OLG Celle

Geo-Branchen-Bezeichnungen sind zulässig

Das OLG Celle bestätigte in einer aktuellen Entscheidung die mittlerweile herrschende Rechtsprechung zur Frage wettbewerbswidrigen Verhaltens von Inhabern von Domain-Namen, die einen geographischen Begriff und eine Branchenbezeichnung zusammenbringen, allerdings bezogen alleine auf die Bezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei und nicht der entsprechenden Domain (Urteil vom 17.11.2011, Az.: 13 U 168/11).

Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Beklagte ist Inhaber der Domain kanzlei-niedersachsen.de und betreibt seine Kanzlei, die er auf der Webpräsenz als »Kanzlei Niedersachsen« bezeichnet, in einem kleinem Fachwerkhaus im Harz. Der Kläger hat seinen Sitz in Hannover. Er meinte, der Kollege berühme sich irreführender Weise mit der Bezeichnung Kanzlei-Niedersachsen für seine Mini-Kanzlei aus Bad Harzburg einer Spitzenstellung, die er tatsächlich nicht innehabe. Er verlangte die Unterlassung der Nutzung der Bezeichnung. In erster Instanz eines einstweiligen Verfügungsverfahrens war er nicht erfolgreich. Er legte sodann Berufung zum Oberlandesgericht Celle ein.

Das Oberlandesgericht Celle wies die Berufung zurück. Irgendwelche wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche sah es als nicht gegeben an. Zunächst sah es keine unerlaubte Werbung seitens des Beklagten (§ 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 6 BORA, der Berufsordnung für Rechtsanwälte): Die Bezeichnung »Kanzlei-Niedersachsen« sei nicht unsachlich, denn der Verbraucher verstehe die Bezeichnung als rein geographische Angabe. Der durchschnittlich informierte Verbraucher verbinde mit dem Begriff auch nicht die Niedersächsische Staatskanzlei, da alleine der Begriff »Staat« mit hoheitlicher Tätigkeit assoziiert werde; und der Begriff taucht in der Bezeichnung für die Kanzlei des Beklagten nicht auf. »Kanzlei« selbst setze der Verbraucher mit Rechtsanwaltskanzleien in Verbindung. Der Begriff Niedersachsen werde hingegen vorrangig als Regionalbezeichnung aufgefasst. Die Verbindung der Begriffe »Niedersachsen« und »Kanzlei« bezogen auf die Anwaltskanzlei des Beklagten führen auch nicht zu einer Unwahrheit: die Rechtsanwaltskanzlei liegt in Niedersachsen.

Das OLG Celle sah hier auch keine irreführende Alleinstellungs- und Spitzenstellungsbewerbung seitens des Beklagten (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Das Gericht setzte sich mit der Rechtsprechung auseinander und rekurriert auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart (bodenseekanzlei.de), Hamm (tauchschule-dortmund.de, anwaltskanzlei-dortmund.de) und München sowie des Bundesgerichtshofs (steuerberater-suedniedersachsen.de). Dieser Rechtsprechung, die beim OLG Hamm sich von tauchschule-dortmund.de bis hin zu anwaltskanzlei-dortmund.de entwickelt hat, schloss sich das OLG Celle an. Demnach sei davon auszugehen, der Verbraucher wisse, dass die Bezeichnung kanzlei-niedersachsen.de lediglich eine anpreisende Darstellung zur Kennzeichnung des Landes ist, in dem die Kanzlei ihren Sitz hat. Dabei behalte er im Auge, dass es in Niedersachsen eine große Anzahl von Rechtsanwaltskanzleien gibt. Und die (Fehl-)Vorstellung einer herausragenden Stellung habe der Verbraucher schon deswegen nicht, weil die Bezeichnung keinen bestimmten Artikel enthält (wie etwa in die-Kanzlei-Niedersachsen).

Die Vertreter des Klägers sehen die Entscheidung kritisch: soweit wir verstehen, meinen sie, »die Ansicht des Oberlandesgerichts, wonach Niedersachsen vorrangig eine Regionalbezeichung sei, ist schlicht falsch.« Der Begriff »Niedersachsen« werde zuerst in hoheitlichen Zusammenhängen wahrgenommen. Dann dürfe er aber auch nicht von Personen ohne Anspruch auf den Namen für die eigene Kanzlei genutzt werden. Denn damit erzeugte der Nutzer beim durchschnittlichen Verbraucher einen – wettbewerbsrechtlich relevanten – Irrtum. Anderer Ansicht darf man in diesem Falle sein, doch meinen wir, die Rechtsprechung nimmt, mit Ausnahme der Entscheidung über tauchschule-dortmund.de (bei der die Parteien alleine über die Domain stritten, die Tauchschule selbst war nicht als Tauchschule-Dortmund bezeichnet), in diesen Fällen den richtigen Weg.

Nota Bene: Der Artikel weicht von dem im Newsletter veröffentlichten ab. Wie Rechtsanwalt Moebius mitteilt, stritten die Parteien alleine um die Bezeichnung »Kanzlei-Niedersachsen« und nicht um die Domain kanzlei-niedersachsen.de. Im Hinblick darauf haben wir hier und im Archiv den Artikel abgeändert.

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