Persönlichkeitsrecht

Gericht sperrt wikipedia.de

Besucher des deutschsprachigen Teils der Online-Enzyklopädie Wikipedia gelangen derzeit nur auf Umwegen zu ihrem Ziel: mit einstweiliger Verfügung des Amtsgericht Berlin vom 17. Januar 2006 (Az. 218 C 1001/06) wurde Wikimedia Deutschland e.V. untersagt, über die Domain wikipedia.de auf die Internetadresse de.wikipedia.org weiterzuleiten, solange sich dort der bürgerliche Name eines inzwischen verstorbenen Hackers wiederfindet.

Seinen Ursprung nimmt dieser in der deutschen Rechtsgeschichte bisher einmalige Fall im Jahr 1998, als der unter dem Nicknamen „Tron“ bekannt gewordene Hacker Boris F. unter Umständen starb, die Anlass zu einer Vielzahl von Spekulationen gaben. Details zum Leben und Sterben von Tron finden sich seit geraumer Zeit im Online-Angebot von Wikipedia wieder; hierbei wird auch der bürgerliche Name vollständig genannt. Hiergegen wandten sich die Eltern von Tron; im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens machten sie geltend, dass durch die Nennung des Namens das postmortale Persönlichkeitsrecht verletzt werde. Am 17. Januar 2006 gab das Amtsgericht Berlin dem Antrag unter Verweis auf die §§ 1004 i.V.m. 823 BGB, Art. 1 und 2 GG statt, und untersagte Wikimedia, die Internet-Adresse wikipedia.de auf die Internetadresse de.wikipedia.org weiterzuleiten, solange unter de.wikipedia.org ein Beitrag vorgehalten wird, der den bürgerlichen Nachnamen des Sohnes der Antragsteller nennt. Ein Zugriff auf das (deutschsprachige) Internetangebot von Wikipedia und damit auch den streitigen Eintrag ist über die Subdomain de.wikipedia.org, deren Inhaber Wikipedia-Gründer Jimmy Wales ist, jedoch weiterhin möglich.

Mitte Dezember 2005 war eine ebenfalls vor dem Amtsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 209 C 1015/05 noch gegen die Wikimedia Foundation Inc. beantragte und erlassene einstweilige Verfügung offensichtlich wegen Zustellungsproblemen ohne Wirkung geblieben. Wikipedia Deutschland setzte sich indes gegen die erneute Entscheidung zur Wehr, und erreichte inzwischen die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 500,00.

Die Kritik gegen den Gerichtsbeschluss konzentriert sich im wesentlichen auf zwei Aspekte: zum einen ist fraglich, ob und inwieweit tatsächlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Zum anderen legt die Entscheidung aufgrund eines einzigen beanstandeten Eintrags eine Datenbank mit immerhin etwa 350.000 Einträgen lahm, so dass sich die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt. Wikimedia Deutschland hofft nun, dass über den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung schon in der 5. Kalenderwoche 2006 entschieden wird.

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