.ch-Verfahrensreglement

WIPO-Entscheidung im Vereinszwist um girlscancode.ch

Einen komplexen Streit nach dem Verfahrensreglement für .ch-Domains, aber vereinsrechtlichem Kern hatte ein Panel der Genfer World Intellectual Property Organization (WIPO) vorliegen. Für eine Befriedung dürfte die von ihm getroffene Entscheidung nicht gesorgt haben.

Gesuchsteller ist der gemeinnützige Verein »Girls Can Code«, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Mädchen im Alter von acht bis achtzehn Jahren für Informatik, Programmiersprachen und Technologien zu begeistern. Gründungsmitglied und Präsidentin dieses Vereins ist Kate Mckee. Sie registrierte am 10. Juni 2020 noch vor Vereinsgründung den nun streitigen Domain-Namen girlscancode.ch auf ihren Namen. Gesuchsgegnerin war insbesondere Lara Riparip; sie ist ebenfalls Gründungsmitglied des Vereins. Im Juni 2021 trat Mckee als Vereinspräsidentin zurück und übertrug daraufhin die Domain girlscancode.ch auf die Gesuchsgegnerin. Die wiederum hat unter der Domain die Information aufgeschaltet, dass der Verein »Girls Can Code« aufgelöst worden sei. Im Verfahren trug der Gesuchsteller vor, dass nach der Gründung des Vereins versehentlich keine formelle Übertragung des Domain-Namens stattgefunden habe. Im Juni 2021 sei Mckee aufgrund von Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Zukunft des Vereins als Präsidentin zurückgetreten und habe den Domain-Namen zusammen mit sämtlichen Zugangsdaten für Plattformen und Accounts an die Gesuchsgegnerin übertragen. Die Gesuchsgegnerin sei damals Vorstandsmitglied des Vereines gewesen, habe diesen danach aber ebenfalls verlassen und die Organisation »Girls Code Too« gegründet. Obwohl die Aussage, dass sich der Verein »Girls Can Code« aufgelöst habe, nicht den Tatsachen entspreche, würde diese Publikation unter Verwendung des Vereinslogos den Eindruck erwecken, sie sei korrekt. Abgesehen davon habe die Gesuchsgegnerin am 15. September 2021 die Wort-/Bildmarke »Girls Can Code« eingetragen. Mit der Markenregistrierung habe die Gesuchsgegnerin den damaligen Social-Media-Auftritt von »Girls Can Code« praktisch vollständig blockiert. Sie habe zudem sämtliche Gespräche zur Beilegung des Streites verweigert. Der Gesuchsteller habe mit der Registrierung von girlscancode.swiss seine Online-Präsenz neu aufgebaut; die falsche Information unter der streitigen Domain hindere den Gesuchsteller aber bei der Zweckverfolgung und verunsichere weiterhin aktuelle und potenzielle Partner, Sponsoren, Mitarbeitende und Freiwillige des Gesuchstellers. Die Verwendung des Domain-Namens durch die Gesuchsgegnerin stelle eine Namensanmaßung dar und verletze Art. 29 Abs. 2 ZGB. Durch die Benutzung des Domain-Namens habe die Gesuchsgegnerin eine Verwechslungsgefahr mit dem Gesuchsteller herbeigeführt und somit Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG verletzt.

Die Gesuchsgegnerin stellte unstreitig, mit Mckee Gründungsmitglied des Vereins »Girls Can Code« gewesen zu sein. Die Statuten seien rechtsgültig am 19. Juli 2020 unterzeichnet worden. Hingegen seien die Statuten vom 16. August 2020 ungültig. Nach einem Streit sei Mckee im Juni 2021 als Präsidentin des Gesuchstellers zurückgetreten, aber ordentliches Mitglied des Vereins geblieben. In der Folge sei der Verein an der Generalversammlung vom 23. August 2021 aufgelöst worden. Aus diesem Grund sei auf der Website unter girlscancode.ch der Hinweis »Girls Can Code wurde im August 2021 aufgelöst« angebracht worden. Dieses Vorgehen sei bei der Generalversammlung einstimmig beschlossen worden. Da der ursprüngliche Verein »Girls Can Code«, der den Domain-Namen benutzt hatte, aufgelöst worden war, sei der Gesuchsteller nicht derselbe Verein, den die Gesuchsgegnerin zusammen mit Kate Mckee gegründet hatte. Es stelle sich auch die Frage, ob der Gesuchsteller überhaupt rechtsgültig gegründet worden sei und damit rechtsgültig existiere. Dieser verwende nämlich das angeblich ungültige Dokument vom 16. August 2020 als Gründungsdokument. Am 29. Oktober 2021 habe Mckee den Domain-Namen auf die Gesuchsgegnerin übertragen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Verein bereits aufgelöst worden, aber es sei trotzdem sinnvoll gewesen, den Domain-Namen zu behalten, um das Publikum über die erfolgte Auflösung zu informieren und Missbräuche zu vermeiden. Alternativ habe die Gesuchsgegnerin dem Gesuchsteller bereits ein Angebot gemacht, den Domain-Namen sowie die Markeneintragung gegen eine Entschädigung von CHF 3.000,– zur Deckung der Kosten zu übertragen.

Der zum Einzelpanelisten eingesetzte Rechtsanwalt Andrea Mondini musste sich zunächst damit auseinandersetzen, ob er zusätzliche Stellungnahmen der Parteien zu berücksichtigen hat, ließ diese jedoch aufgrund der »ausserordentlichen sachverhaltsmässigen Komplexität« des Falles zu. Dann widmete er sich der Frage, ob der Gesuchsteller Inhaber eines Kennzeichenrechts nach dem Recht der Schweiz ist. Gemäß Handelsregistereintrag sei der Verein »Girls Can Code« am 11. Oktober 2021 im Handelsregister eingetragen worden, wobei als Grundlage die Statuten vom 16. August 2020 eingereicht wurden; nach dem Vortrag des Gesuchstellers ergebe sich daraus das Namensrecht des Vereins (Art. 29 ZGB). Die Behauptung der Gesuchsgegnerin, die Statuten vom 16. August 2020 seien ungültig, hielt Mondini für widersprüchlich, da die Gesuchsgegnerin selbst diese Statuten mitunterzeichnet hatte. Mit weiteren hoch streitigen vereinsrechtlichen Fragen befasste er sich nicht, da sie den Rahmen des Verfahrens sprengen und deren materielle Klärung eine umfassende Beweisaufnahme in einem Gerichtsverfahren erfordern würde. Für das vorliegende Verfahren sei davon auszugehen, dass der Gesuchsteller seine Existenz bewiesen habe. Beim Vereinsnamen »Girls Can Code« handele es sich um ein nach Schweizerischem Recht anerkanntes Kennzeichen, welches Namenschutz gemäß Art. 29 ZGB genieße. Die Zuteilung oder Verwendung der streitigen Domain an die Gesuchsgegnerin stelle nach dem Recht der Schweiz auch eine klare Verletzung der geltend gemachten Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin dar. Nachdem die Gesuchsgegnerin aus dem Verein ausgetreten ist, habe sie kein rechtlich schützenswertes Interesse mehr, die Domain zu halten und öffentlich zu behaupten, der Gesuchsteller existiere angeblich nicht mehr; das Verhalten der Gesuchsgegnerin verletze daher auch Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG. Relevante Verteidigungsgründe habe die Gesuchsgegnerin nicht schlüssig vorgetragen und bewiesen. Er gab damit dem Übertragungsbegehren des Gesuchstellers statt (WIPO Verfahren Nr. DCH2024-0001). Ein Ende des Streits scheint damit aber noch nicht erreicht: bei Aufruf der Domain erscheint aktuell weiterhin der Hinweis »Girls Can Code was dissolved in August 2021«.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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