Vorratsdatenspeicherung

Das BVerfG bestätigt Unionsrecht und weßt zugleich Verfassungsbeschwerden ab

In einer Presseerklärung vom 30.03.2023 teilt das Bundesverfassungsgericht mit, dass die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung unvereinbar mit EU-Recht und daher nicht anzuwenden sind. Weitere Verfassungsbeschwerden sind daher bereits unzulässig, stellt das Bundesverfassungsgericht klar.

In dem Verfahren wenden sich die Beschwerdeführenden gegen die gesetzlichen Vorschriften über die anlasslose Vorratsspeicherung, ursprünglich insbesondere geregelt in § 113b Abs. 1 bis 4 sowie § 113c Abs. 1 TKG und § 100g Abs. 2 sowie § 100g Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 100g Abs. 2 StPO. Zur Begründung machen sie geltend, die darin vorgesehene Speicherung ihrer Verkehrsdaten verstoße unter anderem gegen ihre Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG (Telekommunikationsfreiheit), Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit). Seit Juni 2021 finden sich die maßgeblichen Vorschriften ihrem Inhalt nach in § 176 Abs. 1 bis 4 sowie § 177 Abs. 1 TKG n. F. und § 100g Abs. 2 sowie § 100g Abs. 3 in Verbindung mit § 100g Abs. 2 StPO n. F. Die Verfassungsbeschwerden stammen sämtlich aus dem Jahr 2016. Am 20. September 2022 entschied der EuGH im Wesentlichen, dass das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die präventiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsähen. Ausnahmen erkennt das Gericht nur in wenigen Fällen an, die sich aus dem Schutz der nationalen Sicherheit, der Bekämpfung schwerer Kriminalität und der Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit ergeben. Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Urteils an, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung »zügig und endgültig« aus dem Gesetz zu streichen. Stattdessen will man das »Quick-Freeze«-Verfahren einführen. Dabei können Ermittlungsbehörden relevante Telekommunikationsdaten bei den Providern einfrieren lassen, wenn der Verdacht auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung besteht.

Für die noch anhängigen Verfassungsbeschwerden aus 2016 bedeutete das allerdings, dass sie vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig nicht mehr zur Entscheidung angenommen wurden. Beschwerdeführende seien angehalten, ihre Verfassungsbeschwerden bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls auch nachträglich zu ergänzen. Nach dem Urteil des EuGH vom 20. September 2022 hätten sie daher ihren Vortrag substantiiert ergänzen müssen, ob und inwieweit ihr Rechtsschutzbedürfnis weiter fortbestand. Steht bereits fest, dass eine Norm dem Unionsrecht widerspricht und deshalb innerstaatlich nicht angewendet werden darf, gibt es für eine Überprüfung einer nationalen Norm im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde kein Bedürfnis (mehr). Die Relevanz weiteren Vortrags hätte sich umso mehr aufdrängen müssen, als die Beschwerdeführenden wegen bestehender Zweifel an der Unionsrechtskonformität mit ihren Verfassungsbeschwerden ursprünglich selbst angeregt hatten, dem EuGH die Frage der Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit dem Unionsrecht vorzulegen. Nachdem dieser die Frage der (Un)Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht geklärt hat, haben die Beschwerdeführenden sich nicht mehr verhalten. Mit anderen Worten: die Beschwerdeführenden hätten erreicht, was sie wollten.

Unterdessen hat der Rat der Europäischen Union einen Vorschlag unterbreitet, eine »High Level Expert Group on Access Data« zu etablieren. Deren Aufgaben soll es unter anderem sein, eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene auf den Weg zu bringen und dabei insbesondere auf die Bedürfnisse der Strafverfolgungsbehörden eingehen. Ob und wie sich Deutschland beteiligt, ist noch unklar.

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