Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat angekündigt, den Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung in den nächsten Wochen vorzulegen. Geplant ist weiterhin eine dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen.
Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein,
dabei sollen »europa- und verfassungsrechtliche Spielräume« ausgeschöpft werden. So heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Doch wie genau die Vorratsdatenspeicherung künftig aussehen soll, ist unklar; vom Bundesinnenministerium erhielt man zuletzt lediglich die Auskunft, dass man sich »in ressortübergreifenden Abstimmungen zur Umsetzung des Koalitionsvertrages« befinde. Anlässlich der Veröffentlichung des Bundeslagebilds zu Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche durch das Bundeskriminalamt (BKA) legte Dobrindt jetzt nochmals nach:
Jeder Täter muss konsequent verfolgt werden. Dazu müssen wir unsere Sicherheitsbehörden technisch so ausstatten, dass sie Täter gerade im Netz identifizieren und laufenden Missbrauch stoppen können. Deshalb werden wir die Speicherung von IP-Adressen einführen, als zentrales Werkzeug, um Kinder besser zu schützen und Täter vor Gericht zu bringen.
Die Verständigung auf einen Gesetzestext zwischen dem Justiz- und Innenministerium erfolge laut Dobrindt »in den nächsten Wochen«.
Nach Ansicht der Blogger von netzpolitik.org würden die Zahlen des aktuellen Bundeslagebildes die Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht rechtfertigen. So gäbe es beim sexuellen Missbrauch zum Nachteil von Kindern in mehr als drei Viertel aller Fälle einen Tatverdächtigen. Bei anderen Deliktfeldern liege die Zahl sogar weit über 80 Prozent. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Aufklärungsquote aller Straftaten in Deutschland liegt laut PKS bei etwa 58 Prozent. Dessen ungeachtet bleibt die Vorratsdatenspeicherung juristisch heikel. Mit Urteil vom 30. April 2024 (Az. C‑470/21) hatte der EuGH entschieden, dass die allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen nicht zwangsläufig einen schweren Eingriff in die Grundrechte darstellt. Danach ist die Vorratsdatenspeicherung zulässig, wenn die nationale Regelung Speichermodalitäten vorschreibt, die eine wirksame strikte Trennung der verschiedenen Kategorien personenbezogener Daten gewährleistet und damit ausschließt, dass genaue Schlüsse auf das Privatleben der betreffenden Person gezogen werden können. Seither herrscht eine rege Diskussion, in welchem Umfang eine Vorratsdatenspeicherung zulässig ist.
Scharfe Kritik kam vom eco Verband der Internetwirtschaft eV. eco-Vorstandsvorsitzender Oliver Süme erklärte:
Die geplante dreimonatige Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen ist ein herber Rückschritt in eine längst überwunden geglaubte Überwachungslogik. Trotz eindeutiger Rechtsprechung von EuGH und Bundesverwaltungsgericht bleibt eine anlasslose Speicherung mit EU-Recht unvereinbar.
Umso unverständlicher sei, dass es bisher keinen politischen Diskurs darüber gäbe, wie die vom EuGH geforderten Einschränkungen in der Praxis von den Unternehmen umgesetzt werden sollten. Es sei zudem bemerkenswert, dass das BKA eine deutliche Steigerung der Ermittlungserfolge durch monatelange Speicherung verspricht, obwohl eine BKA-Studie belegt, dass über vier Wochen hinaus kein zusätzlicher Nutzen entstehe. Es blieben lediglich erhebliche Rechtsunsicherheit, unverhältnismäßige Eingriffe in Grundrechte sowie erwartbare Zusatzkosten für den Aufbau einer nutzlosen Infrastruktur, die keinerlei Mehrwert für die Strafverfolgung bringe. eco fordert stattdessen rechtsstaatliche und verhältnismäßige Lösungen. Süme weiter.
Statt Milliarden an Datenbergen ohne Mehrwert und kostenintensiver Überwachungsinfrastruktur braucht es gezielte Verfahren im Einzelfall – wie etwa das Quick-Freeze-Modell.