schuhmarkt.de

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Das Hanseatisch Oberlandesgericht (hOLG) Hamburg hat in seinem Urteil vom 24. Juli 2003 (Az.: 3 U 154/01) über die Domain »schuhmarkt.de« wichtige Entscheidungskriterien zusammengefasst, die hoffentlich von anderen Gerichten zukünftig regelmäßig zur Anwendung kommen.

Klägerin war die Herausgeberin der Zeitschriften »Schuhmarkt – Trends & Mode« und »Schuhmarkt News«. Vom Inhaber der Domain »schuhmarkt.de« verlangte Sie die Unterlassung der Nutzung der Domain unter Berufung auf den eigenen Werktitelschutz und unlautere Rufausbeutung.

Die Beklagte betreibt eine Internet-Agentur und hat über 3.000 Domains registriert, die vorwiegend Gattungsbegriffe, Namen und Marken zum Teil mit einem Zusatz enthalten. Von der Domain »schuhmarkt.de« wurde man zu einer anderen Domain weitergeleitet, auf der sich die Beklagte dahin erklärte, die Domain würde nur zu eMail-Zwecken genutzt und stünde nicht zum Verkauf.

Das LG Hamburg (Urteil vom 22.03.2001, Az.: 315 O 856/00) hatte die Beklagte verurteilt, die Nutzung der Domain »schuhmarkt.de« zu unterlassen und sich dabei auf § 1 UWG gestützt. Die Beklagte legte Berufung ein, über die nun das hOLG Hamburg entschieden hat.

Das OLG Hamburg hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage zurück. Bei der Prüfung des Anspruches aus §§ 5 Abs. 3, 15 Abs.2 MarkenG (Werktitelschutz) untersuchte das Gericht die Frage der Verwechslungsgefahr und die heranzuziehenden Kriterien. Dazu erklärte das Gericht:

»Die Leitseite ist lediglich ein Mittel, die dahinter stehenden Waren bzw. Dienstleistungen anzubieten, nicht aber selbst Ware oder Dienstleistung. Ohne Kenntnis dessen, wofür die Internetanschrift steht, lassen sich weder Feststellungen zu einer Verwechslungsgefahr noch zur Unlauterkeit eines Verhaltens treffen. Ein solches Verbot würde auch Handlungen erfassen, die möglicherweise nicht rechtswidrig sind oder für die keine Begehungsgefahr besteht.«
Damit wird abermals die Frage der Beurteilung der Verwechslungsgefahr eines Domain-Namens thematisiert. Entsprechend den Vorgaben des BGH und entgegen einigen Entscheidungen der Obergerichte machte der hOLG Hamburg deutlich, dass es auf den Namen der Domain alleine nicht ankommen kann. Zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es auch auf die Inhalte der Homepage an.

Das hOLG führt weiter aus, dass der Gattungsbegriff »Schuhmarkt« für eine Zeitschrift, die über den nationalen und internationalen Schuhhandelsmarkt berichtet, bestenfalls normale Kennzeichnungskraft hat. Der Interessentenkreis ist beschränkt und damit die Verbreitung des geschützten Titels im allgemeinen Verkehr gering. Im Internet dürfte die Zeitschrift kaum bekannt sein. Der Internetnutzer kann jedenfalls nicht annehmen, es mit der Klägerin zu tun zu haben, wenn er unter der Internetanschrift »schuhmarkt.de« auf eine E-Commerce-Handelsplattform und Präsentations-Plattform für den Schuhwarenhandel stößt.

»Der durchschnittlich verständige, informierte und aufmerksame Verbraucher, dessen Vorstellungen die neuere Rechtsprechung zum Leitbild nimmt, weiß selbst dann, wenn er das Organ der Branche kennt, daß sich die Zeitschrift an einen sehr beschränkten Empfängerkreis und nicht an den allgemeinen Verkehr wendet. Auch er kann und wird nicht davon ausgehen, unter dem Domainnamen „schuhmarkt.de“ notwendig auf die Klägerin oder das von ihr verlegte Organ zu stoßen. Er wird es bestenfalls für möglich halten und versuchsweise, um sich den Umweg über eine Suchmaschine zu ersparen, diese Anschrift eingeben, aber weder überrascht noch enttäuscht sein, wenn sich statt der erhofften Leitseite der Klägerin eine Präsentationsplattform für den Schuhwarenhandel öffnet. Zu Verwechslungen kann es bei dieser Sachlage nicht kommen.«
Diese Ansicht hatte im Grunde das LG Hamburg in der Vorinstanz vertreten.

Das hOLG prüfte weiter die Frage eines Anspruch aus § 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettebewerb), den das LG Hamburg noch bejaht und der Klage stattgegeben hatte. Doch hat sich mittlerweile, die das hOLG Hamburg erklärt, die Rechtsprechung aufgrund der Entscheidung »mitwohnzentrale.de« des BGH geändert. Gattungsbegriffsdomains stellen

»grundsätzlich noch keine unzulässige Behinderung der Entfaltungsmöglichkeiten von Wettbewerbern dar, denn es liegt im Wesen jeder Wettbewerbshandlung, den Spielraum von Mitbewerbern einzuschränken.«
Als Internetagentur muss die Beklagte die Möglichkeit haben,
»die Voraussetzungen für eine geschäftliche Tätigkeit zu schaffen, und dazu gehört, Internetanschriften vorzuhalten, falls eine entsprechende Nachfrage entsteht. Daß sie damit Wettbewerbern und anderen Interessenten zuvorkommt, denen an einer solchen Anschrift ebenfalls gelegen ist, liegt in der Natur der Sache und stellt keine unlautere Behinderung dar.«
Dabei sieht das hOLG Hamburg es nicht als verwerflich an, wenn die Beklagte durch Veräußerung der Domain, Geld machen wolle,
»denn damit hätte sie lediglich eine vorhandene Möglichkeit genutzt, durch schnelles Handeln die Voraussetzungen für einen Erwerb zu schaffen. Wenn die Beklagte später erfährt, daß es in der Tat einen solchen Interessenten gibt, dem am Erwerb der Domain gelegen ist, kann dieser Umstand allein ihr Festhalten an der Domain nicht sittenwidrig machen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dieses Interesse nicht auf Kennzeichnungs- und Namensrechten beruht und deshalb vorrangig sein könnte.«
Unerheblich bleibt auch der Umstand, dass die Beklagte Tausende von Domain-Namen besitzt, was unter Umständen Rückschlüsse auf die Absichten der Beklagten zulässt. Denn letzten Endes kommt es bei der Beurteilung auf die Umständes des Einzelfalles an, die hier für die Beklagte sprechen.

Schließlich wird noch ein Anspruch aus §§ 826, 1004 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Behinderung erwogen und abgelehnt:

»Wenn die Beklagte den Titel der Klägerin [zum Zeitpunkt der Registrierung der Domains] nicht kannte, kann sie nicht das Ziel gehabt haben, die Klägerin durch die Registrierung zu behindern.«
Damit hat das hOLG wesentliche Punkte des Domain-Rechts, bei denen Gerichte immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, deutlich zugunsten der Domain-Inhaber erörtert und entschieden:

  1. Bei der Beurteilung einer bestehenden Verwechslungsgefahr reicht der Domain-Name allein nicht aus, es muss auch der Inhalt der Homepage hinzugezogen werden.
  2. Die Registrierung einer Gattungsdomains stellt allein für sich keine Wettbewerbsbehinderung dar. Das haben mittlerweile alle Gerichte übernommen, dank der Entscheidung »mitwohnzentrale.de« des BGH.
  3. Will ein Domain-Inhaber eine Domain, die er bisher nicht richtig nutzte, an einen Interessenten verkaufen, ist nicht von Domain-Grabbing auszugehen.
  4. Die Anzahl der von einem Domain-Inhaber registrierten Domains ist kein Indiz für Domain-Grabbing. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an, warum die einzelne Domain registriert wurde und für welchen Zweck.

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