tipp.ag

Werden Aktiengesellschaften Pflicht für die Top Level Domain?

Das OLG Hamburg hat in 2. Instanz (Urteil vom 02.06.2004, Az.: 5 U 162/03) im Rechtsstreit um die Nutzung des Zeichens „tipp.AG“ bzw. „tipp.ag“ die Entscheidung der ersten Instanz bestätigt und ein wenig ergänzt: Die Inhaberin der Domain „tipp.ag“ darf diese nur weiter benutzen, wenn aus der Moramis GmbH eine Tipp Aktiengesellschaft wird. In letzter Konsequenz wird dann die country code Top Level Domain von Antigua und Barbuda, .ag, ausschließlich für Aktiengesellschaft und Private nutzbar.

Die Klägerin, die Tipp24 AG, ein Internet-Annahmeservice für die Teilnahme an Gewinnspielen, wandte sich gegen die Beklagte, die Moravis GmbH, die Inhaberin der Domain tipp.ag ist und hinsichtlich der Nutzung der Zeichen „tipp.ag“ in Konkurrenz zur Klägerin steht.

»Gegenstand des Unterlassungsantrags ist die Verwendung der Zeichen „tipp.AG“ bzw. „tipp.ag“ als geschäftliche Bezeichnung in jeder Verwendungsform und für jede Ware oder Dienstleistung.«
Es geht also nicht alleine um die Domain. Die Beklagte nutzte dieses Zeichen auch auf der Homepage und in PopUp-Werbung, bei der ihre Gesellschaftsform nicht deutlich wurde.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Nutzung des auf eine Aktiengesellschaft hinweisenden Kürzels „ag“ durch die Beklagte, die eine GmbH ist, sei in jeder Form irreführend. Die Beklagte selbst bezeichnet sich als „Abgabegemeinschaft“, was man ihrer WebSite entnehmen kann; über die Gesellschaftsform, die GmbH, werde der Internetnutzer dort ebenfalls informiert. Die Beklagte ist der Ansicht, dass durch diese Informationen etwaige Fehlvorstellungen der Internetnutzer korrigiert würden.

Das LG Hamburg sah in seinem Urteil vom 02.09.2003 (Az.: 312 O 271/03), bei dem es ausführlich die Entscheidung im vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren zitierte, eine Irreführung gemäß §§ 1 und 3 UWG, und gab der Klage statt.

Genau dieses Urteil, über das wir bereits berichtet haben, bestätigte nun auch das OLG Hamburg in seiner bisher nicht veröffentlichten Entscheidung:

»Durch die Verwendung der geschäftlichen Bezeichnung „tipp.AG“ bzw. „tipp.ag“ für ihre Produkte täuscht die Beklagte die von ihr angesprochenen Interessenten über ihre Unternehmensform und veranlasst dadurch nicht unerhebliche Teile des Verkehrs, sich irrtumsbedingt mit ihrem Angebot in wettbewerblich relevanter Weise näher zu befassen.«
Beide Gerichte sind sich einig, dass die Abkürzung AG allgemein als Abkürzung für Aktiengesellschaft verstanden werde. Dies verfolge die Beklagte auch mit ihrer Form der Werbung. Dass sie an anderer Stelle die eigentliche Rechtsform den Kunden klar macht, reiche nicht aus, den Irrtum angemessen zu korrigieren.

Angelegentlich der sehr gründlichen Betrachtung der Irreführung, die von den von der Beklagten verwendeten Zeichen ausgehen, verheddert sich der OLG Senat in seiner Darstellung der im Internet üblichen Domain-Verwendungen und der Firmierung einiger Unternehmen. Richtig ist sicherlich, dass vielfach unter der Abkürzung „AG“ eine Aktiengesellschaft verstanden wird; aber es wird auch Arbeitsgemeinschaft, Amtsgericht und die Abkürzung für Silber (Argentum = Ag) darunter verstanden – die von der Beklagten genutzte Bezeichnung „Abgabegemeinschaft“ ist eher abwegig. Das OLG Hamburg meint, in der konkreten Anwendung verstünden die angesprochenen Verkehrskreise darunter eine Aktiengesellschaft, trotz des Punktes zwischen „Tipp“ und „AG“. Dies, so das Gericht, sei in Zeiten des Internet üblich: Unternehmen firmieren mit einer Top Level Domain, wie die freenet.de AG.

Die freenet.de AG ist eine Aktiengesellschaft, sie firmiert jedoch nicht als freenet.ag; und „de“ ist kein geschäftlicher Zusatz, um die Rechtsform zu bezeichnen. Der Zusammenhang zu tipp.ag geht da ein wenig verloren. Gleiches gilt für die als Beispiel herangezogene Xtranet GmbH, die auch einmal unter der Domain xtra.net zu finden war (an dieser Stelle liegt wohl ein Versehen des Senats vor, da im Urteil von der Domain „www.xtra.net.de“ die Rede ist). Und schließlich wird das Beispiel „ich.ag“ herangezogen. Die Domain steht aber gerade nicht für eine Aktiengesellschaft, was der Senat selber mitteilt, und wird auch von keiner Aktiengesellschaft betrieben. Diese Beispiele, mit denen der Senat wohl darzustellen versucht, dass Top Level Domains zur Identifizierung von Unternehmen genutzt werden, verfängt nicht. Es wird von Seiten des Gerichts auch kein Beispiel herangezogen, aus dem ersichtlich würde, dass von Unternehmen der Zusatz zur Rechtsform des Unternehmens lediglich durch einen Punkt vom Unternehmensnamen getrennt würde. Unter diesem Gesichtspunkt weist die Darstellung der von der Moramis GmbH genutzten Zeichen „tipp.AG“ bzw. „tipp.ag“ geradewegs auf die Top Level Domain hin. Das ist so im Verkehr üblich und das weiss der Internetnutzer.

Ein weiteres Missverständnis ergibt sich bei der Frage, ob die Beklagte sich mit der registrierten Domain einen erheblichen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen sucht. Der Senat des OLG geht davon aus und argumentiert mit Suchmaschinentreffern. Die Klägerin habe belegt, so das OLG Hamburg,

»dass die Beklagte über allgemeine Suchmaschinen bei der Eingabe der Bezeichnung „TIPP“ mit weiteren Suchbegriffen ohne weiteres gefunden und an prominenter Stelle des Suchergebnisses präsentiert wird. Insbesondere solche Rechercheergebnisse bergen ein erhebliches Irreführungspotenzial in sich, […]«
Fragen nach der Funktionsweise von Suchmaschinen, des Suchmaschinenmarketings und der Suchmachinenoptimierung werden in diesem Zusammenhang jedoch nicht angesprochen. Diese sind aber entscheidende Kriterien für die Listung bei Suchmaschinenabfragen. Jedem Mitbewerber steht es frei, an dieser Stelle zu investieren. Man kann es einem Unternehmer nicht zum Vorwurf machen, wenn er eine griffige Domain gewählt hat, die sein Angebot auf den Punkt bringt und deshalb gute Ergebnisse in Suchmaschinen bringt.

Die Entscheidung des OLG Hamburg sowie der Vorinstanz in dieser Angelegenheit ist zweifelhaft. Sollte das OLG-Urteil so stehen bleiben, würde die Top Level Domain .ag in einer Art limitiert, wie sie von den Registrierungsbedingungen für .ag nicht vorgesehen ist. Das Ergebnis weicht entschieden von dem ab, was im Internet und gerade bei anderen unrestricted Top Level Domains üblich ist. Eine Abmahnwelle gegen Inhaber von geschäftlich genutzten .ag-Domains, die keine Aktiengesellschaft sind, ist wahrscheinlich.

Die Revision gegen das Urteil ist nicht zugelassen. Das OLG ist der Ansicht, der Rechtsstreit habe keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beklagte erwägt nun eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof.

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