hOLG Hamburg

»Tagesumschau« verletzt den Werktitel »Tagesschau«

Eine Rundfunkanstalt der ARD sah ihre Rechte an dem Titel der »Tagesschau« durch die Betreiberin der Domain tagesumschau.de verletzt und wandte sich an die Hamburger Gerichte. Das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg entschied in einem ausführlich begründeten Urteil, dass in der Tat die Domain tagesumschau.de den Werktitel »Tagesschau« verletzt.

Die Klägerin, eine öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt und Teil der ARD, geht gegen die Betreiberin der Domain tagesumschau.de, eine Kommanditgesellschaft, und ihren Vorstand vor, da sie ihre Rechte am Werktitel »Tagesschau« und an ihrer Marke »Tagesschau« verletzt sieht. Die ARD strahlt seit 1952 die »Tagesschau« aus, ist seit 1984 Inhaberin einer deutschen Wortmarke »Tagesschau« und seit 2011 Inhaberin einer entsprechenden EU-Marke; zudem betreibt sie seit dem Jahr 1996 die Internetseite tagesschau.de. Die Beklagten betreiben seit 2014 unter der Domain tagesumschau.de eine Nachrichten- und Informationsseite, auf die auch von tagesumschau.com sowie tagesumschau.eu weitergeleitet wird. Domain-Inhaber ist ein Dritter. Die Beklagte zu 1), eine Kommanditgesellschaft, meldete 2014 die Wortmarken »tagesumschau.de«, »Tagesumschau einfach schneller informiert« sowie eine Wort-/Bild-Marke »Tagesumschau einfach schneller informiert« an. Nachdem die Klägerin darauf aufmerksam wurde, mahnte sie die Beklagten ab. Es kam zum einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg (Entscheidung vom 20.06.2014, Az. 312 O 238/14), in dem die Klägerin erfolgreich war. In der Folge entschied eine Handelskammer des Landgericht Hamburg mit Urteil vom 26. August 2015 (Az. 408 HK O 143/14) im Streit der Parteien, dass die Beklagten es zu unterlassen haben, die Bezeichnung »tagesumschau«, gleich in welcher Schreibweise, und die Domain »tagesumschau«, insbesondere als .de-Domain zu verwenden. Beide Parteien legten gegen dieses Urteil Berufung ein. Die Klägerin meint unter anderem, das Landgericht habe ihren Antrag zu weit ausgelegt. Ihr Antrag ziele nicht auf ein Verbot der Verwendung von »Tagesumschau« in jeder beliebigen Zusammensetzung. Die Beklagten meinten unter anderem, der Antrag der Klägerin sei nicht bestimmt genug, weshalb die Klage unzulässig sei. Das Gericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass »Tagesumschau einfach schneller informiert« als Gesamtzeichen aufzufassen sei. Nun hatte das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (hOLG Hamburg) über die Sache zu entscheiden.

Das hOLG Hamburg hatte keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage und bestätigte das Urteil des LG Hamburg (hOLG Hamburg, Urteil vom 01.03.2018, Az. 3 U 167/15). Mit ihrem Antrag richte sich die Klägerin dagegen, dass die Beklagte unter dem Werktitel »Tagesumschau« im Internet Nachrichten- und Informationsinhalte anbietet, und zwar unter der Second Level Domain tagesumschau. Die Klägerin habe dabei klar gemacht, dass sie zunächst Ansprüche aus Werktitelschutz, dann aus ihrer deutschen Marke und schließlich aus der EU-Marke geltend mache. Das alles tue dem Bestimmtheitsgebot Genüge. Weiter bestätigte das hOLG Hamburg einen Unterlassungsanspruch aufgrund des Werktitels der Klägerin. »Tagesschau« stelle einen schutzfähigen Werktitel dar, der als Titel für eine Nachrichtensendung hinreichende originäre Unterscheidungskraft besitze: es seien bei Titeln von Rundfunk- und Fernsehsendungen keine hohen Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen. Der Titel »Tagesschau« habe sich im Verkehr durchgesetzt, weshalb kein Freihaltebedürfnis bestehe. Die ARD nutze »Tagesschau« im geschäftlichen Verkehr und trete mit dem Angebot ihrer Fernsehnachrichtensendung in Wettbewerb mit privaten Anbietern von Nachrichten- und Informationsdienstleistungen. Somit bestehe für »Tagesschau« auch Titelschutz. Die Beklagten ihrerseits nutzen »Tagesumschau« titelmäßig: zur Unterscheidung ihres Nachrichtenportals von anderen haben sie den Begriff „Tagesumschau“ in Benutzung genommen, indem sie Nachrichten- und Informationsdienstleistungen unter der Domain tagesumschau.de und dort unter der Überschrift »Tagesumschau« anbieten. Dabei verwendeten die Beklagten nicht lediglich das Gesamtzeichen »Tagesumschau einfach schneller informiert«, da die Worte »einfach schneller informiert« von den Nutzern nicht als Bestandteil des Titels aufgefasst würden, sondern als eine auf das Angebot »Tagesumschau« bezogene beschreibende Anpreisung.

Zwischen »Tagesschau« und »Tagesumschau« besteht nach Ansicht des hOLG Hamburg auch Verwechslungsgefahr. Dem Werktitel »Tagesschau« sei eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft beizumessen, da die seit 1952 ausgestrahlte Sendung überaus bekannt sei und hohe Einschaltquoten aufweise. Das zeige sich unter anderem darin, dass »Tagesschau« 1984 als verkehrsdurchgesetzte Marke eingetragen wurde. Die Werkkategorien von »Tagesschau« und »Tagesumschau«, Nachrichtensendung und Internetnachrichtenportal, ähneln einander. Der Verkehr sei darüber hinaus daran gewöhnt, dass auch die ARD ein Internetangebot habe, mit dem sie ihre Fernsehsendung unter tagesschau.de flankiere. Schließlich wiesen beide Begriffe, »Tagesschau« und »Tagesumschau«, eine starke Ähnlichkeit auf, womit die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr erfüllt seien. Das hOLG Hamburg vertieft alsdann die Frage des Schutzumfangs der Werktitel. Für »Tagesschau« sah das hOLG Hamburg dabei einen besonders weiten Schutzumfang aufgrund eines Gutachtens bestehen, welches die Klägerin vorgelegt hatte. Dieses Gutachten von 1994, auf das das Gericht weiter einging, stammte aus einem früheren Rechtsstreit und bescheinigte, dass der Sendungstitel »Tagesschau« berühmt ist. Im Hinblick auf »Tagesumschau« nahm das Gericht an, dass der Verkehr diesen Titel mit »Tagesschau« nicht nur assoziiere, sondern sogar von einer organisatorischen und/oder wirtschaftlichen Identität bzw. jedenfalls einer entsprechenden Verbindung zwischen den Herstellern beider Werke ausgehe und annehme, dass es sich bei »Tagesumschau« um eine noch über das Angebot von tagesschau.de hinausgehende Erweiterung des Nachrichtenangebots in der ARD handele. Aufgrund dessen hafteten die Beklagten auf Unterlassung, wobei die Verbote auf die konkreten Verletzungsformen zu begrenzen seien. Das Landgericht Hamburg habe seine Entscheidung auf diese Verletzungsformen begrenzt. Der Antrag der Klägerin wäre ohne Bezug auf konkrete Verwendungen, die sie als Screenshots beigefügt hatte und auf die sie sich in ihrem Antrag bezog, nicht hinreichend bestimmt. Legte man deren Antrag dahin aus, dass sie sich gegen eine isolierte Verwendung der Bezeichnung »Tagesumschau« bzw. eine Verwendung als dominante Hauptbezeichnung wendete, würde unklar, welche Verwendungsformen von dem so umschriebenen Kernbereich umfasst werden. Denn, so das hOLG Hamburg:

je nach Einzelfall lässt sich trefflich darüber streiten, wann eine „dominante Hauptbezeichnung“ zu bejahen ist bzw. wann „kennzeichenrechtlich unmaßgebliche Hinzufügungen“ vorliegen.

Diese Begriffe seien auslegungsbedürftig und die rechtliche Würdigung sei grundsätzlich dem Erkenntnisverfahren vorbehalten und könne nicht ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Für die Beklagten bestünden Möglichkeiten, den Begriff »Tagesumschau« in anderen Wortzusammenhängen zu verwenden. Andere Anspruchsgrundlagen nannte das hOLG Hamburg am Ende der Entscheidungsgründe, ging aber weitestgehend nicht näher auf diese ein. Schließlich ließ das Gericht die Revision gegen das Urteil nicht zu, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere.

Nachdenklich stimmt an diesem Urteil der Rückgriff auf ein Gutachten von 1994. Ob den jungen Generationen, die sich vom linearen Fernsehprogramm abgewendet haben oder nie auf die Idee gekommen sind, Fernsehen zu nutzen, die Tagesschau derart geläufig ist, wie das das Gutachten für 1994 bescheinigt, darf angesichts der Altersdurchschnittsquote der aktiven Fernsehzuschauer, die für die ARD vor einem Jahr bei etwa 60 Jahren lag, durchaus bezweifelt werden. Und dass die Seniorengeneration keineswegs das Internet so intensiv nutzt wie jüngere Generationen, spricht ebenfalls gegen den sehr hohen Bekanntheitsgrad der Tagesschau in heutiger Zeit.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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