Hintergrund für die aktuelle Entwicklung bei der Domain-Vergabe unter .de von DENIC, die nun die Registrierung von kurzen Domains und reinen Zahlendomains zulässt, ist eine kleine Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Für DENIC eG und die deutsche Domain-Szene bringt diese einen gravierenden Wandel mit sich; dem Bundesgerichthof war sie keine Begründung wert.
In seinem Urteil vom 29.04.2008 des OLG Frankfurt/M (Az.: 11 U 32/04 (Kart)), in dem es DENIC eG verpflichtete, die Domain vw.de für die Volkswagen AG zu registrieren, ließ das Gericht die Revision nicht zu. So blieb DENIC eG alleine eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof. In seinem Beschluss vom 29.09.2009 (Az.: KZR 70/08) wies der BGH diesen Antrag von DENIC eG auf Zulassung der Revision ab. Der BGH veröffentlichte lediglich den Tenor; von einer näheren Begründung sah der BGH unter Berufung auf prozessrechtliche Bestimmungen ab. Nach Ansicht des BGH, der damit einer Meinung mit dem OLG Frankfurt/M ist, ist die Angelegenheit weder von grundsätzlicher Bedeutung noch dient sie der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich sei.
Dass sich der BGH einer Begründung seiner Entscheidung enthält, wirft Fragen auf. Zunächst muss man wissen, dass es sich bei dem entscheidenden Senat um den Kartellrechtssenat handelt und nicht um den üblicherweise mit Domain-Streitigkeiten betrauten 1. Zivilsenat. Man könnte Unwissenheit des Kartellsenats unterstellen: den Richtern und wissenschaftlichen Mitarbeitern dieses Senats war die Bedeutung der mit dem frankfurter Urteil einhergehenden Sach- und Rechtsfragen für die Domain-Industrie in Deutschland einfach nicht klar. Dabei betrat das OLG Frankfurt/M mit der im Urteil vorgegebenen Registrierung von vw.de unter dem Vorbehalt, die Domain bei Eintragung einer entsprechenden ccTLD wieder zu löschen domainrechtliches Neuland, das vor dem Hintergrund der von ICANN angekündigten Einführung zahlreicher neuer Top Level Domains praktische Probleme wie Prüf- und Überwachungspflichten aufwirft. Im Hinblick darauf hätte der BGH sich erklären müssen. Zugleich stellte sich DENIC eGs Verweis auf die RFC 1535, die einen Fehler der Software der Domain Name Server beschreibt, die zu Problemen bei TLD-gleichen Zeichen, wie com.edu und eu.de, führt, als Marginalie heraus: Laut Gutachten ist das von der veralteten Software ausgehende Risiko minimal. Das mag für den Kartellsenat den Ausschlag gegeben haben und begründet vielleicht seine Wortkargheit.
Sollte der BGH schweigen, weil das alles nicht so wichtig ist, könnte sich die Domain-Industrie fragen, ob sie ihre Bedeutung überschätzt. Dass ein Unternehmen auch unter einer sehr kurzen Domain erreichbar ist, hat mehr Gewicht als ein bisschen fehlerhafte Software auf dem ein oder anderen Server. Die vergangenen 20 Jahre haben gezeigt, dass Domains eines der wichtigsten Instrumentarien unserer Zukunft sind. Man kann ihre Bedeutung, insbesondere für die Wirtschaft, schwerlich überschätzen. Darüber tritt die Infrastruktur, die das ermöglicht, in den Hintergrund. Aber auf die baut wirtschaftlicher Erfolg auf; und das ist keine Kleinigkeit. Im Hinblick darauf ist die fehlende Begründung des Beschlusses das falsche Zeichen und eine Verfehlung des BGH.