DENIC eG, die deutsche Domain-Verwaltung, unterlag in einem Rechtsstreit vor dem Kartellsenat des Oberlandesgericht Frankfurt/Main (Urteil vom 29.04.2008, Az.: 11 U 32/04 (Kart)), und muss danach der Volkswagen AG die Zwei-Zeichen-Domain vw.de zur Verfügung stellen, solange es keine Top Level Domain .vw gibt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Die Volkswagen AG klagte gegen die DENIC eG, weil sie der Meinung ist, sie erleide gegenüber Konkurrenten wie der BMW AG, die von ihren Kunden unter der Domain bmw.de erreicht werden kann, Wettbewerbsnachteile; DENIC sollte der Volkswagen AG die Domain vw.de zur Verfügung stellen. DENIC hält dagegen an ihren Domain-Richtlinien fest und beruft sich auf die RFC 1535 (Request for Comments), in der ein Fehler in der Software der Domain Name Server beschrieben wird, demnach es problematisch ist, wenn Zeichen, die einer Domain-Endung entsprechen, als Second Level Domain registriert werden, wie etwa bei com.edu, eu.de und ähnlichen. Vor dem Landgericht in Frankfurt war die Volkswagen AG nicht erfolgreich (Urteil vom 07.04.2004, Az.: 2/6 O 450/03). Die Volkswagen AG ging daraufhin in Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt.
Nun liegt die Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 29.04. 2008, Az.: 11 U 32/04 (Kart)) vor, in der der Berufung stattgegeben wird; die Volkswagen AG hat demnach einen Anspruch auf den Domain-Namen vw.de, solange nicht eine Top Level Domain „.vw“ eingeführt wird. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts erleidet die Volkswagen AG einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz, wenn ihr diese Domain nicht zur Verfügung gestellt wird (§§ 20 Abs. 1, 33 Abs. 1 und 3 GWB). Aufgabe der DENIC sei es, den üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr via der von ihr verwalteten Domain-Endung .de allen zu öffnen. Dabei komme es nicht auf die Länge des Domain-Namens an, sondern darauf, dass die Zuteilung von Domains überhaupt erfolge. Indem sie der Volkswagen AG die Domain vw.de verweigere, liege, wie bereits das Landgericht in der Vorinstanz festgestellt hatte, eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu solchen Automobilunternehmen, deren Marke als Second Level Domain unter .de eingetragen wurde. Anders als das LG Frankfurt kam das OLG Frankfurt bei der Abwägung der Interessen beider Parteien jedoch zu dem Ergebnis, das eine Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt ist.
Der Nachteil, den die Klägerin dadurch erleidet, dass sie unter dieser Domain derzeit nicht aufzufinden ist, sei zwar nicht konkret zu ermessen; doch sei davon auszugehen, dass zumindest ein gewisser Anteil der Internet-Nutzer die Suche nach der Webseite der Volkswagen AG aufgeben, wenn sie nicht unter der zuerst angewählten Domain vw.de erreichbar ist. Dagegen hätten die Interessen von DENIC zurückzustehen: DENIC sieht die Gefahr, die von einer potentiellen Störung des Internetverkehrs ausgehen kann, sollte .vw als Domain-Endung eingeführt werden. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass grundsätzlich alle Prozessbeteiligten vom Bestehen dieser Gefahr ausgehen; ein Sachverständiger hat dies ausführlich begutachtet und vorgetragen; doch sind sich ebenfalls alle Parteien einig, dass eine konkrete Gefahr von der Domain vw.de nicht ausgehen werde, solange eine entsprechende Top Level Domain nicht eingeführt ist. Und die Befürchtungen von DENIC, in Folge des Urteils würden nicht nur Wettbewerber der Volkswagen AG, sondern Unternehmen aller Branchen und Privatpersonen sie hinsichtlich zweistelliger .de-Domains in Anspruch nehmen, reichte für das OLG Frankfurt nicht aus, um eine sachliche Ungleichbehandlung der Volkswagen AG gegenüber anderen Unternehmen und insbesondere Kraftfahrzeugherstellern zu rechtfertigen. Der DENIC billigte das Gericht zu, nur solche Second Level Domains vergeben zu müssen, die eine Störung vollkommen ausschließen.
Das OLG Frankfurt ließ die Revision gegen diese Entscheidung nicht zu. Die DENIC legte deshalb gegen die Nichtzulassung der Revision Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ein. Die Entscheidung aus Frankfurt ist demnach noch nicht rechtskräftig.
Die VW-Domain wäre, sollte das Urteil rechtskräftig werden, nicht die einzige zweistellige Domain unter .de: es existieren noch Altbestände wie db.de, ix.de und hq.de (bb.de ist seit einiger Zeit nicht mehr registriert), die alle vor Inkrafttreten der DENIC-Richtlinien im Jahr 1997 registriert worden sind und daher – wie es von DENIC-Seiten heisst – Bestandsschutz geniessen. Das Urteil dürfte einige Unternehmungen auf die Idee bringen, nun ihrerseits zweistellige Domains von DENIC einzufordern. Die Hürden dafür sind aber, das macht das nicht rechtskräftige Urteil des OLG Frankfurt/Main deutlich, durchaus hoch angesetzt.