Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. März 2007 (Az.: I ZR 101/06) zur Haftung einer Forenbetreiberin liegt nun vor. Im fraglichen Forum griffen zwei Teilnehmer den Kläger an. Doch anstatt gegen den in einem Fall dem Kläger bekannten Nutzer vorzugehen, wandte er sich direkt an die Forenbetreiberin. Wir werfen einen Blick in die Entscheidungsgründe des BGH.
In dem Rechtsstreit klagte der Mitbegründer und Vorstandsvorsitzende eines eingetragenen Vereins, der die Bekämpfung von Kinderpornographie und Gewaltdarstellungen im Internet zum Satzungszweck hat, gegen die Inhaberin eines Domain-Namens, unter dem sich ein Forum unter anderem mit sexuellem Missbrauch und Kinderpornographie beschäftigt. In dem Forum veröffentlichten am 26. Mai 2004 ein namentlich nicht bekannter Teilnehmer unter Pseudonym und am 14. Dezember 2004 der frühere Mitbegründer des Vereins unter Pseudonym jeweils einen Beitrag, der sich kritisch mit dem Kläger auseinandersetzt. Der Kläger verlangte Unterlassung bestimmter Äußerungen aus diesen Beiträgen, Schmerzensgeld sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten.
In erster Instanz vor dem Landgericht Düsseldorf war der Kläger weitestgehend erfolgreich: Die bemängelten Äusserungen beider Teilnehmer sollten verschwinden. Hiergegen wandte sich die Beklagte, mit der Folge, dass der Kläger in zweiter Instanz vor dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.04.2006, Az.: 1-15 U 180/05) nur hinsichtlich der Äußerungen des nicht namentlich bekannten Teilnehmers Erfolg hatte; da bescheinigte ihm das Gericht eine unzulässige Schmähkritik. Hinsichtlich der Äußerungen des dem Kläger bekannten Teilnehmers war das OLG Düsseldorf allerdings anderer Meinung als der Kläger. Auch hier lag wohl eine unzulässige Schmähkritik vor, doch sah das Gericht keinen Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte als Betreiberin des Forums, weil dem Kläger die Identität des Verfassers bekannt sei und er diesen auf Unterlassung in Anspruch hätte nehmen können.
Das hat nun der Bundesgerichtshof mit seiner aktuellen Entscheidung vom 27.03.2007 zurecht gerückt. Zunächst zollt der BGH der neuen Gesetzgebung Tribut: Da die BGH-Entscheidung nach Einführung des Telemediengesetzes, welches seit 01.03.2007 gilt und das TDG und den MDStV ersetzt, erging, war die Sache nach der neuen Gesetzgebung zu entscheiden. Maßgebend sind nun §§ 7 bis 10 TMG, die die früheren Regelungen (§ 11 Nr. 2 TDG oder § 9 Nr. 2 des MDStV) unverändert übernommen haben. Diese Normen sind jedoch keine Anspruchsgrundlagen; die Haftung ergibt sich vielmehr aus den allgemeinen Vorschriften des Zivil- und Strafrechts. Einschlägig ist damit § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Absatz 1 BGB, ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch.
Diesen Anspruch bestätigt der BGH zu Gunsten des Klägers gegen den unbekannten Forenteilnehmer. Im Hinblick auf diesen lässt sich eine Haftungsprivilegierung zu Gunsten der Forenbetreiberin nicht erkennen, weder aus § 10 TMG noch aus den früheren Normen des Teledienstegesetzes, nach denen der Diensteanbieter für fremde Informationen, die er für einen Nutzer speichert, nicht verantwortlich ist. Beide Regelungen fänden auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung. § 10 TMG betrifft lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung. Die Überlegungen des OLG Düsseldorf, ein Meinungsforum im Internet sei einer Live-Show im Fernsehen vergleichbar, bei der der Forumsbetreiber nicht unmittelbar eingreifen könne, lehnt der BGH in diesem Falle ab. Denn soweit ehrverletzende Äußerungen verbreitet werden und dem Forenbetreiber die erfolgte Rechtsverletzung bekannt ist, steht es dem Forumsbetreiber zu Gebote, dies zu verhindern, indem der als unzulässig erkannte Beitrag entfernt wird. Wird der Beitrag nicht entfernt, komme dies einer Wiederholungssendung gleich, bei der eine ehrverletzende Äußerung nicht geschnitten worden sei. Der Forenbetreiber hafte demnach nach § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Absatz 1 BGB.
Hinsichtlich des dem Kläger bekannten Forennutzers sieht der BGH keinen Unterschied zum anonymen und unbekannten Forennutzer. Die Verantwortlichkeit des Forenbetreibers entfalle nicht deshalb, weil dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist. Der Forenbetreiber ist Herr des Angebots und damit Störer, soweit ein ehrverletzender Beitrag in sein Forum eingestellt wird. Die Sachentscheidung hinsichtlich des dem Kläger bekannten Forennutzers konnte der BGH nicht treffen, da das OLG Düsseldorf dazu keine Feststellungen und keine rechtliche Würdigung hinsichtlich des Inhalts des Forenbeitrags getroffen hat. Damit war die Sache an das OLG Düsseldorf zurückzuverweisen. Wann mit einer Entscheidung aus Düsseldorf zu rechnen ist, ist derzeit offen.
Nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist klar: Forenbetreiber zu sein bedingt ein hohes Maß an Verantwortung und Aufmerksamkeit.