Vorratsdatenspeicherung

EuGH Generalanwalt spricht sich gegen deutsche Vorschriften aus

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hält deutsche Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit EU-Recht. Das geht aus den Schlussanträgen hervor, die am 18. November 2021 veröffentlicht wurden.

Im April 2014 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten für ungültig erklärt (Az. C-293/12 und C-594/12). Sie beinhalte einen Eingriff von großem Ausmaß und von besonderer Schwere in Grundrechte, ohne dass sie Bestimmungen enthielte, die zu gewährleisten vermögen, dass sich der Eingriff tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt. Mit zwei weiteren Urteilen vom 06. Oktober 2020 (Az. C-623/17, C-511/18, C-512/18 und C-520/18) hat der Gerichtshof diese Rechtsprechung bestätigt und nuanciert. Dennoch befürchteten verschiedene nationale Gerichte, dass diese Rechtsprechung den staatlichen Behörden ein notwendiges Instrument zum Schutz der nationalen Sicherheit und zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus vorenthalten könne. Auch das Bundesverwaltungsgericht wandte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH; dem Gericht lagen Verfahren vor, mit denen den Klagen der Provider Deutsche Telekom und SpaceNet gegen die Bundesnetzagentur stattgegeben worden war. Sie hatten sich mit Erfolg gegen die Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten der elektronischen Kommunikation ihrer Kunden gewehrt.

In seinen Schlussanträgen (C-793/19 und C-794/19, C-140/20 sowie C-339/20 und C-397/20) vertritt Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona die Auffassung, dass die Antworten auf alle vorgelegten Fragen bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu finden seien oder unschwer aus ihr abgeleitet werden könnten. Er erkennt zwar an, dass sich in den deutschen Rechtsvorschriften Fortschritte bei der Umsetzung der Urteile des EuGH manifestieren. Er kommt jedoch auch zu dem Ergebnis, dass sich die mit diesen Rechtsvorschriften auferlegte Verpflichtung zu einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung auf eine große Vielzahl von Verkehrs- und Standortdaten erstrecke. Die zeitliche Begrenzung, die für diese Vorratsspeicherung gelte, heile diesen Mangel nicht, da, abgesehen von dem gerechtfertigten Fall der Verteidigung der nationalen Sicherheit, die Speicherung von Daten über die elektronische Kommunikation selektiv erfolgen müsse, aufgrund der schweren Gefahr, die mit der allgemeinen Speicherung dieser Daten verbunden sei. Der Generalanwalt erinnert außerdem daran, dass in jedem Fall der Zugang zu diesen Daten einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Familien- und Privatleben sowie den Schutz personenbezogener Daten darstelle, unabhängig von der Länge des Zeitraums, für den der Zugang zu den genannten Daten begehrt werde. Oder anders ausgedrückt: Sánchez-Bordona hält die nationalen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit EU-Recht und ist genervt, dass der Gesetzgeber dennoch immer wieder versucht, sie einzuführen. Die allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten im Bereich der elektronischen Kommunikation sei nur bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit erlaubt, so der Generalanwalt.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend. Oft folgen die Richter aber dem Vorschlag; Recherchen der FAZ aus dem Jahre 2018 belegen, dass sich der Gerichtshof in etwa 86 Prozent der Fälle den Schlussanträgen anschliesst. Mit dem Urteil des EuGH ist frühestens im Februar 2022 zu rechnen.

(Quelle: europa.eu, heise.de, beckmannundnorda.de)

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