschen Entscheidungen eine weitere wichtige Frage: Zwischen den bisher genannten Entscheidungen besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied. Die österreichischen Gerichte verlangen von NIC.at nicht nur den Domain-Namen zu prüfen, sondern auch den Inhalt der jeweiligen Internetseite. Klingt absurd, aber genau das hatten die Gericht in dem Rechtsstreit um fpo.at entschieden: Die NIC.at muss den Inhalt der Webseite auf Rechtsverletzungen überprüfen!

Die Klägerin (die FPÖ) betonte nämlich, es gehe um die Verantwortung für den rechtsverletzenden Inhalt der Seite. NIC.at verteidigte sich, man sei nur für den technischen Betrieb des österreichischen Internet und nicht für die Inhalte der Webseiten zuständig. Allein, das Handelsgericht Wien führt in seiner Begründung aus, dass NIC.at sich mittelbar an Wettbewerbsverstößen beteiligt, die der Inhaber eine .at-Website begeht. Das gelte selbst dann, wenn NIC.at keinerlei Einfluß auf den Inhalt der Website hat.

Die österreichischen Entscheidungen ziehen als wesentlichen Grund für die jeweilige Rechtsauffassung den Domain-Namen in engen Zusammenhang mit dem Inhalt der Domain heran. Es entsteht der Eindruck, hätte die Domain einen anderen Namen, wäre der Inhalt der Seite in Ordnung. Und in der Tat besteht zwischen beiden ein notwendiger Zusammenhang, andernfalls gäbe es Rechtsstreite wie um die Domain mitwohnzentrale.de nicht. Und richtig, die jeweilige Domain-Verwaltung hat auf beides Einfluß. Wird der Name-Server-Eintrag gelöscht, so wird der Zugriff auf die Seite über den Domain-Namen verhindert.

Aber damit bleibt der Inhalt einer Webseite weiter verfügbar. Es entfällt lediglich die Rechtsverletzung, die vom Domain-Namen ausgeht. Unter diesen Umständen von der Domain-Verwaltung zu verlangen, Inhalte auf Rechtswidrigkeiten zu überprüfen, erscheint absurd, denn die Rechtsverletzung durch die Inhalte bleibt bestehen.

Das sah auch das LG Wiesbaden in dem Rechtsstreit r-e-y.de, in dem die DENIC wegen des Inhalts einer Webseite verklagt wurde. Die Mitarbeiter eines Geldinstituts fühlten sich durch die Inhalte unter der Domain r-e-y.de beleidigt. Durch die Löschung des Domain-Namen sollte die Seite zumindest schwerer erreichbar werden. Eine Rechtsverletzung ging vom Domain-Namen jedoch nicht aus.

Die einstweilige Verfügung der Bankangestellten wurde vom LG Wiesbaden zurückgewiesen. Es schloß sich der Rechtsauffassung der DENIC an und machte unmißverständlich klar, dass die DENIC keinen Anteil an der Rechtsverletzung habe und nicht in der Lage sei, Webseiten inhaltlich zu überprüfen. Auch sei die Überprüfung durch die DENIC gar nicht wünschenswert. Ihre Aufgabe liege nun mal einzig und allein in der Verwaltung von Domain-Namen. Bei angeblichen Rechtsverletzungen müssen sich die Betroffenen direkt an den Domain-Inhaber wenden. Zudem sei mit der Löschung des Domain-Namen nichts erreicht, da die Webseite durch die direkte Eingabe der IP-Adresse oder durch Verlinkung von einem anderen Domain-Namen aus weiterhin erreichbar wäre, mithin die Rechtsverletzung bestehen bleibe.

Mit dieser Begründung bestätigte das LG Wiesbaden die Registrierungsbedingungen der DENIC, die auf dem Internet-Standard RFC (Request for Comments) 1591 basieren. Desgleichen das OLG Dresden in seiner kurt-biedenkopf.de Entscheidung, in der es explizit auf diesen Standard bezug nimmt und ihn anerkennt, obwohl es sich nicht um ein Gesetz handelt (Urteil vom 28.11.2000, Az.: 14 U 2486/00, S. 12f).

Unter Ziffer 4. des von Jon Postel im März 1994 gefaßten RFC 1591 heißt es:

„4. Rights to Names

1) Names and Trademarks

In case of a dispute between domain name registrants as to the rights to a particular name, the registration authority shall have no role or responsibility other than to provide the contact information to both parties.

The registration of a domain name does not have any Trademark status. It is up to the requestor to be sure he is not violating anyone else’s Trademark.“

Die österreichischen Entscheidungen bedeuten letztlich die (zumindest teilweise) Abkehr von diesem allseits anerkannten Internet-Standard RFC 1591. Aufgrund dieser neuen Rechtsprechung des OGH und des Wiener Handelsgerichts hat Österreichs Domain-Vergabestelle NIC.at nun in Folge jeder Domain-Anmeldung und nach Hinweis eines Dritten zu prüfen, ob durch den Inhalt der Webseite eines angemeldeten Domain-Namen die Marken- oder Namensrechte oder sonstige Rechte des Dritten verletzt werden. Ob sie damit ihren eigentliche Aufgabe, der Registrierung und Verwaltung von Domain-Namen wird nachkommen können, ist fraglich. Und ob dabei ein vernünftiger Kostenrahmen für Domain-Inhaber gewährleistet werden kann, ist zweifelhaft.

NIC.at hat den Domain-Namen fpo.at jedenfalls vom Netz genommen.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, oder weitergegeben.
Bitte füllen Sie die gekennzeichneten Felder aus.*

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Episerver GmbH, Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top