Vorratsdatenspeicherung

BVerwG bestätigt in einem aktuellen Urteil die Rechtsprechung des EuGH

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass die verpflichtende (Massen-)Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz (TKG) nicht den strengen Anforderungen des EU-Rechts entspricht (Urteil vom 14. August 2023 – Az. BVerwG 6 C 6.22). Das Urteil setzt damit eine Reihe höchstgerichtlicher Entscheidungen fort.

Die Urteilsbegründung liegt bisher noch nicht vor. In einer Pressemitteilung teilt das BVerwG mit, dass sich zwei Telekommunikationsunternehmen (dem Vernehmen nach handelt es sich um die Deutsche Telekom und die SpaceNet AG) gegen die ihnen mittlerweile in § 175 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 176 TKG geregelte Verpflichtung wenden, Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Die für eine Dauer von zehn Wochen zu speichernden Daten umfassen unter anderem die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Beginn und Ende der Verbindung oder der Internetnutzung bzw. die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs einer Kurznachricht, zugewiesene IP-Adressen und Benutzerkennungen sowie Kennungen der Anschlüsse und Endgeräte. Für eine Dauer von vier Wochen zu speichern sind zudem Standortdaten, also im Wesentlichen die Bezeichnung der bei Beginn der Verbindung genutzten Funkzelle. Das Verwaltungsgericht Köln lehnte eine solche Verpflichtung bereits im April 2018 wegen eines Verstosses gegen EU-Recht ab. Die grundsätzlichen Rechtsfragen seien durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) geklärt. Auf die Sprungrevision der Beklagten, vertreten durch die Bundesnetzagentur, hatte das Bundesverwaltungsgericht die Verfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV eingeholt. Nachdem der EuGH die Vorlagefragen mit Urteil vom 20. September 2022 beantwortet hatte, hat das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen der Beklagten nun zurückgewiesen.

Die Regelung im Telekommunikationsgesetz schreibe eine anlasslose, flächendeckende und personell, zeitlich und geografisch undifferenzierte Vorratsspeicherung eines Großteils der Verkehrs- und Standortdaten vor. Diese genügt schon deshalb nicht den unionsrechtlichen Anforderungen, weil keine objektiven Kriterien bestimmt werden, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Ziel herstellen. Da die Vorratsspeicherung der genannten Daten und der Zugang zu ihnen unterschiedliche Eingriffe in die betroffenen Grundrechte darstellen, die eine gesonderte Rechtfertigung erfordern, ist die Begrenzung der Verwendungszwecke in § 177 Abs. 1 TKG von vornherein nicht geeignet, die unionsrechtliche Anforderung klarer und präziser Regeln für die vorgelagerte Maßnahme der Speicherung der Daten zu erfüllen. Zudem fehle es an der vom EuGH geforderten strikten Begrenzung der allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten auf den Zweck des Schutzes der nationalen Sicherheit. Soweit sich die Pflicht zur Vorratsspeicherung auf die dem Teilnehmer zugewiesene IP-Adresse bezieht, sehe die Regelung im Telekommunikationsgesetz eine Beschränkung der Speicherungszwecke nicht vor. Da eine unionsrechtskonforme Auslegung wegen des vom EuGH hervorgehobenen Grundsatzes der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht in Betracht kommt, darf die Regelung im Telekommunikationsgesetz wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, hielt gleichwohl eine rechtskonforme Regelung zur Vorratsdatenspeicherung für möglich. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte Wiese:

Es überrascht mich schon sehr, wie manche in Berlin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gelesen haben und darin sogar die vollständige Absage zur gezielten IP-Adressenspeicherung sehen.

Der EuGH habe geurteilt, dass Verkehrs- und Standortdaten allgemein und unterschiedslos auf Vorrat gespeichert werden dürften, wenn es um den Schutz der nationalen Sicherheit, die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit gehe. Der FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle warnte dagegen davor, weiter ein totes Pferd zu reiten. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur:

Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist mehrfach vor Gericht gescheitert. Das Ende dieser Pauschalüberwachung aller Bürgerinnen und Bürger ist also nicht vorschnell, sondern mehr als überfällig.
Die FDP wirbt für ein »Quick-Freeze-Verfahren«; dabei können Ermittlungsbehörden relevante Telekommunikationsdaten bei den Providern einfrieren lassen, wenn der Verdacht auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung besteht.

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