Es gibt Gründe, warum DENIC am 12. Januar 2011 die letzten verbliebenen Kurzdomains zur Registrierung freigibt: alle Rechtsstreite wegen der Vergabe von Kurzdomains sind durchgestanden. Anlässlich des Berichts über das x.de-Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main im Domain-Newsletter #527 hatten wir bereits auf die anhängigen Rechtsstreite hinsichtlich der Adressen sr.de, dw.de und hr.de verwiesen. Mittlerweile sind diese und andere beigelegt oder entschieden. Auch hier tritt nun Ruhe ein, die sicher mit Vergabe der Domains ab 12. Januar 2011 wieder gestört wird.
Im Oktober 2009 hatte DENIC Kurzdomains wie 1.de und zt.de zur Registrierung freigegeben und kurzfristig eine Registrierungsphase anberaumt. Einige Personen richteten einstweilige Verfügungen gegen DENIC, um ihre Rechte an Kurzbezeichnungen zu sichern. Dabei ging es unter anderem um die Domains dw.de, hr.de und sr.de. Im einstweiligen Verfügungsverfahren erhielten die Parteien Recht, auch nach Widerspruch der DENIC und aufgrund einer mündlichen Verhandlung. DENIC legte gegen die am 4. März 2010 ergangenen Urteile des Landgericht Frankfurt/M jeweils Berufung ein.
Im Streit um hr.de und sr.de, in dem der Hessische und der Saarländische Rundfunk gegen DENIC tätig wurden, hob das OLG Frankfurt nun mit Urteilen vom 26.10.2010 (Az.: 11 U 29/10 (Kart) und 11 U 30/10 (Kart)) die Urteile des Landgerichts Frankfurt/M vom 04.03.2010 (Az.: 2/3 O 483/09 und 2/3 O 482/09) auf. Ging das Landgericht jeweils von einem namensrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 12 BGB aus, vertritt das OLG Frankfurt/M die Ansicht, die DENIC sei weder Störer und noch habe sie Prüfpflichten verletzt. Bei dem Verfahren der erstmaligen Registrierung kurzer Domains an einem bestimmten Stichtag habe DENIC das Prinzip „first come, first served“ zu Recht walten lassen, denn eine individuelle Prüfung vorrangiger Registrierungsanträge sei im Hinblick auf das Massenverfahren nicht zumutbar. Offensichtliche Rechtsverletzungen waren nicht zu erwarten, da es sich bei „SR“ und „HR“ lediglich um Akronyme handelt, die gegebenenfalls im Saarländischen oder Hessischen bekannt sind, es sich aber keinesfalls um berühmte Marken oder Namen handele. Das haben selbst die Verfügungsklägerinnen so nicht vorgetragen. Auch aus kartellrechtlichen Gründen ergab sich kein Anspruch: mit der Einhaltung des Prinzips „first come, first served“ zu einem bestimmten Stichtag hat jeder Interessent die gleiche Chance, die gewünschte Domain zu erhalten. Und eine Karenzzeit, um vorrangige Ansprüche zu bedienen, ist unzumutbar, da DENIC einerseits nur eingeschränkte Prüfpflichten hat und es DENIC andererseits nicht zumutbar ist, eine vorgeschaltete kennzeichenrechtliche Prüfung vorzunehmen.
Schließlich war das Beispiel von o2.de nicht auf hr.de und sr.de übertragbar, da hinsichtlich o2.de zum Zeitpunkt des neuen Registrierungsverfahrens ein Rechtsstreit bereits anhängig war und O2 eine berühmte Marke ist, weshalb DENIC damit rechnen musste, dass sie die Domain, wäre sie für einen Dritten registriert worden, wieder hätte löschen müssen. Im Hinblick auf die Domain dw.de hatte die Verfügungsklägerin ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen mit der Folge, dass das Urteil des Landgericht Frankfurt/M gegenstandslos ist.
Damit ist dieses Kapitel deutschen Domain-Rechts vorerst abgeschlossen. Die Lösung, die das Oberlandesgericht Frankfurt/M jeweils gefunden hat, ist nachvollziehbar und sachgerecht. Dass damit aber der Streit um die Domains beendet sei, steht nicht zu erwarten: die Rechteinhaber werden, so sie selbst am 12. Januar 2011 ihre Wunschdomain nicht erhalten, gegen die jeweiligen Domain-Inhaber vorgehen. Im Hinblick darauf lässt sich nur die Empfehlung aussprechen, sich seiner eigenen Rechte an den Kennzeichen sicher zu sein, ehe man sich um die Registrierung einer dieser Domains bemüht.