ICA

Rückblick auf die zweite »Levine Lectures« mit Domain-Anwalt David Bernstein aus New York

Die Internet Commerce Association (ICA) hatte für den 21. Juli 2025 zur 2. Levine Lecture zu Ehren von Domain-Anwalt Gerald Levine geladen. Wieder gibt es eine Aufzeichnung, die wir uns angeschaut haben.

Die ICA setzt sich für den Schutz und die Interessen von Domain-Inhabern ein und gibt nun seit einigen Jahren das »ICA UDRP Digest« heraus, in dem aktuelle UDRP-Entscheidungen vorgestellt und teilweise kommentiert werden. Zur Ehrung von Domain-Anwalt Gerald Levine, Gewinner des ICA Lifetime Achievement Award für seine bedeutenden wissenschaftlichen Beiträge zur UDRP, Autor des Buches »Domain Name Arbitration« sowie WIPO- und Forum-Panelist, startete die ICA vergangenes Jahr die jährlich stattfindenden »Levine Lectures«. Die 2. Levine Lecture bestritt jetzt Domain-Anwalt David Bernstein aus New York.

Bernstein, genannt der »Zauberer des Markenrechts«, begann Anfang der 1990er Jahre seine Anwaltskarriere und hat rund 400 UDRP-Entscheidungen getroffen, knapp 300 bei WIPO und mehr als 100 bei anderen Streitbeilegungsinstitutionen. Er sieht sich selbst nicht als »digital native«, war aber in der Lage, schon früh in den 1990er Jahren Domain-Prozesse erfolgreich zu führen, wie etwa um kaplan.com, bei dem die Princeton Review klassisch die Marke von Stanley Kaplan verletzte, um auf ihre eigenen Lernprogramme aufmerksam zu machen, oder avon.com, bei dem die Domain lediglich registriert war, aber nicht geschäftlich genutzt wurde – ein klarer Fall von Cybersquatting, dem markenrechtlich aber nur schwer beizukommen war. Für Bernstein und seine Kollegen war die Erarbeitung der UDRP die Lösung aller domainrechtlichen Probleme. Ende der 1990er gab es eine Menge Cybersquatting. Die UDRP einmal implementiert, würde man ruck zuck alle Streitigkeiten schnell geklärt haben und alles wäre gut. Doch wie sich herausstellte, war das ein Irrtum. Das Internet entwickelte sich in den vergangenen 25 Jahren weiter, wurde komplexer, mit mehr gTLDs und ccTLDs, einer Explosion von Anwendungen, Registries, Registraren und Registrierungen weltweit. Mit der Zunahme an Komplexität wurden auch die Domain-Streitigkeiten komplexer. Die ganz überwiegende Mehrheit der UDRP-Verfahren sei nach wie vor einfach; doch gäbe es hochkomplexe Fälle, die einen großen Aufwand bei der Prüfung mit sich bringen. Bernstein mutmaßt, dass AI bei den einfacheren Fällen zukünftig helfen und die Kosten niedrig halten werde, aber bei den komplexen Fällen bedürfe es des spezialisierten Fachmanns. Etwa 95 Prozent der Fälle seien einfach und klar zu entscheiden und führen zum Transfer der Domain. Doch er beschäftige sich – oft in Dreierpanels – mit den komplexen Fällen. Bei ihm liege die Transferquote gerade mal bei 50 Prozent.

Und so kommt Bernstein auf eines seiner Kernthemen der Vorlesung: In einigen dieser komplexen Fälle streiten die Parteien darüber, inwieweit die Behauptung einer Markenverletzung für die Frage des Cybersquatting relevant ist. Es gäbe die Ansicht, aufgrund der Komplexität könne man von einer Entscheidung absehen, da es sich um einen Fall handele, der von der UDRP nicht gedeckt sei. Dem stimmt er jedoch nicht zu – wie auch Gerald Levine. Eine Markenrechtsverletzung ist relevant im Rahmen des UDRP-Verfahrens und kein Grund, eine Beschwerde abzuweisen mit der Begründung, dass dies außerhalb des Geltungsbereichs der UDRP liege. In der Folge zeigt Bernstein für jedes Element der UDRP, wie Fragen des Markenrechts in die eigentlich zur Lösung von Cybersquatting-Fällen entwickelte UDRP eingebunden sind. Es wird deutlich, dass beispielsweise der Vertrieb gefälschter Markenprodukte keine geschäftliche »bona fide«-Nutzung einer Domain darstellt. Panelisten müssen in einem solchen Fall die Verletzung eines Markenrechts prüfen. Im Streit um die Domain voguecatch.com prüfte das Dreierpanel, ob tatsächlich gefälschte Markenprodukte über die streitbefangene Domain vertrieben werden. In einem vorangegangenen Fall hatte das Panel vom Beschwerdeführer verlangt, dass er ein gefälschtes Produkt bestellt und analysiert, um nachzuweisen, dass es ein gefälschtes Produkt ist. Das ging Bernstein und den Kollegen im vougecatch.com-Fall zu weit. Ihnen reichte aus, dass der Beschwerdeführer die Wahrscheinlichkeit einer Fälschung belegte. Die einfache Behauptung, es seien Fälschungen, reiche hingegen nicht aus – ein Panel brauche Fakten. In umgekehrten Fällen prüfe man ebenfalls Markenrecht bei der Feststellung, dass »bona fide« vorliegt. Als Beispiel nennt Bernstein den Oki-Data-Fall, bei dem er mit im Dreierpanel saß und in dem er vier Voraussetzungen aus dem Markenrecht benannt hat, die erfüllt sein müssen, damit hier von legitimem »bona fide« die Rede sein könne. In der Folge referiert er weitere schwierige Fälle. Er gibt auch Beispiele bei Fragen des »bad faith«, etwa der Streit um ejuicedb.com, die sich von der Marke »juice db« nur durch das online oft genutzte »e« unterschied. Kernfrage war: wusste der Gegner von der Marke und dem Beschwerdeführer? Der Fall wäre vor einem Markengericht anders ausgegangen, Bernstein sah hier kein »bad faith«. Oder der Fall praythevote2024.com/.org, bei dem der Gegner um die Marke »praythevote« wusste, ja die Sache eingehend geprüft hatte mit dem Ergebnis, dass er davon ausging, sie sei mangels Nutzung gelöscht. Für Bernstein war der Gegner seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen und durfte den fehlenden Markenschutz annehmen, weshalb er ihm keine Bösgläubigkeit zuschrieb. Fragen des Markenrechts spielen demnach oft in UDRP-Verfahren hinein und machen die Prüfung komplexer.

In der gut einstündigen Levine Lecture geht David Bernstein zahlreiche komplexe Szenarien der Entscheidungsfindung in UDRP-Verfahren durch. Der Schwerpunkt seines Vortrags liegt auf dem Einfluss und der Notwendigkeit der Prüfung von markenrechtlichen Fragen. Die von ihm herangezogenen Beispiele geben hilfreiche Einsichten für Anwälte und Betroffene, die sich mit UDRP-Verfahren auseinandersetzen. Es lohnt, sich die Stunde Zeit zu nehmen und die 2. Levine Lecture anzuschauen.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, oder weitergegeben.
Bitte füllen Sie die gekennzeichneten Felder aus.*

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Optimizly GmbH (vormals Episerver GmbH), Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top