Die grauen Gestalten im Schwarzkittel beherrschen das Internet. Jeder falsche Domain-Inhaber wird unweigerlich vor den großen Imperativ der Gerichtsbarkeit gestellt. Die Verwirrung aufgrund widersprüchlicher Entscheidungen schafft Möglichkeiten, wie sie die Rechtspflege nie zuvor erahnt hat. Und das, obwohl das hohe Gericht doch schon vor langer Zeit das mitwohnzentrale.de-Decret erlassen hat. Als es zur Schlacht um presserecht.de kommt, greifen die Dom-Krieger des hohen Gerichts ein:
In der kürzlich veröffentlichten BGH-Entscheidung presserecht.de (Beschluss vom 25.11.2002, Az.: AnwZ (B) 41/02), zeigt das Gericht einmal mehr, wie praxisorientiert und den Gegebenheiten des Internet angemessen es zu urteilen vermag. Im Streit zwischen einer Rechtsanwaltskammer und Rechtsanwälten um die Zulässigkeit von Anwaltswerbung im Internet, bewahrte der BGH einen kühlen Kopf. Was wie ein Geplänkel unter Juristen aussieht, gibt deutliche Anhaltspunkte darüber, wohin sich die Domain-Rechtspraxis auch bei den Obergerichten entwickeln muss.
Im Streit standen eine Rechtsanwaltskammer mit Anwälten, die unter der Domain presserecht.de eine Informationsseite zu dem Rechtsgebiet bieten und gleichzeitig Informationen über die eigene Rechtsanwaltskanzlei geben. Die Rechtsanwaltskammer wußte dem lediglich ein Verstoß gegen die Bundesrechtsanwaltordnung (BRAO) abzugewinnen, da aus ihrer Sicht die mit dem Internet-Auftritt verbundene Werbung gegen die entsprechenden Regeln der Berufsordnung (§ 43 b BRAO, § 6 BORA) verstoße. Zugleich hat sie der Rechtsanwaltskanzlei untersagt, im Rahmen ihrer anwaltlichen Tätigkeit den Domain-Namen www.presserecht.de zu verwenden. Sie erließ eine Rüge gegen die Betreiber der Website, die die nicht auf sich sitzen ließen.
Auf der Hauptseite von presserecht.de finden sich neben allgemeinen Ausführungen über das Wesen und die Bedeutung der Pressefreiheit die Erklärung: „Mit dem Internet-Forum presserecht.de will die Rechtsanwaltskanzlei Dr. W. in B. dafür eine Plattform bieten“. Sie stellen Entscheidungen, Beiträge, Gesetzestexte und aktuelle Nachrichten aus dem Bereich des Presserechts zur Verfügung. Unter der Rubrik Impressum stellt sich die Kanzlei mit Angaben zu ihren Arbeitsschwerpunkten selbst vor.
Gegen die Rüge der Kammer erhob die Rechtsanwaltskanzlei Einspruch (§ 74 Abs. 5 BRAO) und gegen den Bescheid im übrigen (Untersagung der Nutzung von presserecht.de) stellte sie Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Damit erntete die Rechtsanwaltskanzlei zunächst Unverständnis: Mit Beschluss vom 25.04.2002 wies der Anwaltsgerichtshof den Antrag zurück.
Die Rechtsanwaltskanzlei liess sich dadurch jedoch nicht entmutigen und legte eine sofortige Beschwerde ein, über die der BGH zu entscheiden hatte. Unabhängig von der Frage zur Zulässigkeit der Werbung, die der BGH hier bejahte (da gibt es noch immer viel Unverständnis seitens der Anwaltschaft und der Rechtsanwaltskammern), nahm sich der BGH die Zeit und gab einmal mehr klare Informationen zum Umgang mit Domains und der Einschätzung, was man vom Internetnutzer erwarten könne und wann ein Irreführung vorliegt. Gerade bei der Irreführung zeigen sich Obergerichte nicht einsichtig, der BGH-Entscheidung zu mitwohnzentrale.de zum Trotz. Aber lassen wir den BGH sprechen:
„Es liegt nahe und kann vorliegend als richtig unterstellt werden, daß ein Internet-Nutzer, der durch Direkteingabe des Begriffs Presserecht Zugang zu einer Homepage sucht, erwartet, auf diesem Wege allgemeine Informationen zu dem Thema Presserecht zu erhalten. Derartige Informationen werden dem Nutzer auch gegeben. So kann er auf entsprechenden Unterseiten presserechtlich bedeutsame Gesetzestexte (alle Pressegesetze der Länder, Mediendienste-Staatsvertrag, Teledienste-Gesetz, Stasi-Unterlagen-Gesetz u.a.) in voller Länge abrufen. Weiterhin werden ihm Informationen über aktuelle Gerichtsentscheidungen und Gesetzgebungsvorhaben auf dem Gebiet des Presserechts gegeben. Darüber hinaus stehen Informationen über den Studienschwerpunkt Medienrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt an der Oder (Viadrina) zur Verfügung. […]Aufgrund dieser vom Anwaltsgerichtshof nicht berücksichtigten tatsächlichen Breite des Angebots des Antragstellers, bei dem allgemeine, presserechtlich relevante Informationen mit zusätzlichen Informationen über die Kanzlei des Antragstellers und ihre Tätigkeitsschwerpunkte gegeben werden, könnte von einer Irreführungsgefahr allenfalls gesprochen werden, wenn der durchschnittlich informierte und verständige Internet-Nutzer, auf den insoweit maßgeblich abzustellen ist, mit dem Gattungsbegriff Presserecht die Vorstellung verbinden würde, der hinter diesem Begriff stehende Anbieter würde mit seiner Homepage ausschließlich das Informationsinteresse der Nutzer befriedigen wollen, ohne dabei eigene, geschäftliche oder berufsbezogene Werbeinteressen zu verfolgen. Dafür besteht nach der Lebenserfahrung kein hinreichender Anhalt. […]
Im übrigen darf bei der rechtlichen Bewertung nicht außer acht gelassen werden, daß die mögliche Fehlvorstellung eines Internet-Nutzers über die Person des Anbieters spätestens durch ›Aufschlagen‹ der ersten Seite der Homepage des Antragstellers ausgeräumt würde. Dem Umstand, daß eine etwaige ursprüngliche Fehlvorstellung auf diese Weise umgehend korrigiert wird, kommt aber eine erhebliche Bedeutung bei der Beantwortung der Frage zu, ob eine relevante Irreführung des Verkehrs vorliegt.“
Der BGH sieht unter diesen Umständen keine Irreführung des Internetnutzers und keine Alleinstellungsbehauptung des Anbieters. Zu Recht, denn:
„Der durchschnittlich informierte und verständige Internet-Nutzer, der unter Eingabe des Domain-Namens ›www.presserecht.de‹ auf die Homepage einer Anwaltskanzlei stößt, die sich nach eigenen Angaben auf das Gebiet des Medien- und Presserechts spezialisiert hat, weiß von vornherein, daß die gefundene Homepage nicht das gesamte Angebot anwaltlicher Dienstleistungen auf dem Gebiet des Presserechts in Deutschland repräsentiert.“
Dabei stört auch nicht, dass die Rechtsanwaltskanzlei mit der Verwendung des beanstandeten Domain-Namens auch das Ziel verfolgt,
„von Internet-Nutzern, die an der Beantwortung einer bestimmten presserechtlichen Rechtsfrage interessiert sind, ein Mandat zu erhalten. Ein etwaiger darauf beruhender Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen auf dem Gebiet des Presserechts tätigen Rechtsanwälten ergibt sich – systembedingt – daraus, daß hinsichtlich der Verwendung von – an sich durchaus benutzerfreundlichen – Gattungsbegriffen allein das Prioritätsprinzip gilt und jeder Domain-Name nur einmal vergeben werden kann. Dies ist weder unlauter noch sonst generell zu mißbilligen im Sinne der §§ 1, 3 UWG (BGHZ 148, 1, 5 ff).“
Die Frage einer Irreführung des Internetnutzers durch den Domain-Inhaber lässt sich also nicht auf den Domain-Namen beschränken, sondern es ist auch der Inhalt der Website heranzuziehen. Zwar ergibt sich unter Umständen aus dem Domain-Namen ein Irrtum, wird dieser aber sogleich auf der Website korrigiert, entstehen insoweit keine Ansprüche. An dieser Stelle sollten das ein oder andere Obergericht seine Spruchpraxis überdenken. In Episode 1 – Die dunkle Bedrohung war das bereits angesprochen.