Das OLG Düsseldorf musste sich Ende letzten Jahres mit der Frage auseinandersetzen, ob ein in den angesprochenen Verkehrskreisen bekannter Werktitel einer Fachzeitschrift (Versicherungsrecht) stärkere Rechte besitzt, als ein jüngerer Domain-Name (versicherungsrecht.de). Eine Frage, die so oder ähnlich schon öfter von Gerichten beantwortet wurde. Diesmal unterlag wieder einmal das prioritätsältere Recht, der Werktitel, gegenüber der prioritätsjüngeren Domain.
Die unterschiedlichen Gerichte kommen da zu unterschiedlichen Ergebnissen: nicht etwa, weil sie unterschiedlicher Meinung sind (was hier und da sicher auch der Fall ist), sondern weil sich die Umstände des Einzelfalles unterscheiden. So war das LG Mannheim der Ansicht, der Inhaber der Domain »bautip.de« müsse sie freigeben. Geklagt hatte der Herausgeber der Zeitschrift »BauTip« (LG München, Urteil vom 18.12.1998, Az.: 7 O 196/98). Auch das Magazin »Freundin« konnte sich gegen den Inhaber der Domain »freundin.de« durchsetzen (OLG München, Urteil vom 02.04.1998, Az.: 6 U 4798/97). Pech hatte hingegen das Magazin »Bike« gegenüber dem Inhaber der entsprechenden Domain (LG Hamburg, Urteil vom 13.08.1997, Az.: 315 O 120/97). Auf die Details dieser Rechtsprechung werden wir in Kürze ausführlich eingehen.
Wie bei der bike.de-Entscheidung hatte der Herausgeber der Zeitschrift Versicherungsrecht Pech. Im Beschluss vom 25.11.2002 des OLG Düsseldorf (Az.: 13 U 62/02) hat die prioritätsältere Zeitschrift Versicherungsrecht gegenüber der prioritätsjüngeren Domain versicherungsrecht.de das Nachsehen. Das OLG Düsseldorf musste zwar lediglich über die Kosten entscheiden, um diese Entscheidung treffen zu können. Dabei war aber hypothetisch festzustellen, wer in der von den Parteien einverständlich für erledigt erklärten Hauptsache obsiegt hätte. Und das war nicht die klagende Fachzeitschrift Versicherungsrecht, sondern der Inhaber der Domain versicherungsrecht.de.
Das gerichtliche Verfahren um die Domain versicherungsrecht.de war eine negative Feststellungsklage des Inhabers der Domain, der diese im Laufe des Prozesses auf seinen Sohn übertragen hat. Die Domain wird zur Adressierung eines Internet-Portals zu Fragen um das Versicherungsrecht und die Versicherungswirtschaft für Verbraucher benutzt. Die Beklagte ist Herausgeberin einer juristischen Zeitschrift, in der sie Aufsätze und Entscheidungen zum Versicherungsrecht veröffentlicht. Seit 1990 erscheint die Zeitschrift unter dem Titel »Versicherungsrecht – Juristische Rundschau für die Individualversicherung«.
Schon in der Vorinstanz, beim LG Düsseldorf (Urteil vom 12.06.2002, Az.: 2 a O 11/02), waren die Richtung, in die die Entscheidung ging und die Merkmale, an denen sie später das OLG Düsseldorf aufgehängt hat, vorgezeichnet. Das LG Düsseldorf erklärte sinngemäß:
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr bestimmt sich nach einer Wechselwirkung zwischen dem Grad der Kennzeichnungskraft, der Identität/Ähnlichkeit der Bezeichnungen und der Werknähe. Dabei kommt es auch auf Gegenstand, Aufmachung, Erscheinungsweise und Vertriebsform der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse an.Die Richter des OLG Düsseldorf konzedierten der Fachzeitschrift Markenschutz gemäß § 15 Abs. 1 MarkenG aufgrund des prioritätsälteren Werktitels. Der Titel ist zwar lediglich beschreibend, aber es bestehe Verkehrsgeltung: In Fachkreisen ist die Fachzeitschrift bekannt. Damit bestehe auch Unterscheidungskraft, wenn auch nicht aufgrund eines originären Kennzeichens, sondern eben weil die Zeitschrift in Fachkreisen Bekanntheit genießt. Die Registrierung und Nutzung der Domain stellt nach Auffassung des Gerichts auch eine relevante Verletzungshandlung dar, aber eine Verwechslungsgefahr mit der gleichnamigen Domain besteht aus Sicht des Gerichts nicht, trotz der zweifellos hohen Ähnlichkeit zwischen den Kennzeichen »Versicherungsrecht« und »versicherungsrecht.de«.Bei der Nutzung der Bezeichnung „Versicherungsrecht“ zur Adressierung eines Internet-Portals für Fragen zum Versicherungsrecht und zur Versicherungswirtschaft einerseits und der Nutzung als Zeitschriftentitel für die Publikation von Urteilen und Aufsätzen zum Versicherungsrecht andererseits handelt es sich um erheblich voneinander unterscheidende „Werkkategorien“.
Bei der Frage nach der Verwechslungsgefahr war die Kennzeichnungskraft des Zeitschriftentitels von Bedeutung, bei dessen Bewertung man auch auf die Verkehrskreise abstellen müsse, denen die verwechselbare Bezeichnung versicherungsrecht.de begegnet. Man muss also zwischen dem materiellen Titel der Zeitschrift und dem virtuellen der Domain mit der differenzierenden Endung .de unterscheiden. Der normale Internetnutzer wird hinter der Domainbezeichnung nicht die Fachzeitschrift vermuten, die er gar nicht kennen wird. Ein durchschnittlich informierter Internetnutzer wird auf die Domain versicherungsrecht.de gehen, um sich allgemeine Informationen zum Versicherungsrecht zu besorgen. Und jeder Durchschnittsbürger weiß, bei dem Begriff „versicherungsrecht“ mit der Endung „.de“ handelt es sich um die Bezeichnung einer Internetdomain und nicht einer Fachzeitschrift.
An dieser Stelle geht das Gericht auch auf die Frage des durch einen Domain-Namen entstehenden Irrtums und inwieweit er durch den Inhalt der Homepage kompensiert werden kann ein:
Nur derjenige, der weiß, dass es sich auch um einen Titel handelt, kann überhaupt eine solche Fehlassoziation bzw. der Gefahr einer Verwechselung erliegen. Für die große Mehrheit des von der Domain angesprochenen Publikums ist diese Vorraussetzung indes eindeutig zu verneinen. […] Eventuelle Zweifel wird er zum Anlass nehmen, sich erst zu vergewissern, indem er im Internet nachsieht, worum es sich bei dem Domain-Angebot tatsächlich handelt. Geschieht dies, so ist aus der Art und Form des Angebotes klar ersichtlich, dass keinerlei Bezug zu der Fachzeitschrift der Beklagten besteht.Die Beklagte versuchte ihr Glück auch mit dem Hinweis auf § 23 Nr. 2 MarkenG, wonach der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht hat, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit der geschäftlichen Bezeichnung identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen zu benutzten, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.
Diese Argumentation verfing nicht, obwohl der Sohn des Klägers gegenüber der Beklagten erklärt hatte, bei entsprechender Bekanntheit der Domain könne sie von ihm zu einem sechsstelligen DM-Betrag veräußert werden. Daraus folge kein sittenwidriges Verhalten, meinte das OLG Düsseldorf, denn die Domain beschäftigt sich mit versicherungsrechtlichen Fragestellungen und bietet ein breites Spektrum an Informationen zu den verschiedensten Teilbereichen des Versicherungsrechtes. Bei dieser Sachlage ist es nicht offensichtlich, dass die Gewinnerzielung durch Vermarktung attraktiver Internet-Domains zu überteuerten Preisen die eigentliche Triebfeder zum Betreiben der Domain ist.
Die Beklagte hatte es sich während des Prozesses in Düsseldorf nicht nehmen lassen, ihrerseits eine Unterlassungsklage gegen den jetzigen Inhaber der Domain vor dem LG Frankfurt anzustrengen.